Drum prüfe, wer bestelle


Mit dem Köfferchen zum Holzeinkauf bringt Gewissheit und schafft so auch Sicherheit auf allen Seiten – denn Massivholz ist unstetig. Bild: Christian Härtel
Mit dem Köfferchen zum Holzeinkauf bringt Gewissheit und schafft so auch Sicherheit auf allen Seiten – denn Massivholz ist unstetig. Bild: Christian Härtel
Massivholz. Wenn der Feuchtegehalt von Massivholz bei der Verarbeitung nicht stimmt, ist alles schöne Wirken nicht viel wert. Wer ein Messgerät zur Hand nimmt, misstraut nicht etwa dem Lieferanten, sondern sichert die Qualität gegenüber allen Beteiligten.
«Der Kauf eines Holzfeuchtemessgerätes war eine der ersten Massnahmen, die ich ergriffen habe, als ich vor 27 Jahren meine Schreinerei übernommen habe», sagt Ulrich Renggli, Inhaber der gleichnamigen Schreinerei in Basel. Seitdem begleitet ihn der dunkle Koffer bei jedem Holzkauf. Am Anfang hätten die Händler etwas merkwürdig geschaut, wenn er mit dem Köfferchen kam, aber inzwischen hätten sie sich daran gewöhnt. Das habe sich bewährt, denn nicht immer stimme die Holzfeuchte für eine direkte Weiterverarbeitung zum Produkt. «Öfter wurde mir Holz mit Feuchten von 15% angeboten, das nehme ich dann einfach nicht», so Renggli. Auf der anderen Seite schätzt Schreiner Renggli die gute Sor-tierung bei den Holzhändlern, so dass er selbst nur ein kleines Lager an Massivholz unterhalten muss.
Ganz anders erledigt die Hermann Hasler AG in Neukirch-Egnach ihren Einkauf von Massivholz. Der Betrieb verarbeitet rund 150 m3 Schnittholz pro Jahr zu Massivholzmöbeln. «Wir kaufen die Stämme selbst ein, lassen sie aufsägen und trocknen das Schnittholz mit der eigenen Trocknungsanlage», erklärt Hermann Hasler. So hat der Betriebsinhaber den Prozess im Griff und kann sich auf das Ergebnis verlassen. Auch Roger Meyer, Inhaber der Schreinerei Saxer AG in Sarmenstorf, verlässt sich auf seinen Säger, den er gut und lange kennt. «Der Säger trocknet das Holz und das passt dann auch, so dass ich nicht kontrollieren muss. Wir verarbeiten das Holz direkt weiter und es gab dabei noch nie Probleme», so Meyer.
«Nur einmal», erinnert sich der Schreiner, «aber da stammte das Holz von einem anderen Lieferanten.»
Wann ein Holz trocken ist, hängt natürlich vom Einsatzzweck ab und ist damit berufsabhängig. Für den Bauern ist das Brennholz nach zwei Jahren an der Luft trocken, der Holzbauer und der Schreiner haben unterschiedliche Ansprüche und für einen Säger ist Holz unter Umständen recht schnell «lufttrocken». Laut den gültigen Handelsgebräuchen für Holz ist die Feuchtigkeit von Klotzbrettern abhängig vom Verwendungszweck. Die Holzfeuchte ist zu vereinbaren. Fehlt eine Absprache, gilt lufttrocken als vereinbart. Doch das ist zu feucht für einen Schreiner, der das Holz relativ bald weiterverarbeiten möchte.
