Ein talentierter Quereinsteiger

Schreiner Beni Juchli (66) vor seinem historischen Gästehaus im Tessin. Bild: Fabian Zumbühl

Leute. Beni Juchli steht im Garten seines Patrizierhauses «Casa Casserini» in Cerentino, das 1852 erbaut wurde. «Für diesen Traum habe ich 2017 meinen Schreinerbetrieb in Triengen aufgelöst», erzählt der 66-Jährige.

Aufgewachsen ist er mit vier Geschwistern in Grosswangen LU. Das Haus hatte einen grossen Umschwung und die Mutter einen beachtlichen Biogarten. «Wir Kinder durften viel mithelfen. Ich half auch schon sehr früh bei den Bauern in der Nachbarschaft, durfte mit dem Pferd Heu wenden und später Traktor fahren.» Auch an die erste Mondlandung 1969 erinnert er sich gut: Alle Kinder seien gespannt in Nachbars Stube vor dem Fernseher gesessen und haben das Ereignis verfolgt. Nach der Primarschule besuchte er die Kantonsschule. Er war aber lieber in der Natur. «Ich las Comics statt zu lernen.» Nach einem Monat bei einem Biobauern im Welschland ging er zum Berufsberater. Die Berufe waren auf Bildern dargestellt, und die Jugendlichen wählten das Bild, das ihnen am besten gefiel. Er entschied sich für eine Lehre als Vermessungszeichner. «Dieses Handwerk war ein Teil meiner Lebensschule: Schönschreiben, Zeichnen und Geometrie.» Doch es war nicht der Beruf fürs Leben. Aber eine Zweitlehre als Schreiner war mangels Lehrstellen nicht möglich. «Ich arbeitete als Hilfsschreiner zu einer Zeit, als es noch keine Akkuschrauber gab.»

«Ich arbeitete als Hilfsschreiner zu einer Zeit, als es noch keine Akkuschrauber gab.»

Der Quereinstieg als Schreiner war kein Kinderspiel. So entschloss Juchli, sich selbstständig zu machen. Als «Taglöhner» verdiente er sich seinen Lebensunterhalt mit Gartenunterhalt, Malen oder Fensterputzen und immer häufiger mit Umbau- und Montagearbeiten für Schreinereien. 1983 gründete er zusammen mit Geri Baumeler die Juchli & Baumeler Schreinerei Parkett in Grosswangen. 1992 folgte der Umzug nach Triengen in eine grössere Werkstatt. «Dank der langjährigen und sehr guten Mitarbeiter konnten wir viele spannende Projekte realisieren.» Doch es sei herausfordernd gewesen, mit der Konkurrenz mitzuhalten. 2011 schied Baumeler aus der Firma aus. «Auflösen oder weitermachen stand zur Auswahl», erzählt Juchli. Er entschied sich fürs Weitermachen und ist seinen Mitarbeitern und auch seiner Familie unendlich dankbar für die grosse Unterstützung. Doch 2015 entdeckte Juchli mit seiner damaligen Partnerin das Patrizierhaus in Cerentino im Val Rovana, einem Seitental des nördlichen Maggiatals. Nach dem Kauf folgte die Räumung und der Einzug. «Ohne Strom zwar, aber von der ersten Stunde an bewohnbar», sagt er mit einem Lachen. Mit einem langjährigen Weggefährten, dem Architekten Arthur Welti aus Luzern, kam er auf die Idee, Ferienwohnungen einzubauen. «Meine Devise war, natürliche Materialien zu verwenden.» Im Haus befinden sich nebst alten Malereien auch alte Türen, und Ursprüngliches wurde mit Modernem vereint.

Doch so eine Liegenschaft kann man nicht an den Wochenenden umbauen. Schweren Herzens entschloss er sich 2017, den Schreinerbetrieb aufzulösen. Heute ist er passionierter Gastgeber und wohnt selbst in der «Casa Casserini». «Ich erlebe hier viele spannende Begegnungen mit meinen Gästen. Es entstehen auch schöne Freundschaften.» Er hält auch das ganze Haus in Schuss. Dazu gehört Putzen, Frühstück bereitstellen, Waschen, Bügeln und alles, was anfällt. Im Winter ist es ruhiger. Da arbeitet er als Schreiner und macht Umbauarbeiten, Planungen und Beratungen. Im Sommer gehe er Pilze sammeln. «Dann gibt es Risotto mit Eierschwämmen, auch für meine Gäste», sagt er mit einem zufriedenen Blick auf die blühenden Rosen.

Caroline Mohnke

Veröffentlichung: 24. Juni 2024 / Ausgabe 25/2024

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