Ein Stück Schweizer Geschichte

Schreiner Gion Michael (46) konnte mit seinem Team den Innenaus-bau des Schellen-Ursli-Hauses im Europa-Park in Rust gestalten. Bild: PD

Es gibt bestimmt weniger schöne Arbeitsplätze als jenen des Bündner Schreiners Gion Michael. Seine TM Schreinerei AG steht am Rande des idyllischen Dörfchens Zillis in der Region Viamala.

Umgeben vom Glockengeläut grasender Kühe, von einem fast schon pittoresken Dorfbild sowie einem eindrücklichen Bergpanorama mit Blick auf den knapp 2800 Meter hohen Curvér Pintg da Taspegn, werken Mitinhaber Michael und sein zehnköpfiges Team als «Die Bergschreiner», wie sie sich selber bezeichnen. Für irgendwelche dorf- und naturromantische Exkurse hat an diesem prachtvollen Mittwochnachmittag jedoch niemand Zeit. In der Schreinerei wird fleissig gearbeitet, und hinten im kleinen Büro sitzt Michael telefonierend vor dem Computer und winkt den Besuch herein. Hier ist der Ort, an dem ein Stück Schweizer Filmgeschichte entstanden ist. Nun ja, zumindest der Nachbau davon. Denn vor rund einem Jahr hat Gion Michael eine ganz besondere Anfrage erhalten: Er durfte im Europa-Park in Rust für das neue Bündnerhaus «Chasa da Uorsin» (Schellen-Ursli-Haus) den Innenausbau übernehmen. Vorbereitet wurden die Arbeiten in Zillis und dann während vier Tagen im süddeutschen Rust montiert. Dass es zu diesem nicht ganz alltäglichen Auftrag gekommen ist, war kein Zufall, wie Gion Michael nach dem Telefonat erklärt.

«Unser Sohn Laurin hat im Schellen-Ursli-Film von Xavier Koller den ‹Roman› gespielt.» Und als die Geschäftsführung des Europa-Parks das Projekt eines Bündner Hauses geplant habe und auf ihn zugekommen sei, sei er natürlich sehr erfreut gewesen.

Erfreut war Michael auch, als er feststellte, dass die Verantwortlichen beim Europa-Park eine möglichst authentische Arbeit wollten und keinen romantischen Alpen-Kitsch, wie er es nennt.

«Wir konnten qualitativ hochwertige und vor allem tatsächlich authentische Arbeiten aus Arvenholz anfertigen», sagt Michael. Auch sei die Zusammenarbeit mit dem Europa-Park-Team ausgezeichnet gewesen, lobt der Bündner «Bergschreiner» seine deutschen Kollegen. Die Erstellung des Schellen-Ursli-Hauses sei für ihn sowohl handwerklich als auch emotional eine sehr schöne Arbeit gewesen. Bloss der logistische Aufwand sei stellenweise etwas gross gewesen. «Ich war mir zuvor nicht bewusst, was es für einen Aufwand bedeutet, all die Zolldokumente termingerecht und korrekt einzureichen», sagt Michael. Abschrecken liess er sich von diesem «Dokumenten-Dschungel» jedoch nicht.

«Uns schreckt nichts so schnell ab», versichert er lachend. Mittlerweile ist das Schellen-Ursli-Haus im Europa-Park seit gut einem Jahr für die Besucher geöffnet.

Selbstverständlich war auch Gion Michael mit seiner Familie bereits vor Ort. Zweimal sogar, wie der 46-Jährige anmerkt. Und ginge es nach seinen Kindern, würden sie ohnehin ungefähr einmal im Monat nach Süddeutschland reisen.

Noch muss der nächste michaelsche Europa-Park-Familienausflug allerdings warten. Denn bereits klingelt wieder das Telefon des Chefs. Die Arbeit ruft. Für einmal eher «gewöhnliche» Arbeit und nichts im Stile eines Schweizer Filmgeschichte-Auftrages. Für Gion Michael ist dies jedoch kein Problem.

«Mir macht jede Arbeit Freude.» Sagt es, verabschiedet sich freundlich und zieht sich telefonierend wieder in sein Büro zurück, bereit, einen neuen Auftrag für seine «Bergschreiner» entgegenzunehmen.

«Wir konnten qualitativ hochwertige und vor allem authentische Arbeiten aus Arvenholz anfertigen.»

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Veröffentlichung: 08. Juni 2017 / Ausgabe 23/2017

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