Dem Wert von Abfall auf der Spur

Der gelernte Chemiker Jürg Kürsteiner: Für seine Masterarbeit an der FHNW hat er Schreinereien auf ihre Ökoeffizienz hin untersucht.

Interview.  In Rest- und Altholzabfällen aus Schreinereien vermutet der VSSM ein grosses ungenutztes Potenzial. Er hat daher eine Masterstudie in Auftrag gegeben. Jürg Kürsteiner zeigt darin nun Strategien rund um das Thema «Vermeidung und effiziente Nutzung von Holzabfällen».

Der Chemiker Jürg Kürsteiner ist beim Kanton Aargau zuständig für den Bereich Sondermüll. In seiner Masterarbeit unter dem Patronat des VSSM befasste er sich mit dem Thema, inwieweit Holzabfälle aus Schreinereien vermieden werden können und wie man Abfälle energetisch optimal nutzt. Zu diesem Zweck prüfte er zehn Schreinereien auf Herz und Nieren. Im Gespräch verrät Jürg Kürsteiner nun der SchreinerZeitung die Ergebnisse seiner Fachhochschulstudie.

SchreinerZeitung: Herr Kürsteiner, was ist das für eine Studienrichtung, die sich mit solchen praxisorientierten Fragestellungen befasst?
Jürg Kürsteiner: Die Arbeit ist an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) im Rahmen eines MAS (Master of Advanced Studies) im Bereich Umwelttechnik und -management entstanden. In diesem Studium geht es darum, Umweltprobleme ganzheitlich zu analysieren und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Ihrer Arbeit liegen drei Thesen zugrunde. Die erste lautet, dass beim Beheizen der Produktionsgebäude viel Energie verloren geht. Trifft sie zu?

Für acht der befragten Betriebe habe ich diesbezüglich ein Enegiesparpotenzial zwischen 30 und 50 % ausgemacht. Bei einem untersuchten Betrieb liessen sich alleine durch die Sanierung der Gebäudehülle sogar rund 70% einsparen. Nun muss man aber sagen, dass diese Zahlen auf Schätzungen beruhen. Trotzdem bilden sie das Verbesserungspotenzial schön ab. Die Defizi- te bestehen nicht nur in Schreinereien. Andere Branchen dürften ganz ähnlich abschneiden.

Die Einsparung wäre also mit einer Sanierung möglich?

Was nicht in jedem Fall so einfach sein dürfte. Ein von mir besuchtes Unternehmen produziert zum Beispiel in gemieteten Räumen. Hier hat der Vermieter kein Interesse, das Gebäude energetisch zu sanieren, da ihm der Mieter die Energiekosten bezahlt. Der eingemietete Schreinerbetrieb dagegen investiert nicht in eine Liegenschaft, die ihm nicht gehört.
Wie hoch fallen die Entsorgungsgebühren für Rest- und Altholz aus?
Es bestehen grosse Unterschiede zwischen einzelnen Entsorgungsunternehmen. Für die Entsorgung in der KVA haben die befragten Schreinereien im Durchschnitt 211 Franken pro Tonne Alt- und Restholz bezahlt. Bringt man die Abfälle in ein Recyclingunternehmen, ist dies in der Regel kostengünstiger. Die Zahlen sind aber mit Vorsicht zu geniessen. Meine Studie war nicht grossflächig angelegt.
Damit wären wir bei Ihrer zweiten These, die besagt, dass es bessere Entsorgungsmöglichkeiten für Holzabfälle gebe als die häufig praktizierte Verwertung in einer Kehrichtverbrennung. Inwiefern trifft diese These zu?
Nur drei der befragten Schreinereien entsorgen ihre Holzabfälle in der KVA. Die anderen Betriebe sind darauf bedacht, ihren Verschnitt grösstenteils im eigenen Betrieb thermisch zu verwerten. Das bedingt eine gewissenhafte Trennung der anfallenden Abfälle in Fraktionen.
Welche Entsorgungsvariante ist für eine Schreinerei sinnvoll?
Interessant war zu sehen, dass eine Schreinerei mit eigener Verbrennung von Holzabfällen im Vergleich zur externen Entsorgung durchschnittlich rund einen Drittel der Entsorgungskosten einsparen kann. Das ist ohne die Investition in eine entsprechende Feuerung gerechnet. Hinzu kommt die Einsparung der Heizölkosten. Diese fallen durch Verwenden einer alternativen Heiztechnologie ja weg. Die interne Verwertung von Rest- und Altholz macht also Sinn, zumal die Energieeffizienz von Restholzfeuerungen mit einem Wirkungsgrad von um die 80% sehr hoch ist. Bei einer alten KVA kann dieser nur 25% betragen. Das rührt daher, dass die primäre Aufgabe einer KVA die Entsorgung von Kehricht ist.
Heisst das, dass Schreinereien Restholzfeuerungen kaufen sollten?

