Damit kein Loch aus der Reihe tanzt

Bei diesem semi-automatischen Bohrautomaten können bis zu 21 Bohrer eingesetzt werden. Bild: HM Spoerri AG

Bohrautomaten.  Wo gebohrt wird, entstehen Löcher. So viel ist sicher. Wie gebohrt wird, ist hingegen je nach Betrieb unterschiedlich. Die Nachfrage bei den Händlern zeigt, dass CNC-gesteuerte Maschinen Standard sind. Aber es gibt sie noch, die klassischen Bohrautomaten.

Im modernen Möbelbau nimmt das Loch eine wichtige Rolle ein, denn es bietet gleichermassen Halt für Tablarträger, Verbinder oder Beschläge. So finden sich in Schreinereien dann auch Bohrmaschinen in zahlreichen Formen und Ausführungen.
Vom Akkuschrauber über die Ständer- und Langlochbohrmaschine bis hin zum CNC-gesteuerten Bearbeitungszentrum (BAZ) – das Bohren ist eine zentrale Funktion dieser Maschinen.
Müssen wiederholt viele Löcher gebohrt werden, wie etwa bei einer Reihenlochbohrung, stellt sich schnell einmal die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. Je mehr Löcher in einem Arbeitsschritt gebohrt werden können, desto besser. Deshalb arbeiten bei den modernen CNC-BAZ mehrere Reihenloch- oder Dübelbohrer in einer Reihe, wodurch die Bearbeitung einer Hochschrankseite nur wenige Minuten dauert.

Begrifflichkeiten

Das Prinzip von mehreren Bohrern in einer Reihe wurde allerdings schon auf stationären Maschinen eingesetzt, lange bevor es die CNC-Technologie gab.

Diese Maschinen in einem Wort zu definieren, ist aber nicht ganz einfach, da die Hersteller verschiedene Bezeichnungen verwenden. So finden sich beispielsweise Begriffe wie Universal- oder Multi-Dübelbohrmaschine, Dübellochbohrmaschine, Dübelautomat, Bohrautomat oder auch semiautomatischer Bohrautomat. Auch wenn die Bezeichnungen verwirrend sein können, arbeiten die Maschinen meistens nach demselben Prinzip. Je nach Grösse und Ausführung kommen bis zu 35 Bohrer zum Einsatz. Das Bohraggregat lässt sich um 90° schwenken, was sowohl flächige als auch stirnseitige Bohrungen ermöglicht.

Die Werkstücke werden auf dem Maschinentisch platziert, wo sie meist mit pneumatischen Druckstempeln gespannt werden. Positionierbare Anschläge sorgen für wiederholgenaue Bohrungen. Diese müssen in der Regel manuell eingestellt werden.

CNC als Standard

In der heutigen Zeit wird das Wort «manuell» schnell einmal mit grossem Kosten- und Zeitaufwand verbunden. Arbeiten Schweizer Schreinerinnen und Schreiner in Zeiten der CNC-Technologie denn überhaupt noch mit solchen semiautomatischen Bohrautomaten? «Ja, aber die Verkaufszahlen sind in den letzten 10, 15 Jahren stetig rückläufig», sagt Raphael Betschart, Geschäftsführer der HM Spoerri AG in Bachenbülach ZH. «Bei mittleren oder grösseren Betrieben ist der Standard ganz klar die CNC.» So werden die semiautomatischen Bohrautomaten vorwiegend in Kleinbetrieben verwendet. «Allerdings gibt es auch vereinzelt grössere Schreinereien, die eine solche Maschine als Ergänzung zur CNC haben und sie auch für die Lehrlingsausbildung einsetzen», wie Betschart sagt.

Bei der Eigenmann AG in Dietfurt SG hat man die klassischen Bohrautomaten gar nicht mehr im Sortiment. «Die Nachfrage danach war sehr gering», sagt Samuel Keller, Prokurist und Verkaufsleiter bei Eigenmann. Zudem gibt es zurzeit sehr viele dieser Bohrautomaten auf dem Occasionsmarkt, da die Maschinen in den letzten Jahren durch CNC-BAZ ersetzt worden seien. Von den vertikalen Bearbeitungszentren «BHX 055» und «Drillteq V-200» von Homag habe man in den letzten Jahren über 200 Stück ausgeliefert. «Die Anfragen für einen Bohrautomaten kann man hingegen an einer Hand abzählen», sagt Keller.

