Das Spiel mit den Flächen

Konzeptküche von Alfredo Häberli für Schiffini. Die Oberfläche ist Inspiriert von Kupferkesseln, die Aufteilung wurde vom Designer bewusst unordentlich gewählt. Bild: Alfredo Häberli

Fronteinteilung.  Es ist eigentlich ein typisches Regalthema, das Aufteilen von Fläche, das harmo- nische – oder manchmal auch bewusst disharmonische, irritierende Unterteilen von Strecken. Doch auch Küchenfronten eignen sich zum Zeichnen mit Linien und Farben.

Manche verstehen unter Küchengestaltung ein Aneinanderreihen von Kisten. Die Fronten entstehen dann durch die Normbreite abzüglich der «Luft». In der Höhe dominiert zumindest bei Unterbauten eine strikte Sechstelteilung das Raster. Doch bietet eine Besteckschublade von 127 mm Höhe wenig Raum für jemanden, der mit der grossen Schöpfkelle die Suppe anrichten will. Dessen Auszug dürfte dann und wann klemmen.

Zeit für neue Masse?

Ist es nun an der Zeit, die Normmasse zu überdenken? Einige Küchenhersteller wagen sich jedenfalls genau an diese Herausforderung und unterstreichen damit ihren Anspruch, nicht nur Funktionen erfüllen zu wollen, sondern gleichzeitig auch etwas fürs Auge zu tun und sich damit allenfalls neue Märkte zu erschliessen. Klar: Wer die Regeln umgeht, lässt sich auf ein heisses Spiel ein, muss er doch viel beachten, was anderenfalls bereits geklärt wäre.

Einer, der das immer wieder tut, ist der Schweizer Designer Alfredo Häberli. Für Schiffini entwarf er die Küche «Mesa». «Eine Küche ist die Seele des Hauses», sagt der Entwerfer, dessen Portfolio sich liest wie ein kleines Designlexikon. Besondere Bedeutung sei einer Küche schon aus dem Grund beizumessen, weil der Mensch in der Regel mehr Zeit beim Kochen verbringe als im Wohnzimmer.

Die Geschichte vom Material

Als Hauptinspiration zu «Mesa» diente ein Lagerfeuer. Dieses sollte sich in der Konzeptküche durch den Gasherd sowie durch die mit einem speziellen Verfahren beschichteten Kupferfronten niederschlagen. «Das Metall besitzt eine authentische Ausstrahlung und provoziert unzählige Assoziationen», erklärt Häberli. «Dem erdigen Farbton traut man überdies zu, Speisen fachgerecht aufbewahren zu können.» Die Einteilung der Fronten entsagt jeglichem Raster oder lässt auf den ersten Blick jedenfalls keines erahnen. Bewusst hat sich Häberli damit von der gewohnten Kistchen-Ästhetik verabschiedet. «Mit der unordentlichen Einteilung wollte ich ein neues Küchen-Bild evozieren», äussert er seine Absicht.

Und nicht nur die Aufteilung ist spektakulär. Einige Flächen sind mit einem Dellenmuster versehen, welches allerdings nicht in erster Linie anzeigt, ob es sich beim Kästchen um eine Tür oder eine Schublade handelt. Vielmehr bietet das vordefinierte Muster dem Verkauf ein Gestaltungselement. «Es bietet dem Kunden die Möglichkeit, sein eigenes Frontenbild zu kreieren», so der Designer.

Die Küche als Bild

Nicht nur mit Flächen, sondern auch mit Volumen und Farben jongliert Designer Michael Young mit dem Konzept «Tetrix» für Scavolini. Während der Name eindeutig auf das Computerspiel als Inspirationsquelle verweist, sind die Bilder vielfältig, welche durch die Module hervorgerufen werden können. Scavolini bricht mit dem System nicht nur mit den Normmassen, sondern öffnet die Küche gleichzeitig zum Wohnraum hin.

Die Fronten bestehen aus beschichteten und bekanteten Spanplatten, während die aufgesetzten Doppel aus hinterfärbtem Glas eine Hochglanzoberfläche suggerieren. «Tetrix» wird wie andere Küchen montiert, obwohl die Unterbauten nach italienischem System auf verstellbaren Füssen stehen und die Sockelblenden lediglich vorgeklickt sind. Die Oberbauten hängt man an Schienen auf.

