Eingreifen ist angesagt
Griffe und Eingriffhilfen können im modernen Möbelbau durchaus auch als Gestaltungselemente eingesetzt werden. Bild: Häfele
Griffe und Eingriffhilfen können im modernen Möbelbau durchaus auch als Gestaltungselemente eingesetzt werden. Bild: Häfele
Öffnungshilfen. Der Möbelgriff hat noch lange nicht ausgedient. Nur hat er sich im Verlaufe der Jahre und im Trend des modernen, puristischen Designs verändert. Heute setzt der Möbelbauer mehrheitlich auf Griffleisten, -mulden oder -muscheln, und dies mit Erfolg.
Vor wenigen Jahren wurden besonders aus der Küchenbranche Stimmen laut, dass das Öffnen und Schliessen von Möbeln künftig nur noch via Push- oder Touchfunktion ausgeführt werde. Damit war die stark aufkommende Beschlägetechnik gemeint, bei der sich die Fronten mit einer leichten Tippbewegung sanft öffnen lassen. Tatsächlich bringt diese Öffnungsart – durch eine raffinierte Ausstoss- und Einzugsautomatik unterstützt – in vielen Küchen Vorteile. Doch im Möbelbau, da sind sich die Schreiner einig, hat der Möbelgriff noch lange nicht ausgedient. Auch die Beschlägehersteller und -lieferanten unterstützen diese These, weisen aber auf die Veränderungen rund um das Outfit, die Materialien, die Platzierung sowie die Montage der Beschläge hin.
Im Zusammenhang mit modernem Möbeldesign nur noch wenig eingesetzt werden runde und geschwungene Griffe. Die Suche nach einfachen und puristischen Möbelformen hat nämlich dazu geführt, dass diese Versionen durch verdeckte oder frontenbündig angebrachte Griffe abgelöst wurden. Je nach Anwendungsbereich, Montageposition oder Konstruktion spricht man hierbei von Griffmulden, Griffprofilen, Griffleisten oder Griffmuscheln.
Die Griffmulden haben sich im Küchenbau und auch bei den Büromöbelherstellern durchgesetzt. Damit sind fest angebrachte Anschlagsmulden hinter der Front gemeint. Diese bieten ausreichend Platz zum Hintergreifen des Schubladendoppels. Solche Muldenprofile, in praktisch allen Aluminiumveredelungen erhältlich, können je nach Bedarf zwischen der Deckplatte und der darunter liegenden Schublade montiert werden. Doch auch die Platzierung zwischen den Schubladen oder zwischen Front und Korpus ist möglich.
Bei der Möbelgestaltung sorgen die neuen Möglichkeiten der vertikalen Montage für gestalterischen Freiraum. Diese Variante kommt bereits bei Raumtrennern und Schie- betüren häufig zum Einsatz. Das Anbringen der Griffmuldenprofile erfolgt mittels Montagewinkeln und Einhängen oder Einschieben der Profile.
Der Beschlägehersteller Hettich liefert für die neue Griffmuldenlinie «Cesana», bestehend aus C- und L-Profilen, gleich ein innovatives Klickverbindungssystem mit. Dabei können die Profile einfach in die vormontierten speziellen Befestigungswinkel eingeklickt werden.
Eine vom Schreiner möglichst dezent eingesetzte Griffleiste steht optisch der Griffmulde in nichts nach – im Gegenteil. Die verschiedenen Querschnitte dieser Aluminiumprofile sorgen für die Qual der Wahl. Vom V-Profil über halbrunde Versionen bis hin zum sogenannten C-, U- oder L-Profil ist alles erhältlich, inklusive Endkappen als mögliche Abschlussvariante. «Meistens werden diese Griffleisten auf der ganzen Elementbreite in die Front eingelassen», erklärt Hansjörg Rihs, Geschäftsleiter der H. Schneuwly AG. «Diese Montage erfolgt mittels Harpunensteg, einem gerippten Hilfsprofil, das in eine vorgefräste Nut gepresst und vom Schreiner mit PU-Leim verstärkt wird. Je nach Typ und Einsatzort gibt es auch Aluminiumleisten, die geklebt oder geschraubt werden. Eine ganze Reihe dieser Griffleisten führen auch die anderen spezialisierten Unternehmen, wie beispielsweise Beat Bucher AG, Häfele oder Ackutech AG im Sortiment.