Automatische Anschläge

Auch wenn die Nachfrage laufend zurückgeht, bieten weiterhin einige Hersteller semiautomatische Bohrautomaten an. So haben etwa Felder, Gannomat, Maggi und Robland welche im Angebot. Auch die Bohr- und Beschlagsetzmaschine «Minipress» von Blum und der «Blue Max Bohr- und Einpressautomat» von Hettich sind weiterhin erhältlich. Die beiden Maschinen haben eine ähnliche Bauweise und sind im Vergleich zu den Bohrautomaten nicht stationär, sondern werden in der Regel auf einem Korpus oder Untergestell platziert, damit auch lange Fronten oder Hochschrankseiten bearbeitet werden können. Blum hat der «Minipress» vor einigen Jahren ein Update spendiert und die Maschine mit dem «Easystick» erweitert, einem computerunterstützten, automatischen Anschlagsystem. Somit entfällt das manuelle Einstellen der Anschläge. Die Planungsdaten lassen sich zudem aus dem Korpuskonfigurator digital auf die «Minipress» übertragen. Die Durchgängigkeit der Daten und eine compu- terunterstützte Steuerung hält demnach auch bei den klassischen Bohrautomaten Einzug, was die Grenzen zu den CNC- BAZ auch nach und nach verschwimmen lässt.

Bohren und eintreiben

In der Industrie werden schon lange computergesteuerte Bohrmaschinen eingesetzt. Auch hier sind die Bezeichnungen je nach Hersteller unterschiedlich. So nennt beispielsweise Holz-Her ihre «Power Pin 7605 Dynamic» Bohr- und Dübelmaschine, und bei Biesse spricht man bei der «Elix» von einer Bohr- und Eintreibmaschine. Auch Homag und Format 4 haben einen solchen Maschinentyp im Sortiment.

«Diese Maschinen sind auf das vertikale Bohren und Einbringen von Dübeln ausgelegt und kommen oftmals als Ergänzung zu einer Nestingmaschine zum Einsatz», sagt Keller. In den kleinen oder mittelgrossen Schreinereien hierzulande werde selten mit diesen Maschinen gearbeitet, da viele Betriebe nicht auf ein Fräsaggregat verzichten wollen. Gerade bei Schreinereien, die auf der Tischkreissäge oder auf einer vertikalen Plattensäge zuschneiden, sei das Umfahren ein wichtiger Punkt, der für die Investition in ein CNC-BAZ spricht.

Das zeigt sich auch bei den Verkaufszahlen. So werde die «C-Express» von Format 4 auf dem Schweizer Markt kaum mehr verkauft, wie Betschart sagt. «Unsere Kunden investieren oftmals etwas mehr und entscheiden sich für das Nachfolgemodell ‹Creator 950›, da mit diesem standardmässig vierseitig umfahren werden kann.»

Eine Frage des Budgets

Auch wenn die CNC-Technologie immer erschwinglicher wird, kann der Kostenfaktor, gerade für kleinere Unternehmen, nach wie vor eine Hürde darstellen. Zu dem CNC-BAZ kommen zusätzlich Investitionen für Fräs- und Bohrwerkzeug, Software und möglicherweise die Infrastruktur im Betrieb dazu. So muss allenfalls Platz geschaffen und die Späneabsaugung aufgerüstet werden, um auf die nötige Absaugleistung zu kommen, die für den Betrieb des BAZ benötigt wird.

Bei der Schreinererei Nessensohn GmbH in Kradolf TG hat man vor Kurzem die Investition in ein CNC-BAZ gewagt. Aus der Konkursmasse der Emil Kreis AG konnte das Unternehmen vergangenen Februar eine gebrauchte «Drilltec V-200» von Homag übernehmen.

«Bei der Liquidationsversteigerung haben wir nur rund die Hälfte davon bezahlt, was die Maschine neu gekostet hätte», sagt David Nessensohn, Geschäftsinhaber der Schreinerei. «Eine Neumaschine wäre für uns finanziell nicht tragbar gewesen.»

Platz schaffen

Die CNC-Technologie ist jedoch kein Neuland für den Fünf-Mann-Betrieb aus Kradolf. Zuvor hat man als Ergänzung zu einer «Blum Minipress top» viel mit einer «Smart Bench» von Yetitool gearbeitet. «Diese Kombination hat für uns sehr gut funktioniert. Die Smart Bench konnten wir demontieren und verstauen, was uns bei Nichtgebrauch Platz gespart hat», sagt Nessensohn.

