Chefkapitän auf dem Bielersee

Der gelernte Schreiner Markus Bärtschi (41) ist heute Leiter Nautik bei der Bielersee Schifffahrt.

Biel, an einem Sonntagmorgen. Es ist kalt, aber sonnig. Pünktlich um 11 Uhr legt die MS Chasseral zu einer Bielersee-Rundfahrt ab. Markus Bärtschi konzentriert sich – wie immer, wenn er das Schiff aus dem Hafen manövriert. Er stieg diesen Winter bei der Bielersee Schifffahrt zum Chefkapitän und Leiter Nautik auf. «Jetzt arbeite ich etwas mehr im Büro. Aber zum Schifffahren komme ich immer noch genug», meint er. Während im Sommer Hochbetrieb ist und die Crews auch an Wochenenden und abends auf dem Wasser sind, ist es im Winter ruhiger. Nur sonntags gibt es einige Kurse. Dafür begleitet der 41-Jährige derzeit ein besonderes Projekt: Eine österreichische Werft ist dabei, das neueste Schiff der Schifffahrtsgesellschaft zusammenzubauen. Der Schreiner ist mitverantwortlich, dass das Passagierschiff mit dem Projektnamen «MS300» wie geplant am 6. April zur Jungfernfahrt starten kann. Aufgewachsen in Büren an der Aare, hatte Markus Bärtschi immer schon einen starken Bezug zu Wasser und verbrachte seine Freizeit mit dem Schwimmclub oder beim Tauchen. Als das Bieler Schifffahrtsunternehmen vor 20 Jahren einen Schreiner suchte, packte der heute 41-Jährige die Gelegenheit beim Schopf. Im Winterhalbjahr tastete er sich an bautechnisches Neuland heran, wenn er gemeinsam mit rund 20 anderen Handwerkern die acht Schiffe der Flotte unterhielt und reparierte. «Da lernte ich Schritt für Schritt das Innenleben der Schiffe kennen, auch die ganzen im Unterdeck versteckten Details», sagt er, während er die Passagiere zählt, die unterwegs zusteigen. Ein Schiff sei mit dem eigenen Abwasser- und Heizungssystem fast wie ein Einfamilienhaus, nur vielleicht noch etwas komplizierter. «Alles ist ein bisschen eckig und krumm. Und eine Wasserwaage kann man natürlich vergessen, denn das Schiff liegt ja im Wasser», lacht er.

Im Sommerhalbjahr durchlief Markus Bärtschi die nautische Ausbildung. Als Leichtmatrose kontrollierte er Billette und vertäute Schiffe, als Matrose bekam er immer mehr Verantwortung, bis er dann Schiffführerprüfungen ablegte, um auf der Brücke die Gesamtverantwortung über das Schiff zu übernehmen. «So habe ich die Schifffahrt von der Pike auf und in allen Bereichen erlernt sowie jedes Schiff der Bielersee-Flotte kennengelernt», erklärt er. Das sei wichtig, denn «jedes Schiff ist ein Unikat und fährt sich anders». Auch die Wetterbedingungen verändern alles. Dazu kommt, dass die Schifffahrtsgesellschaft vielseitige Gewässer befährt, nämlich neben Bieler-, Murten- und Neuenburgersee auch Abschnitte auf der Aare – etwa nach Solothurn – mit Brückendurchfahrten. «Das ist abwechslungsreich, aber auch anspruchsvoll. Die Fortbewegung auf dem Wasser birgt viele Gefahren, wenn man nicht seriös und respektvoll handelt.» Weil Binnengewässer «handwerklich» anspruchsvoller seien als die Hochseeschifffahrt, sei er auf dem See immer zufrieden gewesen. «Die moderne Hochseeschifffahrt hat ohnehin gar nichts mehr mit der alten Schifffahrerromantik zu tun. Dort funktioniert alles computergesteuert», sagt der Kapitän.

Wenn Markus Bärtschi im Sommer fast jeden Tag unterwegs ist, geniesst er den ruhigeren Winter umso mehr. Jetzt nämlich hat er mehr Zeit für seine Frau und die zwei Kinder im Jugendalter. Oder dafür, sich bei Bewegung in der Natur oder beim Kochen zu entspannen. Bevor er jedoch an diesem kalten Sonntag zurück nach Hause fährt, bricht er nach dem Mittagessen an Bord ein zweites Mal zu einer Rundfahrt auf.

«Alles ist ein bisschen eckig und krumm. Und eine Wasserwaage kann man natürlich vergessen, denn das Schiff liegt ja im Wasser.»

fg

Veröffentlichung: 15. März 2012 / Ausgabe 11/2012

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