Das Regal aus Holz

Bilder: Lucien Gumy Das Holzregal mit der Gratverbindung erlaubt die schier endlose seitliche Erweiterung.

Blickfang.  Zum 16. Mal fand letztes Wochenende im Zürcher Kongresshaus die Designmesse Blickfang statt. Individuelle, handgemachte Möbel trotzten hier der industriellen Massenproduktion. Im Mittelpunkt jedoch stand ein schlichtes Holzregal, das bald in Serie gehen soll.

«Etagère en Bois» nennt Lucien Gumy ganz bescheiden sein Regal – was auf Deutsch übersetzt etwa so viel heisst wie «Holzregal». Der junge Romand hätte allerdings Grund, stolz zu sein. Mit seinem Aufbewahrungsmöbel gewinnt er einen Designpreis nach dem anderen. Anfang dieses Jahres setzte er sich beim D3-Contest durch – dem Wettbewerb für Nachwuchsdesigner an der internationalen Möbelmesse in Köln. Im Frühling verlieh ihm das Schweizer Bundesamt für Kultur den Eidgenössischen Preis für Design. Und nun ist der Gestalter an der Designmesse «Blickfang» in Zürich einer von vier Nominierten der Sonderausstellung «Blickfang Selected».

Nachwuchsdesigner unter sich

Die Plattform «Blickfang Selected» ist vor wenigen Jahren entstanden. Vier internationale Jungdesigner erhalten hier jeweils die Möglichkeit, an allen sieben Austragungsorten der Blickfang auszustellen: In Zürich, Basel, Stuttgart, München, Wien, Kopenhagen und Hamburg. Dieses Jahr war Lucien Gumy einer der vier Auserwählten. Er müsse gar nicht viel zu «Etagère en Bois» sa- gen, erklärte Richard Woods, Mitbegründer des englischen Möbellabels «Established & Sons» und Blickfang-«Kurator of the Year» zum Auftakt der Messe. Das Regal erkläre sich selbst. Sebastian Wrong fand dann aber doch noch lobende Worte für die moderne Aufbewahrungslösung mit der tra- ditionellen Verbindung: «Simple, effective, clean and intelligent», sei sie – in Deutsch: schlicht, nachhaltig, sauber und vernünftig.

Neu interpretierte Gratverbindung

Um die Einzelteile des Regals zusammenzubringen, hat sich Lucien Gumy einer klassischen Holzverbindung bedient: dem Graten. Die aufrechten Regalstützen weisen im Bereich der Tablare abgesetzte Kehlungen auf, welche mit einem Gratfräser ausgeführt wurden. Demgegenüber sind die Tablare mit leicht angeschrägten, schwalbenschwanzförmigen Einschnitten versehen. Der Zusammenbau geschieht durch einfaches Stecken. «Mit steigender Belastung der Tablare verfestigt sich die Konstruktion und das Regal gewinnt an Stabilität», bemerkt Lucien Gumy. Bei der Entwicklung hat er das Augenmerk auf die Verbindung gerichtet. Mehrere Fragmente mussten hinhalten, bis die endgültige Form gefunden war. «Etagère en Bois» ist das Resultat aus dem Versuch, senkrechte und waagrechte Elemente in idealer Weise zusammenzubringen. Die bei zerlegbaren Regalen üblichen Verbindungsbeschläge entfallen. Der Background als Schreiner sei ihm eine grosse Hilfe gewesen, sagt der Produktdesigner und gibt seiner Aussage Nachdruck: «Ich bin stolz auf meinen Beruf.» Es gebe für ihn im Moment nur ein Material – und das sei Massivholz.

Material und Bearbeitung reduziert

Bei einer Produktentwicklung findet Lucien Gumy das Reduzieren von Bearbeitungen zentral. «Ich bin faul», scherzt er, macht dann aber deutlich, dass er dies sogar ein wenig ernst meint, «entwickeln heisst für mich, einen Weg zu suchen, um weniger tun zu müssen.» Je weniger Bearbeitung ein Werkstück aufweise, desto besser sei er schliesslich mit dem Ergebnis zufrieden. Die Werkstücke bei «Etagère en Bois» enthalten nur noch minimale Bearbeitungen – und sind aus diesem Grund besonders effizient herzustellen.

Das naturbelassene Eichenregal an der Blickfang hat Lucien Gumy mit einer Oberfräse bearbeitet. Sein Mentor Sebastian Wrong will das Regal nun produzieren lassen. Mit «Wrong for Hay» hat er ein Label gegründet, das ausschliesslich für den dänischen Möbelproduzenten gestaltet.

Lucien Gumy seinerseits richtet sich gerade eine kleine Werkstatt ein. Die rund 80 m2 Produktionsfläche mit einigen Standardmaschinen zu bestücken, wäre sein Traum.

www.blickfang.comwww.luciengumy.chwww.wrongforhay.com

Zur Person

Das Schreinern im Blut

Lucien Gumy ist gelernter Schreiner. Nach einer Lehre in Freiburg hat er an der Ecal in Lausanne Industriedesign studiert. Seit seinem Abschluss vor zwei Jahren ist er als selbständiger Produktdesigner unterwegs. Das Regal «Etagère en Bois» brachte ihm bereits mehrere Designpreise ein. Zurzeit richtet sich Lucien Gumy eine eigene Werkstatt ein. Durch Wandern erholt er sich von der Arbeit. Dafür ist ihm das Greyerzerland besonders lieb.

Blickfang

Möbel und Mode

Die Designmesse Blickfang zog letztes Wochenende 220 Aussteller und rund 18 500 Besucher in das Zürcher Kongresshaus. Auf 4500 m2 Ausstellungsfläche wurde nicht nur präsentiert, sondern auch emsig verkauft. In ihrem 16. Jahr war die Messe damit wiederum eine beliebte Plattform für Möbel, Accessoires und Mode. Etliche Referate ergänzten das Programm.

Lokale Präsenz

Die Blickfang ist an ihren sieben Austragungsorten jeweils lokal geprägt. Das Gefäss «Blickfang Locals» bot dieses Jahr dem rund dreijährigen Zürcher Label «Home3» eine kostenlose Ausstellungsfläche. Der Gründer Stefan Egli hat sich mit «Home3» dem Schweizer Design sowie der Schweizer Produktion verschrieben. Zu bestaunen waren Leuchten von Thai Hua sowie von Iris Durot und Nina Eigenmann, ein Bettsessel von Andreas Bechtiger oder ein Eingangsmöbel von Fries & Zumbühl.

Auch die Wood Award-Gewinnerinnen Simone Hölzl und Christine Urech haben ihr Label Niû erweitert. Zur Kollektion stiessen zwei verschieden hohe Sofatische und ein Bartisch.

Designpreis

Der alljährlich verliehene Designpreis ging an die Textilgestalterin Isabel Bürgin sowie an Andreas Huber und Raul Egloff.

Isabel Bürgin gestaltet seit 27 Jahren Teppiche und Textilien. Die Herstellung geschieht grösstenteils in der Schweiz. Als Rohstoff setzt sie zurzeit gerne Schweizer Schafwolle ein, die andernfalls aufgrund von tiefen Marktpreisen zu oft entsorgt wird.

Andreas Huber und Raul Egloff setzen mit ihrem neu gegründeten Label «Huberegloff» auf innovative Schnitte, gute Textilqualitäten und eine sinn- liche Gestaltung.

www.isabel-buergin.chwww.huberegloff.com

MW

Veröffentlichung: 29. November 2013 / Ausgabe 48/2013

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