Den Produktionsprozess sichern

Je komplexer, stärker automatisiert und vernetzter eine Maschine ist, desto mehr kann kaputt gehen. Bild: Noah Gautschi

Prozesssicherheit.  Ein längerer Maschinenausfall hat grosse Auswirkungen auf den gesamten Fertigungsprozess einer Schreinerei. Mit einer regelmässigen Wartung, zuverlässigen Partnern und einem auf die Thematik sensibilisierten Team kann vielen Ausfällen vorgebeugt werden.

Die Auftragsbücher sind bis zum Rand gefüllt, die Einsatzplanung bis zum kleinsten Arbeitsschritt erstellt, und das Team hat gerade mit der Arbeit angefangen, als plötzlich die Kantenleimmaschine ausfällt. Alle Aufträge laufen über diese Maschine, und solange diese nicht wieder in Betrieb ist, stauen sich die Aufträge, und ein Verzug in der gesamten Produktionskette entsteht. Ein solches oder ähnliches Horrorszenario haben die meisten Schreiner bereits im kleineren oder grösseren Ausmass erlebt. «Alternativen wie die Fremdfertigung, beispielsweise den Zuschnitt direkt beim Lieferanten oder die CNC-Bearbeitungen durch eine befreundete Schreinerei, können vorgängig geregelt werden», sagt Urs Scherer, Unternehmensberater von Tre Innova aus Hünenberg ZG. Wichtig ist es, dass in einem solchen Fall das Vorgehen klar geregelt ist und für längere Ausfälle auch ein Plan B vorbereitet ist. «Idealerweise wird zudem proaktiv abgeklärt, bei welchen Maschinen ein Service, ein Umbau oder eine Erneuerung, beispielsweise mit einer Occasions- oder Neumaschine, angebracht ist», sagt Peter Eigenmann, Geschäftsleiter bei der Eigenmann AG in Dietfurt SG. Mit einer regelmässigen Maschinenwartung kann vielen, vor allem grösseren Ausfällen vorgebeugt werden. Je besser eine Maschine gewartet wird, umso mehr Prozesssicherheit ist gewährleistet. «Die Wartung umfasst wöchentliche oder monatliche Kontrollen durch den Bediener gemäss Wartungsplan und die periodische Reinigung der Maschine nach gefertigten Aufträgen», sagt Guido Jost, Produktmanager bei der Striebig AG aus Luzern.

Schlüsselpunkte der Produktion finden

Der Schreiner muss sich möglicher Engpässe in der eigenen Produktion bewusst sein. Befinden sich eine oder mehrere Maschinen im Betrieb, von denen die komplette Produktion abhängig ist, gilt es, diesen Anlagen ein spezielles Augenmerk zu widmen. «Haben wir beispielsweise eine zentrale Zuschnittanlage zu Beginn der Produktionskette, muss sich das Unternehmen die Frage stellen, wie lange diese ausfallen darf, bis es einen direkten Einfluss auf den Rest der Produktionskette hat», sagt Ralph Nessensohn, zuständig für den Verkauf und das Marketing bei der Näf Service und Maschinen AG aus Herisau AR. Durch eine solche Analyse zeigen sich die Schlüsselpunkte in der Produktion. Dann kann ein spezielles Augenmerk darauf gelegt werden. «Auch der Ausfall von Schlüsselpersonen oder Materiallieferungen sowie Elementar-Risiken, wie Überschwemmungen und Feuer, können den Produktionsprozess beeinträchtigen», sagt Scherer.

Ältere Steuerungen beachten

Die Störungsanfälligkeit kann nicht nach einzelnen Maschinentypen eingeordnet werden. Jedoch bergen Anlagen mit mehr Elektronik- und Steuerungsanteil ein höheres Ausfallrisiko. Besonders ältere Maschinen mit einem hohen Elektronik-Anteil beziehungsweise einer älteren CNC-Steuerung sind zu beachten. «Je älter die Steuerung ist, desto störungsanfälliger ist die Maschine einzuordnen. Man bedenke, dass kaum ein Büro-PC älter als zehn Jahre ist», sagt Eigenmann. Hier gilt es, den jeweiligen Nutzen für den Betrieb abzuklären. «Wichtig ist immer die Frage, ob der Nutzen einer gesteuerten Maschine grösser ist als die Gefahr eines allfälligen Ausfalls», sagt Jost. Bei Problemen mit der Steuerung auf neueren Maschinentypen können Probleme oftmals über die Fernwartung schnell behoben werden. «Bei älteren Maschinen, die nicht viel dran haben und robuster gebaut sind, kann auch weniger kaputt gehen», sagt Nessensohn.

