Darf es ein bisschen mehr sein?

Anerkennende Geschenke für gute Leistungen; bis zu 2% des Bruttolohns machen diese Lohnextras in der Schweiz aus. Bild: Reto Schlatter

Lohnnebenleistungen.  Gratisparkplätze, gratis mobil telefonieren und verbilligte Produkte – dies sind nur einige der Extras, die Unternehmen ihren Mitarbeitern gewähren. Aber nicht immer ist der Zustupf zum Gehalt im Wettbewerb um gute Fachkräfte ein erfolgreiches Mittel.

Wenn Not am Mann respektive der Frau ist, lassen sich die Betriebe in der Schweiz das gerne etwas kosten. Laut einer Erhebung des Bundesamtes für Statistik (BFS) gewähren mehr als die Hälfte der Arbeitgeber in der Schweiz so genannte Lohnnebenleistungen oder neudeutsch auch «fringe benefits» genannt. Diese nehmen tendenziell zu. Doch nicht immer geht die Rechnung im Buhlen um die Mitarbeiter auf. Insbesondere kleinere Schreinerbetriebe setzen auf eine andere Karte.

Je grösser, desto mehr

Die Bezeichnung «fringe benefits» stammt aus dem angelsächsischen Raum und heisst übersetzt freiwillige Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Mitarbeiter. In der Regel handelt es sich nicht um Barbeträge, sondern um Sachleistungen. Ein gesetzlicher Anspruch darauf besteht nicht. Generell gilt: Je grösser das Unternehmen, desto grosszügiger fallen die Sachleistungen aus. Am häufigsten kommen laut BFS Gratis-parkplätze, Privatautos und Mobiltelefone vor. Die Nase vorn haben Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten bezüglich Beteiligungen an der zweiten Säule sowie unentgeltlichen Produkten.

Manche Firmen setzen auch gezielt Schwerpunkte in der Weiterbildung wie beispielsweise die Veriset Küchen AG in Root. Sonja Pfister, Personalleiterin, spricht von einem hauseigenen Programm für Mitarbeiterför-derung und -entwicklung. Es dauert etwa drei bis fünf Jahre und ist individuell auf talentierte Fachkräfte zugeschnitten. Diese können dadurch zwei Kaderstufen aufsteigen.

Daneben stehen auch firmenorganisierte Fortbildungskurse im Angebot. «Wir haben die Erfahrung gemacht, dass speziell auf unsere Geschäftsprozesse bezogene Kurse effektiver sind», sagt Pfister. Doch die Mehrleistungen sind dosiert. Für externe Kurse werden die Kosten anteilig übernommen.

Balanceakt Motivation

«Wenn wir alle Kosten tragen, werden die Leistungen oft selbstverständlich und die Motivation lässt nach», meint die Personalleiterin. Viele freiwillige Zuwendungen gelten inzwischen ohnehin landauf und -ab fast als «obligatorisch». Dazu zählen etwa Geschenke zu Geburtstagen und Dienstjubiläen, Mitarbeiterausflüge und Weihnachtsfeiern oder Löhne über dem gesetzlichen Minimum des GAV. Das Rooter Küchenbauunternehmen Veriset führt weitere Vorteile für sein Personal ins Feld. Gute Versicherungsleistungen werden geboten, und rund um das Thema Küche gibts alles günstiger. Auch der Firmenwagen darf privat gefahren werden.

Zweifellos bietet das viele Vorteile, aber auch unbestreitbar Tücken, wie Bruno Staffelbach, Professor für Human Resource Management an der Universität Zürich bei seinen Untersuchungen festgestellt hat. Denn Lohnnebenleistungen können Unfrieden stiften, weil Arbeitnehmer zwar gern davon profitieren, aber nur sehr ungern darauf verzichten, wenn sie wieder eingestellt werden. Deshalb sei es wichtig, diesbezüglich eine klare Linie zu fahren und dies bei der Anstellung zu kommunizieren. Werden diese Zustüpfe gezielt eingesetzt, können sie die Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft erheblich steigern.

