Dämmplatten unter Beschuss


Unter Beschuss: Hartschaumplatten aus Polystyrol enthalten bromierte Halogenwasserstoffe, die nicht in die Umwelt gelangen sollten. Bild: Prenzlau GmbH
Unter Beschuss: Hartschaumplatten aus Polystyrol enthalten bromierte Halogenwasserstoffe, die nicht in die Umwelt gelangen sollten. Bild: Prenzlau GmbH
Werkstoffe. Dämmplatten aus Polystyrol sind aus modernen Bauten kaum mehr wegzudenken. Doch die praktischen und funktionellen Werkstoffe haben einen massiven Nachteil: Die verwendeten Flammschutzmittel gefährden die Umwelt und werden nun verboten.
Geschäumte Dämmplatten aus Polystyrol, auch bekannt unter den Namen EPS, XPS oder Styropor, werden auf Baustellen in grossen Mengen zur Wärmedämmung eingesetzt. Schreiner sowie Fassaden- und Holzbauer setzen die Schaumplatten aber auch zum Dämmen von Fenster- und Türkonstruktionen sowie in Estrichaufbauten und bei Innenraumsanierungen ein. Um den aus Erdölderivaten hergestellten, leicht brennbaren Schaum etwas brandsicherer zu machen, musste man der Polymermas- se Flammhemmer zugeben. Bisher wur- den dazu bromierte Halogenwasserstoffe (HBCD) verwendet. Aufgrund der nachgewiesenen toxischen Wirkung werden diese Stoffe 2015 weltweit verboten.
HBCD stehen schon sehr lange im Verdacht, die Umwelt zu schädigen. Das Verbot erfolgt aufgrund umfangreicher Analysen und Forschungsarbeiten, unter anderem durch die Empa. Die alarmierenden Resultate liessen längerfristig keinen anderen Schluss als ein vollständiges Verbot zu. Ihr Zusatzstoff reichert sich in Organismen und in der Umwelt an. Der Abbau erfolgt äusserst langsam, so dass HBCD auch in entlegenste Gebiete transportiert werden und mittlerweile in Gletscherseen, der Arktis und im tiefsten Dschungel nachweisbar sind.
In die Umwelt gelangen die toxischen Stoffe überwiegend durch die Bearbeitung der Dämmplatten. Beim Schneiden entsteht Staub, beim Schmelzen mit dem heissen Draht entweicht der Schadstoff gasförmig. Schreiner tun darum gut daran, EPS und XPS nur mit Sägen zu schneiden, die mit einer Staubabscheidung ausgerüstet sind. Unterlassen soll man unbedingt das Schleifen der Platten.
Trotz der Umweltgefährdung werden bis auf Weiteres nur EPS- und XPS-Platten mit HBCD im Umlauf sein.
Ein Ersatzstoff soll frühestens im Laufe des nächsten Jahres erhältlich sein, wie aus einer Medienmitteilung des EPS Verband Schweiz hervor geht. Gemäss dem Verband soll sortenreines Material weiterhin über das EPS-Recycling zurückgeführt werden, verunreinigtes Material – etwa aus Fassaden – soll man in die Kehrichtverbrennungsanlage bringen. Welche chemischen Reaktionen durch die Verbrennung ausgelöst werden, ist aber nach wie vor unklar. Umweltverbände monieren, dass durch den jahrzehntelangen Einsatz der Wärmedämmschäume ein riesiges Umweltproblem entstanden ist.
www.epsschweiz.chwww.empa.chDass bromierte Halogenwasserstoffe die Gesundheit gefährden, ist nichts Neues. Schon seit rund 15 Jahren warnen Forscher und Umweltorganisationen lautstark. Trotzdem durfte die Hartschaumindustrie auf die problematischen Stoffe setzen. Das Argument «Keine Alternativen vorhanden» hatte viel zu lange Bestand. Die Folgen des masslosen Einsatzes von Dämmplatten mit HBCD werden uns wohl noch sehr lange beschäftigen.
Umweltfachleute gehen davon aus, dass die Folgen des Chemieeinsatzes noch viel einschneidender ausfallen werden als die Auswirkungen des Asbesteinsatzes.
Denn nach wie vor gibt es keine funktionierenden Entsorgungswege für Wärmedämm-Verbundsysteme aus Hart- schaum. Weltweit werden jährlich über 20 000 t HBCD eingesetzt – notabene ein Stoff, der schon in sehr geringer Dosierung schädlich ist. Dabei wären durchaus Alternativen möglich. Zu nennen wäre zum Beispiel Steinwolle, sie brennt schon mal gar nicht. Noch besser schneidet die Holzfaserdämmung ab.
Alternativen gäbe es in Zukunft auch für die Schaumplatten, sagt der EPS Verband Schweiz. In Zukunft soll ein HBCD-freies Flammschutzmittel eingesetzt werden – ob dieses aber harmlos ist, wird sich zeigen.
Veröffentlichung: 09. Januar 2014 / Ausgabe 1-2/2014