Für das CNC-BAZ musste zuerst Platz geschaffen werden. Dies gelang durch geschicktes Umplatzieren in der Werkstatt. Denn auch die «Minipress» habe Platz gebraucht, damit die automatischen Anschläge des «Easystick»-Systems verfahren konnten, wie Nessensohn sagt. Für das CNC-BAZ musste eine zusätzliche Absauganlage installiert werden. «Hier konnten wir eine einfache Lösung finden. Die Anlage steht im Obergeschoss direkt über der ‹Drilltec› im Erdgeschoss», sagt Nessensohn.

Umdenken beim Arbeitsplan

Mit der neuen Maschine hat sich auch der Produktionsablauf verändert. Denn die Kor- pusteile werden nun nach dem Zuschnitt zuerst auf dem BAZ umfahren und bearbeitet, statt dass zunächst die Kanten angeleimt werden. «Hierfür mussten wir unseren Kantenleimer noch etwas umrüsten, damit die Taster der Ziehklingen bei den Topfbandlöchern nicht reinfallen», sagt Nessensohn. Zurzeit ist man in Kradolf noch mitten in der Einarbeitungsphase der neuen Maschine, und es wird noch einen Moment dauern, bis alle nötigen Stammdaten und Programme erstellt sind. Alles in allem habe sich das BAZ aber gut in den Betrieb integrieren lassen.

Schlechte Erfahrungen

Auch in der JB Schreinerei in Wetzikon ZH steht seit Anfang dieses Jahres eine neue Maschine in der Werkstatt. Über einen Computer verfügt diese jedoch nicht. «Nach mehrmaligem Hoch- und Runterrechnen habe ich eine CNC als Option für unseren Betrieb ausgeschlossen», sagt Jürg Burri, Geschäftsinhaber der Schreinerei. Auch eine Occasion sei für Burri nicht infrage gekommen. «Mit Occasionsmaschinen habe ich bereits einige Male schlechte Erfahrungen gemacht, deshalb wollte ich in jedem Fall eine neue Maschine haben.» Nebst dem Budget waren auch der vorhandene Platz in der Werkstatt ein wichtiger Punkt bei der Entscheidung.

Deswegen fiel die Wahl schliesslich auf einen semiautomatischen Bohrautomaten. Den Maschinentyp kannte Burri noch aus seinem Lehrbetrieb, wo viel mit einer Universal-Dübellochbohrmaschine «DB 4» von Scheer gearbeitet wurde.

Auch ohne CNC wettbewerbsfähig

Reihenlochbohrungen und Dübelverbindungen werden in der JB Schreinerei nun seit Anfang Jahr auf einer Dübelbohr- maschine «FD 21 professional» von Felder gebohrt. Die Maschine findet auf einem Quadratmeter Platz, und die Alu-Anschläge können bei Bedarf demontiert werden. «Wir konnten die Maschine somit ohne grössere Umstrukturierung in unsere Werkstatt integrieren», sagt Burri. Zuvor habe man die Reihenlochbohrungen mit der Oberfräse und einer gelochten Führungsschiene gebohrt. In Kombination mit einer «Blum Minipress» habe das ebenfalls gut funktioniert. «Preislich konnten wir so auch immer mit grossen Unternehmen mithalten, die über einen topmodernen Maschinenpark verfügen», sagt Burri, «Zumindest bei Einzelanfertigungen.» Dies sei aber auch die Kernkompetenz seiner Schreinerei, und man habe nicht den Anspruch, sich auf dem Markt anders zu positionieren oder zu wachsen.

Auch ohne CNC-BAZ werden in dem Zwei-Mann-Betrieb Küchen von A bis Z produziert. In der Werkstatt steht ein Kantenanleimer, und der Zuschnitt erfolgt auf einer vertikalen Plattenfräse. Auch die Rückwandnuten werden auf dieser gemacht, mit einem entsprechenden Fräser.

«Nur spezielle Fräsungen oder Standardtüren lassen wir extern fertigen. Wir haben hier den Vorteil, dass es im näheren Umkreis gleich mehrere Unternehmen gibt, die eine CNC haben», sagt Burri.

eigenmannag.chwww.felder-group.comwww.schreinerei-nessensohn.chjbschreinerei.ch

Sven Bürki

Veröffentlichung: 02. Mai 2024 / Ausgabe 18/2024

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