Nicht zuletzt deshalb spielt der Handel hier eine wichtige Rolle. «Wenn wir Holz bei den Sägern einkaufen, erfolgt die Qualitätskontrolle vor Ort mit Messungen der Holzfeuchte. So gehen wir auf Nummer sicher und können unseren Kunden das so weitergeben», sagt Andreas Frischknecht, Bereichsleiter Holz bei der Küchler AG in Schlieren. Denn die wenigsten Schreiner führten beim Einkauf eigene Kontrollen durch. Heute sei das Vertrauen der Kunden so gross, dass Klotzbretter einfach telefonisch bestellt würden. Beschwerden gäbe es fast nie, ausser dem einen Prozent, das es immer gäbe. «Unsere Eiche hat um die 10% Holzfeuchte und das passt. Damit das funktioniert, lagern wir das Schnittholz in einem geschlossenen Raum, so kann die Witterung keinen grossen Einfluss auf die Holzfeuchte nehmen», sagt Frischknecht.
Nicht selten ist das Problem beim Feuchtegehalt gar nicht das Ergebnis der technischen Trocknung. Ein Holz, welches auf 10% Feuchtigkeit heruntergetrocknet wurde, hat auch 10%. Wenn es aber lediglich unter Dach oder in einem unklimatisierten Raum gelagert wird, dann verändert sich seine Holzfeuchte. Es stellt sich auf die Ausgleichsfeuchte ein, und die liegt bei freier Luftzufuhr im Aussenbereich eben höher als in geschlossenen, beheizten Räumen.
Das Mass, wie schnell ein trockenes Holz eine erhöhte Luftfeuchtigkeit in sich aufnimmt, beschreibt die Feuchtewechselzeit. Doch dabei handelt es sich nicht um eine klar definierte und nachvollziehbare Grösse, sondern um eine Kenngrösse, die bislang wissenschaftlich nicht wirklich abschliessend untersucht wurde. «Die Feuchtewechselzeit beschreibt die Geschwindigkeit, mit der sich die Feuchte im Holz ändert. Ein dichtes Holz braucht länger, um sich an das Umgebungsklima anzupassen, als ein permeables, leichtes Holz. Es gibt Untersuchungen dazu, die aber nicht abschliessend sind. «Wenn ein trockenes Holz einem feuchteren Klima ausgesetzt wird, reagieren die ersten 2 mm der oberflächennahen Bereiche recht flott. Bis das Holz dann durch und durch wieder eine höhere Feuchte annimmt, dauert es jedoch deutlich länger», erklärt Johannes Welling vom Institut für Holzforschung am Thünen-Institut der Universität Hamburg. Wie lange genau und für welche Holzart – das bleibt recht unklar. Womit die Materialerfahrung des Handwerks einmal mehr gefragt ist. Der österreichische Parkettanbieter Stöckl bewertet die Feuchtewechselzeit von Eiche etwa als lange bis sehr lange, hingegen bei der Buche als kurz bis mittel und bei der Robinie als kurz bis mittel. Ein Holz mit hoher Rohdichte soll aber nach wissenschaftlicher Meinung eine lange Feuchtewechselzeit aufweisen, ein leichtes Holz sich eher in kurzer Zeit angleichen. «Was langsam trocknet, nimmt Feuchtigkeit auch langsam auf, und das sagt uns ebenso der gesunde Menschenverstand», erklärt Welling.
Allerdings gilt die Rotbuche schnell als zu trocken und ist gleichzeitig ein äusserst unruhiges Holz, trotz ihrer hohen Dichte. Das Thema hat praktische Relevanz, etwa wenn Schadensfälle auftreten, bei denen vor Ort 13% Holzfeuchte gemessen wurden, aber bei der Montage lediglich 8%. Kann das dann an einer kurzfristigen Angleichung der Ausgleichsfeuchte im Holz liegen? «Wissenschaftlich belegt ist das Thema insgesamt nicht, weil es mit den vielen einflussnehmenden Parametern äusserst aufwendige Untersuchungen wären, um der Erkenntnis näherzukommen», so Welling.
