Ein Artikel und seine Folgen

Schreiner und Berg-maler Toni Weishaupt diesen Sommer in Soglio – im Engadin erlebte er vor 45 Jahren seine erste grosse Liebe. Bild: Franziska Hidber

EIne Geschichte aus dem leben.  Am Anfang war ein Auftrag: Ein Porträt über den ehemaligen Schreiner und heutigen Bergmaler Toni Weishaupt für die SchreinerZeitung. Am Ende traf Toni seine erste Liebe wieder – nach 45 Jahren. Wie dank dieser Zeitung ein Märchen wahr wurde.

Es war einmal ein junger Schreiner, der hiess Toni. Vom Appenzeller Familienbetrieb zog er hinaus in die weite Welt, nach Pontresina im Engadin. Dort vertiefte er sein Handwerk, lernte Land und Leute kennen –und Dorli. Die quirlige Engadinerin eroberte sein Herz im Sturm, sodass der Jüngling kaum wusste, wie ihm geschah.

Befeuert von der Liebe, malte er eindringliche Bilder – etwa den weissen Kometen, der in ein rotes Etwas schiesst. Rot wurde zu seiner liebsten Farbe, und Bilder malte er, weil die Wände in seiner neuen Bleibe so leer waren und sein Geldbeutel so schmal.

Leben in zwei Welten

Mit der Liebe zu Dorli wuchs Tonis Lust am Malen, der Schreiner war so glücklich, wie man nur sein kann. Aber dann drängten sich die Umstände rücksichtslos zwischen die Verliebten. Tonis Zeit in Pontresina war um, er wurde zu Hause in Appenzell gebraucht. Im Engadin bleiben? Nein, das kam nicht in Frage. Umgekehrt wäre Dorli, Engadinerin durch und durch, nie ins Unterland gezogen. Nein, das kam auch nicht in Frage. Und so packte Toni seine Koffer und machte sich schweren Herzens auf in die Heimat. Dorli aber blieb.

Erster Kontakt nach langen Jahren

Dorli besuchte ihren Toni, schrieb ihm einen Liebesbrief. Langsam jedoch flackerte die Flamme leiser. Beide lebten ihr Leben, sie in den Engadiner Bergen, er mit Blick auf den Alpstein. Der Kontakt brach ab, 45 lange Jahre lang. Und wenn sie nicht gestorben sind ... – Halt! Denn hier kommt die SchreinerZeitung ins Spiel.

«Da ist ein ehemaliger Schreiner aus Appenzell, der jetzt als Bergmaler Bilder malt und dafür jedes Jahr in einen anderen Kanton zieht – ein idealer Kandidat für unsere Serie ‹Persönlich›», befand die Redaktion und schickte die Reporterin los. Diese schrieb über Tonis aktuelle Malphase in Soglio, über seine allererste Zeit im Engadin vor vielen Jahren, über den weissen Kometen und die Liebe zu Dorli (siehe SZ 33/17). Und weil Toni gerade eine Ausstellung im Bergeller Dorf Vicosoprano laufen hatte, bot sie den Text in leicht veränderter Form auch der Engadiner Post an.

Damit kam die Sache ins Rollen. «He, Dorli, ist das nicht dein Toni von damals?», fragten aufmerksame Zeitungsleser. Dorli las. Und wusste: Das muss er sein. Fand seine Nummer heraus, nahm das Telefon, wählte und hatte ihn am Draht: den Toni von damals. Diese kurze, heftige Liebe.

Eine Freundschaft fürs Leben

Sie verabredete sich mit ihm zum Mittagessen in einer Gartenwirtschaft in Vicosoprano. «Ich hab sie sofort erkannt», erzählt Toni, «ihr ‹Model›, wie wir in Appenzell sagen, ist unvergleichlich.» Er hatte den Liebesbrief mitgenommen, den sie ihm nach seinem Wegzug schrieb. Sie sei fast vom Stuhl gefallen, als sie ihre eigenen Worte nach über vier Jahrzehnten wieder las, erzählt er glucksend vor Vergnügen.

Über fünf Stunden haben die beiden ihre Erinnerungen aufleben lassen, sich voneinander erzählt. Dann gingen sie wieder in ihre Leben zurück – er nach Appenzell, sie ins Engadin. Wie vor 45 Jahren. Und doch anders. «Wir werden in Kontakt bleiben», sagt Toni. Und wenn sie nicht zu beschäftigt sind, treffen sie sich bald wieder.

hid

Veröffentlichung: 09. November 2017 / Ausgabe 45/2017

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