Ich wage die Prognose, dass in Zukunft mehrere mittelgrosse, dezentral stationierte Altholzfeuerungen entstehen werden. Diese speisen die produzierte Heizenergie mit Vorteil in Wärmeverbunde ein. Allein die Tatsache, dass im Jahr 2008 noch ungefähr die Hälfte des in der Schweiz angefallenen Altholzes ins Ausland exportiert wurde, zeigt das Energiepotenzial auf, welches man hierzulande in diesem Bereich nutzen könnte.

Gibt es eine andere mögliche Verwertung für Rest- und Altholz aus Schreinereien? Könnte dieses allenfalls in die Spanplattenproduktion einfliessen?

Diesen Punkt habe ich in meiner Masterarbeit auch angeschaut. Der Bund schlägt die Kaskadennutzung vor. Dementsprechend wäre es sinnvoll, die Holzabfälle vor der Verbrennung stofflich zu verwerten, zum Beispiel in der Spanplattenproduktion. Leider reicht die Qualität von Restholz in der Regel nicht aus, um daraus Spanplatten herzustellen.

Ihre dritte These zielt auf eine bessere Ausnützung des Rohstoffes an sich. Können Sie das erklären?

Die totalen Entsorgungskosten für eine externe Entsorgung liegen im Durchschnitt bei 1900 Franken pro Tonne. Sie setzen sich zusammen aus den externen Entsorgungskosten, den betriebsinternen Kosten, den Transportkosten sowie den Kosten für weggeworfene Rohstoffe. Auf letztere entfällt der weitaus grösste Teil. Oft rechnet man den Materialwert dieser Holzabfälle nicht mit ein. In den von mir besuchten Schreinereien entstehen in der Produktion zwischen 25 und 35 % Holzabfälle, die als Verschnitt wegfallen. Hier gilt es, den Hebel anzusetzen.

Aus welchen Massnahmen besteht dieser «Hebel»?

Einerseits könnten mit Produktdesign materialeffiziente Gegenstände geschaffen werden. Nesting-Programme unterstützen bei der Verschnittoptimierung von Plattenmaterialien. Andererseits können Holzabfälle reduziert werden, indem man vermehrt Fertigteile einkauft oder Holzwerkstoffe auf Mass bestellt. Wer sich auf ein spezifisches Produkt spezialisiert, weiss das Material besser auszunutzen und erzeugt weniger Ausschuss. Zudem besteht stets die Möglichkeit, Holzresten zu verkleben und sie dadurch aufzuwerten. Auch die Einplanung von Leichtbauplatten kann Material und damit in vielen Fällen auch Energie einsparen.

Abfall reduzieren und besser nutzen

Jürg Kürsteiner zeigt in seiner Masterarbeit durch elf konkrete Vorschläge, wie mit Holzabfällen effizienter umgegangen werden kann:

  • Abfallmanagement einführen und den Fluss der Werkstoffe durch das Unternehmen systematisch erfassen sowie auswerten.
  • Abfallmengen reduzieren. Besonders wenn im Betrieb mehr als 30% Holzabfälle anfallen, sollte man Massnahmen treffen, um diese zu reduzieren.
  • Restholzabfälle konsequent und getrennt sammeln. Die Entsorgung in einem Recyclingunternehmen ist preislich attraktiver als die Entsorgung in einer KVA.
  • Evaluieren eines Sammelsystems für Restholz und Entsorgung in einer effizienten Alt- oder Restholzfeuerung.
  • Politische Förderung der Verwertung von Rest- und Altholz im Inland.
  • Auch der Bau und Betrieb von Restholzfeuerungen in Schreinerbetrieben ist politisch zu fördern.
  • Überprüfen, ob die Feuerung effizient mit einem Wirkungsgrad von 80% betrieben wird.
  • Wenn das anfallende Restholz den Eigenbedarf übersteigt und Wärmebezüger in der Umgebung vorhanden sind, ist der Bau eines Nahwärmeverbundes zu evaluieren.
  • Gebäude gemäss heutigen Vorschriften oder noch besser nach Minergiestandard isolieren.
  • In einer Studie Daten zur Entsorgung des Bausperrguts bei Montage und Demontage erheben.
www.fhnw.ch/lifescienceswww.ag.ch/de/bvu/bvu.jsp

MW

Veröffentlichung: 06. Juni 2013 / Ausgabe 23/2013

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