Mitarbeiterzufriedenheit im Visier

Darum geht es auch beim Küchenbauer aus Root. Sonja Pfister erwähnt die monatliche Zahlung von Qualitätsboni an alle rund 220 Angestellten, wenn die Lieferqualität eine bestimmte Marke übersteigt. «Jedes ‹Rädchen im Getriebe› trägt seinen Anteil zum Erfolg bei, dementsprechend soll die Honorierung ausfallen.» Eine ungleiche Verteilung wirke demotivierend. Der Mitarbeiter gilt als grösstes Kapital. Entsprechend wird mit einem täglichen Entspannungsprogramm sowie wöchentlichen Jogging-/Walking-Gruppen in seine Gesundheit investiert. «Unser Ziel ist eine langfristige Mitarbeiterbindung. Es muss unsere Pflicht sein, dass sich diese wohl fühlen. Denn nur dann bringen sie eine gute Leistung und das wiederum kommt auch dem Unternehmen zugute», so die Personalleiterin.

Zu viel verdirbt den Magen

Respekt ist ein wichtiger Faktor. Doch zum Teil nehmen die freiwilligen Zuwendungen haarsträubende Formen an. Wer beispielsweise bei den Schweizer Zuckerfabrikanten arbeitet, erhält jährlich das «Weihnachtszückerli», 15 kg Zucker plus Wertgutscheine über 50 Franken auf das eigene Sortiment. Und bei Lindt & Sprüngli winken bis zu 70% Rabatt auf die Süssigkeiten. Damit verdirbt sich ein Nimmersatt leicht den Magen. Und ob das noch motivierend wirkt, ist fraglich. Gemäss dem BFS können Lohnnebenleistungen bis zu 2% des Bruttolohns ausmachen. Mehr Sinn machen individualisierte Leistungen, die auch als Cafeteria-System bezeichnet werden. Mitarbeiter können im Rahmen eines Punktekredits nach ihren Bedürfnissen wählen.

Weniger kann auch mehr sein

Einen anderen Weg geht Markus Eberhard. Ihm liegen Motivation und Wohlbefinden seiner Mitarbeiter ebenfalls am Herzen. Aber beides sieht der Inhaber der gleichnamigen Schreinerei nicht durch zunehmende Lohnextras gewährleistet. «Es kommt darauf an, ob jemand in seinem Aufgabenbereich zufrieden ist.» Dazu gehört für ihn an erster Stelle eine der Qualifikation angemessene Arbeit wie auch Bezahlung. Wer am richtigen Platz arbeite, wirke sich positiv auf das Team aus. Das wiederum sei der Gesamtleistung zuträglich. Deshalb achtet er auf ein gutes Betriebsklima. «Wenn man so viele Sachleistungen geben muss, dann stimmt irgendwas mit der Motivation nicht», glaubt der Firmeninhaber.

Derzeit beschäftigt er elf Mitarbeiter, davon zwei Lernende. Auch diese Arbeitnehmer erhalten solche Lohnextras, jedoch im über-schaubaren, der Arbeit zuträglichen Rahmen. Sie dürfen gratis mobil telefonieren, wenn es um firmeninterne Gespräche geht. Ein Kollektivabonnement macht es möglich. Ausserdem übernimmt der Betrieb 15 Franken Telefonkosten monatlich. Der Znüni-Kaffee ist gratis, und es stehen auch Jahresausflug und Weihnachtsessen auf dem Programm. Material aus der Werkstatt für den Eigenverbrauch gibt es entweder verbilligt oder gratis. Und die Berufskleidung stellt der Betrieb.

Die Perspektive entscheidet

Wie hoch die Sachleistungen ausfallen, sei natürlich immer auch eine Frage der finanziellen Machbarkeit – aber nicht nur, so der Inhaber. Markus Eberhard vertritt seine eigene Philosophie. Er will seine Mitarbeiter nicht mit Extras locken, sondern mit einer attraktiven Arbeit in einer entsprechenden Schreinerei. Freilich sollten Sachleistungen auch hin und wieder zur Sprache kommen. Sie sind für ihn eben keine Selbstverständlichkeit. Ebenso spricht der Chef, wenn es angebracht ist, seinen Angestellten ein Lob für ihre Tätigkeiten aus. KMU trumpfen anderweitig auf, meint auch Bruno Staffelbach.

Anstatt eines Strausses von Lohnnebenleistungen könnten sie einen schnelleren Aufstieg und ganzheitliche Aufgabengebiete bieten. Entscheidend sei letztlich der wirtschaftliche Erfolg eines Betriebes, der wiederum die Beschäftigungssicherheit erhöhe. «Die Leute wollen Perspektiven.»

www.bfs.admin.chwww.veriset.chwww.eberhard-schreinerei.ch

MZ

Veröffentlichung: 25. Oktober 2012 / Ausgabe 43/2012

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