Peripherie nicht vergessen

Neben den Produktionsmaschinen selbst gilt es, auch die Peripherie, sprich die Druckluft und die Absaugung, genau im Auge zu behalten. Hier können nicht nur Störungen an den Anlagen selbst eintreten, sondern es können durch eine falsche Abstimmung auch Schäden an den Produktionsmaschinen entstehen. «Es ist absolut wichtig, dass beispielsweise genügend Absaugleistung an den entsprechenden Maschinen vorhanden ist, um Verschmutzungen vorzubeugen», sagt Jost. Dazu gehört auch das automatische An- und Abschalten der Absauganlage, damit während des Gebrauchs der Maschine eine ideale Spanwegführung gewährleistet wird. «In diesem Kontext ist es zudem wichtig, bei Maschinen mit Druckluftbedarf möglichst saubere und trockene Luft an die Maschine zu bringen. Die entsprechenden Gerätschaften der Absaugung und Druckluft gehören in einer Gesamtbetrachtung der Prozesssicherheit immer dazu», rät Jost.

Ersatzteile und Partner

Wenn es sich bei einer Maschinenstörung um ein mechanisches Problem handelt, muss oftmals ein Teil ersetzt werden. Die Maschinenhersteller und auch Fachhändler führen meist ein umfangreiches Ersatzteillager, welches eine grosse Teileverfügbarkeit gewährleistet. «Somit können wir innert kürzester Zeit die entsprechenden Ersatzteile an den Kunden versenden und bei Bedarf direkt einbauen», sagt Jost. Verschleissteile wie zum Beispiel Staubabstreifer können selbstverständlich am eigenen Lager geführt werden. Je nach Unternehmensgrösse und Spezialisierung lohnt es sich zudem, Standard- oder Spezialteile selbst an Lager zu nehmen, um längere Ausfälle aufgrund von Lieferengpässen zu vermeiden.

Bei der Einlagerung von Spezialteilen oder Verschleissartikeln im eigenen Betrieb ist die richtige Lagerhaltung zu beachten. «Es ist wichtig, dass die Teile sauber gelagert werden und nicht durch den Alterungsprozess schlecht werden», sagt Nessensohn. Deshalb ist immer individuell abzuklären, ob ein eigenes Ersatzteillager zielführend ist. «Für Grossbetriebe mit einer eigenen Unterhaltsabteilung kann eine eigene Ersatzteillagerung Sinn machen. Ansonsten ist die Zusammenarbeit mit einem Partner wichtig, der über ein Lager verfügt», sagt Eigenmann. Die grossen Ersatzteillager der Händler und Hersteller stellen eine schnelle Reaktionszeit sicher. «Wir führen kleinere Ersatzteile auch direkt in unseren Fahrzeugen mit. So ist unser Ziel, in 95 Prozent der Notfälle die Maschine direkt beim Kundenbesuch wieder zum Leben zu erwecken», sagt Nessensohn.

Provisorien und Ersatzmaschinen

Manchmal müssen auch provisorische Reparaturlösungen her, damit im Betrieb wieder gearbeitet werden kann. «Wir haben auch schon kurzfristig Maschinen beim Kunden durch eine gebrauchte Leihmaschine ausgetauscht, um den Produktionsprozess wieder zu gewährleisten», sagt Nessensohn. Hier lohnt es sich, sich bereits im Vorfeld Gedanken darüber zu machen, ob bei einem längeren Maschinenausfall eventuell in eine alternative Produktion ausgelagert werden kann oder spezielle Angebote seitens Maschinenhändler oder Hersteller existieren. «In bestimmten Fällen haben wir Occasionsmaschinen vermietet, während wir die defekte Maschine des Kunden zur Reparatur oder Revision zu uns genommen haben», sagt Eigenmann. Nach ausgeführter Reparatur wurden die Maschinen dann beim Kunden wieder ausgetauscht.