Die relative Luftfeuchte ist das entscheidende Kriterium für die Holzfeuchte. Definiert ist die relative Luftfeuchtigkeit als Verhältnis der tatsächlich enthaltenen zur maximal möglichen Masse an Wasserdampf in der Luft. Und diese Kenngrösse nimmt mit steigender Meereshöhe ab. Deshalb muss bei Arbeiten in Höhenlagen das Holz auch eine entsprechend geringere Feuchte aufweisen. «Bei Montageorten über 1000 m über Meer kann man die Ausgleichsfeuchte von Holz im Normalklima auf der Höhe um 10 bis 20% geringer ansetzen», so Bernhard Lysser, Parkettexperte der Schweiz.
Auch Ulrich Wyttenbach, Geschäftsleiter der Schreinerei Wyttenbach in Bern, kennt das Thema der wechselnden Klimata für seine Produkte nur zu gut. «Das Holz nimmt etwas auf und gibt es wieder ab, aber wir haben damit eigentlich noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Allerdings merken wir den Einfluss in unserem Showroom, direkt an der Aare. Denn am Fluss ist es sehr feucht und so wachsen unsere Ausstellungstische im Showroom und gehen auch wieder in den Ursprungszustand zurück. Das Wichtigste scheint mir zu sein, dass das Holz vorher richtig getrocknet wurde», so Wyttenbach. Die eigene Trocknung sei zwar ein Aufwand, aber man habe dadurch auch alle Probleme mit dem Feuchtegehalt des Holzes gelöst. Durch die eigene Trocknungskammer hat der Schreiner das Thema im Griff. Kauft Wyttenbach Holz ofentrocken und die Feuchtigkeit stimmt nicht, gleicht er das Schnittgut im eigenen Trockner nach. Dazu besäumt der Schreiner die Klotzbretter vorher sinnigerweise parallel, da der eigene Trockner ein eher kleinformatiges Gerät ist. Aber die Anlage macht ihn unabhängig und sicher.
Erfahrungen mit dem nicht ganz passenden Feuchtegehalt von Holz hat auch Architekt und Designer Christoph Schindler gemacht. Für den Flankenschnittstuhl «F/07» hatte Schindler ursprünglich den Einsatz von Rotbuche angedacht. Doch mit der Holzart ergaben sich immer wieder Probleme am Stoss von Längs- zu Querholz an der kantenbündigen Rückenlehne. «Auch kleine Versätze akzeptieren die Kunden nicht», so Schindler. Deshalb hat der Designer auf die Eiche zurückgegriffen. Die liegt auch mehr im Trendgeschmack der Kunden. Und siehe da – das Problem hat sich erledigt. Die Rückenlehne schwindet nicht nach und so gibt es auch keinen Versatz der Lehne in Querholz zum Längsholz der Hinterbeine des Stuhls.
Sofern möglich, eignen sich auch Massivholzplatten. Denn diese sind relativ unproblematisch, weil die Produzenten die Holzfeuchte bei der Produktion fest im Blick haben. «Nur wenn Friese aus verschiedenen Stämmen und Chargen in einer Platte verleimt werden, steigt das Risiko von unverträglichen Holzfeuchtigkeiten», so Welling.
«Ganz selten gibt es in diesem Bereich Probleme, denn die Hersteller haben die Holzfeuchte im Griff», so der Experte.
Auch Ulrich Renggli konnte sein Köfferchen mit dem Holzfeuchtemessgerät in jünge-rer Vergangenheit in der Werkstatt lassen, denn er hat öfter auf fertig verleimte Massivholzplatten zurückgeriffen. «Das ist natürlich deutlich teurer, aber Klotzware bedeutet auch viel Aufwand und Abfall», erklärt Renggli. Bei den Massivholzplatten, die Renggli verarbeitet hat, stimmte die Holzfeuchte. Denn natürlich hat der Praktiker sein Köfferchen bemüht und auch die Platten nachgemessen.
www.schreinerei-renggli.chwww.haslerag.chwww.dein-schreiner.chwww.kuechler.chwww.ti.bund.dewww.parkett-verband.chwww.schreinerei-wyttenbach.chwww.schindlersalmeron.comVeröffentlichung: 19. Dezember 2013 / Ausgabe 51/2013