Raimund Müller, Geschäftsführer der Acku-tech AG, kann zwar keinen klaren Griffleistentrend erkennen. Er weist aber auf die vom Schreiner vermehrt als Gestaltungselement eingesetzten Griffleisten hin. «Die modernen, dunklen Fronten werden mit den Aluminiumgriffleisten umrahmt oder aber durchbrochen – je nach dem, wo der Griff für den Benutzer vorteilhaft angebracht werden soll», erklärt Müller. Gewicht und Grösse der zu öffnenden Front spielen dabei eine wesentliche Rolle. Bei Glasfronten beispielsweise ist die Montage von verdeckten Griffleisten üblich. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Zubehör, etwa individuell einsetzbare Endkappen aus Aluminium oder Kunststoff, Befestigungswinkel und Montagelaschen.
Im Möbelbau, wo der Einsatz von leichten, gleitunterstützten Schiebetüren und Schubladen an der Tagesordnung ist, wird heute auf dezente Profile gesetzt. Diese flachen Aluminiumleisten mit leicht vorstehendem Griffwinkel können elementbreit montiert oder auf einem bestimmten Ausschnitt in die Frontoberseite eingelassen werden. Gemäss Schneuwly-Geschäftsleiter Rihs ist die Nachfrage an solchen Profilen in Edelstahloptik für das Badezimmer recht gross. Ansonsten sind diese Aluminiumgriffmulden, -leisten und -profile natur eloxiert, gebürstet oder farblos eloxiert im Angebot. Bei der Veredelung des Aluminiums verspricht Ackutech, jedes bearbeitete Element einzeln zu eloxieren. Damit wird gewährleistet, dass auch sämtliche Kanten mit dieser Oberflächenbearbeitung versehen sind. Ebenfalls äusserst dezent und fast grifflos wirkt der «Touch-in» von Hettich. Ob rund oder eckig – hinter der Dekorplatte versteckt sich die Öffnungsfunktion. Die Platte wird zunächst eingedrückt, um in die dahinter liegende Muschel hineinzugreifen. Somit lassen sich Möbeltüren, Klappen, Schubladen und Auszüge leicht öffnen.
Beim Einbau von Schiebetüren ist meistens nur wenig Platz für Griffe oder Schiebehilfen. Deshalb setzen die Hersteller auch dort auf flächenbündige Lösungen. Für einen glatten Auftritt sorgt beispielsweise die Einlassmuschel für Schiebetüren von FSB. Die flächenbündige Montage dieses Systems ohne sichtbare Verschraubungen wird damit optimiert, dass die Bedienöffnung bei Nichtgebrauch mit einer passgenauen, selbst schliessenden Klappe abgedeckt wird. Auch andere Hersteller und Händler führen innovative Grifflösungen rund ums Schieben. Daneben rechtfertigt sich aber auch der Einbau von gewöhnlichen Griffschalen und -muscheln, je nach Möbelart und -dimension. Diese können bei praktisch allen Händlern in Standardlänge oder auf Mass bestellt werden. Die Anpassung von Profilen kann jedoch dem Schreiner durchaus zugemutet werden. Diese Tatsache bietet ihm einen grossen individuellen Gestaltungsspielraum.
Direkt profilieren
Diese Freiheiten machen sich einige Schreiner und Frontenspezialisten zu ihrem Vorteil, fräsen sie doch verschiedenste Griffprofile direkt in Fronten aus Massivholz oder MDF. Für die Lanz-Fronten AG ist es gemäss deren technischen Beraters Martin Häni ein Muss, die ganze Palette an Möglichkeiten auszuschöpfen und dem Schreiner als Kunden anzubieten. So integriert das Unternehmen praktisch sämtliche Griffleisten und -profile aus Aluminium in seine Fronten. Daneben werden auf Wunsch Griffleisten oder Grifföffnungen in fast jeglicher Form eingefräst. «Der Vorteil dieser Lösungen in Holz ist die homogene Wirkung am fertigen Möbelstück», erklärt Martin Häni. «Neben den Hochglanzfronten sind die trendigen sägerohen Furnieroberflächen zu erwähnen, die ganzflächig besonders gut zur Geltung kommen.»
Dass auch kleinere Schreinereien mit ihren individuellen Griffleisten beim Kunden punkten können, beweist die Büsseracher SM Schreinerei von Stefan Moser. Er produziert mit seinem Team auf der CNC-Anlage Aussparungen, die als Griffmuschel im Kinderzimmermöbel, als Türgriff im Schlafzimmer, als Schrankgriff im Ankleidemöbel oder als Auszugsgriff im Büromöbel verwendet werden können. «Am häufigsten kommt diese schlichte Griffform jedoch in Küchen zum Einsatz», erklärt Stefan Moser.Er nimmt neue Impulse für eingefräste Griffe und Griffleisten immer wieder in Kundengesprächen auf und versucht diese umzusetzen.
www.opo.chwww.hsbbiel.chwww.ackutech.chwww.hafele.comwww.lanzfronten.chwww.schreinereimoser.chVeröffentlichung: 02. August 2012 / Ausgabe 31-32/2012