Ein Kick für das Selbstbewusstsein


Michel Bieler (31) ist vierfacher Schweizermeister im Sanda-Boxen. Hier sieht man einen seiner Kicks bei den Schweizermeisterschaften 2016 in Muri. Bild: PD
Michel Bieler (31) ist vierfacher Schweizermeister im Sanda-Boxen. Hier sieht man einen seiner Kicks bei den Schweizermeisterschaften 2016 in Muri. Bild: PD
Schweissnass klebt das T-Shirt Michel Bieler am Körper, als er vor seinem Sparringpartner in Deckung geht. Er achtet auf dessen Muskelbewegungen, schätzt ihn ab, lauert. Und dann geht es blitzschnell. Zuerst, im Sinne eines Täuschungsmanövers, bringt Bieler zwei Jabs, abrupt geschlagene Geraden mit der Führhand, bevor seine Schlaghand zwei sogenannte Back High Jabs in Richtung Kopf seines Gegenübers schickt. Das sitzt. Jetzt noch ein Lowkick mit dem Fuss und dann nach einer flinken Drehung um die eigene Achse ein Backkick. Voilà – die Punkte sind geholt. Beim Sanda-Boxen zählen die gelandeten Attacken. Je nach getroffener Körperregion verteilt der Ringrichter seine Punkte. Ein K. o. gibt es selten. Bieler, der in der Kampfkunstschule gerade nach allen Regeln der chinesischen Kampfsportart austeilt, ist im wirklichen Leben ein völlig friedlicher Zeitgenosse. Er arbeitet als stellvertretender Werkstattleiter in seinem ehemaligen Lehrbetrieb, der Ruepp Schreinerei AG in Sarmenstorf, wohnt in Hermetschwil und boxt in Muri. Die drei Orte im Kanton Aargau, in denen sich das Leben des 31-Jährigen abspielt, sind gerade einmal zehn Kilometer voneinander entfernt. «Diese Nähe wirkt sich auf Familie, Arbeit und Sport positiv aus. Das sorgt für Ausgeglichenheit», sagt er. Wenn er sich also mit jemandem anlegt, dann hat das immer rein sportliche Gründe.
Dabei trägt Bieler einen Mundschutz, um Zähne und Kiefer zu schützen und einen Sparring-Kopfschutz, um Jochbein und Hinterkopf vor Blessuren zu bewahren. Zusätzlich bandagiert er die Hände mit sieben Meter langen Stoffbändern. «Auf diese Gelenke wirken grosse Kräfte», erklärt er. Dass er sich bisher nie ernsthaft verletzt hat, hat aber auch einen anderen Grund. «Beim Sanda gehen wir respektvoll miteinander um», sagt er. Und dennoch sollten mögliche Aggressoren einen Bogen um diesen Schreiner machen. Schlagen, Treten, Werfen heissen seine Zauberworte. Im Prinzip könnte er sie im Ernstfall auch ausserhalb des Trainings anwenden. Darauf angesprochen, sagt Bieler nur: «Einem Angriff ausserhalb des Trainings gehe ich aus dem Weg. Aber Sanda gibt Selbstbewusstsein, und das macht einen als Opfer weniger attraktiv.» 2015, 2016 und 2017 war er Schweizermeister im Sanda Lightcontact. In dieser Disziplin wird mit dosiertem Einsatz der zur Verfügung stehenden Techniken gekämpft. Beim Sanda Fullcontact hingegen zieht der Athlet alle Register der Ellenbogen-, Kick- und Knietechniken. 2017 holte sich Bieler auch hier den Schweizermeister-Titel.
«International haben die Schweizer jedoch kaum eine Chance. Die Konkurrenz aus China, wo Sanda ein Volkssport ist, ist überwältigend», sagt er, der drei Jahre in der Schweizer Nationalmannschaft kämpfte. Für den Erfolg braucht es Durchhaltevermögen und eine gute Trainingsmoral. «Meine Frau Laila lernte ich beim Sanda kennen. Sie kann mich bestens unterstützen und aufbauen, denn sie weiss, worauf es ankommt», sagt er. Und er erzählt dann, dass Sanda weit mehr sei als blosse Ausdrucksform von Kraft und Kampf, sondern vor allem auch eine mentale Angelegenheit. Bieler sagt: «Beobachten, abwägen, im richtigen Moment reagieren – auf kluge Taktik und perfektes Timing kommt es ja auch im Alltag an.»
«Auf kluge Taktik und perfektes Timing kommt es ja auch im Alltag an.»
Veröffentlichung: 02. Dezember 2021 / Ausgabe 49/2021
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