Ein System wie dieses fordert den Planer auf, zusammen mit dem Kunden ein eigenes konstruktivistisches Bild an die Wand zu malen. Oberflächenbeschaffenheiten und harmonisierende Farben können für zusätzliche Strukturen sorgen. Zuerst jedoch müssen die Proportionen stimmen. Wie diese ausgemessen sein sollen, dafür gibt es viele Regeln. In der neueren Geschichte hat sich wohl keiner so sehr damit beschäftigt, wie der Maler Piet Mondrian mit seinen geometrischen, abstrakten Bildern.

Vom Bild zum Raster

«Im europäischen Raum scheint sich das 15 cm-Raster durchzusetzen», erklärt Marco Testorelli, welcher die Küchen von Scavolini in der deutschsprachigen Schweiz verkauft. «Meistens aber sind die Elemente bei uns 60, 90 oder 120 cm breit.» Das System «Tetrix» basiert mit seinen Abmessungen von 60 cm Breite und 36 cm Höhe auf der europäischen Norm. Etliche Funktionsmodule stehen in diesen Abmessungen zur Verfügung, zudem sorgen 24 assortierte Farben für Kombinationsmöglichkeiten.

Nur unwesentlich höher sind die Fronten von «Concept 40» von den Leicht Küchen. Der Name lässt auf die Höhe schliessen. Das Gestaltungsprinzip ist eine flächige Verklei-dung der gesamten Wand oberhalb der Arbeitsfläche mit Möbeln von 80, 90 oder 100 cm Breite. Bis zu vier Reihen und einem Gesamtmass von 160 cm können diese über der Arbeitsplatte aufgetürmt werden. Sie stützen direkt auf der Küchenabdeckung auf und bieten so praktischen Stauraum für das Kochwerkzeug. Geöffnet wird mittels Hochschwenkbeschlägen.

Ein Blick hinter die Fassade

Dass auch bei den Schubladen je länger je mehr individuelle Masse gefragt sind, bestätigt Roland Hasenkopf von der gleichnamigen Manufaktur. In der Schweiz handelt Böni in Frauenfeld die hochwertigen Holzschubladen, die auf Mass und in diversen Holzarten erhältlich sind. Obwohl mit eher dünner Wandstärke von 12 mm aufgebaut, würden vermehrt auch breite Schubladen von 120 cm bestellt, gibt Hasenkopf bekannt. Mit breiten Schubladen lasse sich schliesslich viel Platz einsparen, weil die Mittelseiten sowie die Funktionsluft entfalle. Wer bei der Bestellung angibt, mit welchen Auszügen er arbeitet, kriegt auch die passenden Löcher an der richtigen Stelle gebohrt. Zur Auswahl stehen grundsätzlich der Quadro-Vollauszug von Hettich oder der Tandem-Vollauszug von Blum.

Ebenfalls Schubladen auf Mass und dazugehörende Besteckeinsätze bietet die Beat Bucher AG. «Wir lassen nur auf Bestellung produzieren», verrät Jean-Paul Hügli von der Geschäftsleitung. Zudem verspürt auch er den Trend hin zu individuellen Schubladengrössen.

Nicht immer ist alles umsetzbar, was sich im Konzept als avantgardistisch erweist. Bei der Küche von Alfredo Häberli musste die kupferne Oberfläche schliesslich aus Kostengründen weichen. Doch es lohnt sich, den Proportionen von Küchenfronten Aufmerksamkeit zu schenken und bewusst zu komponieren, was der Kunde tagtäglich vor Augen hat. Und wer aus dem Rhythmus fällt, der kann das Spiel allenfalls auch mit einer kunstvoll arrangierten Schattenfuge wieder aufnehmen.

www.alfredo-haeberli.comwww.schiffini.itwww.arredopiu.chwww.boni.chwww.boxmanufaktur.ch

MW

Veröffentlichung: 20. September 2012 / Ausgabe 38/2012

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