Vorsicht ist besser als Nachsicht

Wie bereist erwähnt, sind regelmässige Wartungen ein zentraler Bestandteil bei der Sicherstellung des Produktionsprozesses. «Einerseits stellen wir fest, dass in den vergangenen Jahren die vorbeugenden Wartungen zugenommen haben. Andererseits kommt es aber immer noch vor, dass Maschinen teilweise so lange ohne Wartung in Betrieb gehalten werden, bis diese durch einen Defekt nicht mehr benützt werden können», sagt Jost. Die Wartung oder auch eine proaktive Reparatur kann geplant werden, und die Produktion wird davon nicht betroffen. «Neu können wir bei Maschinen mit SPS-Steuerung eine Wartungsaufforderung direkt an der Maschine anzeigen. Dies funktioniert ähnlich wie beim Auto. Man definiert in der Steuerung eine vereinbarte Zeitperiode und eine maximale Anzahl Betriebsstunden. Der Wert, der früher erreicht wird, löst eine Pop-up-Meldung aus», sagt Jost. «Die eingesetzten Kosten für einen Jahresservice lohnen sich bei Betrieben, welche eine Produktionsstrasse mit einem fixen Produktionsablauf in der Firma haben, auf jeden Fall», sagt Nessensohn. Allfällige Schwachstellen bei den Maschinen werden entdeckt und behoben, bevor die Maschine stillsteht. Zudem lohnt es sich, eine zuständige Person zu haben, welche für die Maschinen verantwortlich ist. «Wenn die Person ein entsprechendes Flair hat, werden die Maschinen im Arbeitsprozess ideal gepflegt und allfällige Probleme frühzeitig erkannt», ergänzt Nessensohn. Weiter ist die Kostendeckung für die Maschinenreparatur oder den Betriebsausfall über die Versicherung abzuklären. «Eine Technik- oder Maschinenbruch-Versicherung deckt Schäden an der betrieblichen Technikausstattung, die unvorhergesehen und plötzlich eintreten», sagt Scherer.

Auf Qualität und Serviceangebot achten

Bereits vor der Anschaffung einer neuen Maschine gilt es, das Service- und Wartungsangebot des Herstellers oder Händlers zu beachten. «Der Kunde kann die Abhängigkeit und Anfälligkeit reduzieren, indem er qualitativ hochwertige Maschinen mit einer entsprechenden Service-Landschaft sowie verfügbaren Ersatzteilen im Hintergrund einkauft», sagt Eigenmann. Für den Schreiner ist es wichtig, sich mit der Thematik der Prozesssicherheit auseinanderzusetzen. «Es muss nicht gleich die Maximallösung für alle Szenarien sein, manchmal reicht bereits das Bewusstsein aus, dass beim Ausfall einer Maschine die ganze Produktion stillsteht», so Nessensohn. Mit einer regelmässigen Wartung und einem starken Partner auf Maschinenseite kann die Prozesssicherheit massgeblich erhöht werden.

www.eigenmannag.chwww.naef-ag.chwww.treinnova.chwww.striebig.com

Digitale Prozesssicherheit

In Bezug auf die digitale Prozesssicherheit in einer Schreinerei gilt es grundsätzlich, folgende Punkte zu beachten:

  • Sichere und aktuelle IT-Infrastruktur und regelmässige Aktualisierung durch Sicherheitspatches.
  • Einsatz von sicheren Passwörtern und Zugriffsbeschränkungen.
  • Regelmässige Schulungen der Mitarbeiter, um sie zu sensibilisieren.
  • Regelmässige Datensicherungen nach extern, um den Verlust von Daten im Falle eines Vorfalls zu minimieren.
  • Erstellte Back-ups regelmässig überprüfen lassen.

Wartung und Ersatzteile

Die Hardware gilt es regelmässig zu prüfen und zu warten. «Besonders Server- und Netzwerkkomponenten können störungsanfällig sein und sollten genauso wie Maschinenbauteile mit Sorgfalt betrachtet werden», sagt Markus Feusi, CEO der Borm- Informatik AG aus Schwyz. Die Ver- fügbarkeit von Ersatzteilen unterliegt nach wie vor starken Schwankungen. Deshalb sollten Schreiner Bestellungen rechtzeitig tätigen und eine gute Bestandsverwaltung führen.

Nutzen und Abhängigkeiten

Digital vernetzte Prozesse steigern die Effizienz, bedingen im Gegenzug jedoch, dass Prozesse systemübergreifend verbunden werden. «Dies bedingt ein koordiniertes Zusammenspiel der verschiedenen Systeme und Anbieter. Mit entsprechendem Aufbau, regelmässiger Überprüfung und Aktualisierung können die Abhängigkeiten und Anfälligkeiten minimiert werden», sagt Feusi.

www.borm-software.com

Noah Gautschi, NJG

Veröffentlichung: 06. Juli 2023 / Ausgabe 27-28/2023

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