Bühne frei für die Techniker
Vor dem Bühnenbau muss die Beleuchtung stehen, oder besser: hängen. Bild: Manuela Ziegler
Vor dem Bühnenbau muss die Beleuchtung stehen, oder besser: hängen. Bild: Manuela Ziegler
Opernschreiner. Ob bunt, kurios, gewaltig oder nüchtern: Die Macher hinter den Bühnenkulissen bleiben meist anonym. Verschiedene Berufsleute erschaffen am Opernhaus Zürich ständig neue Bildwelten. Das Schreinerhandwerk, die Metalltechnik und die Kunst liegen sehr nah beieinander.
Muskelkraft ist gefragt. Am Bühneneingang der Oper Zürich verladen Mitarbeiter an diesem Morgen die Kulisse des Nussknacker- Balletts für den Transport ins Aussenlager. Im Innern eilen Handwerker treppauf und -ab, auf der Bühne arbeiten die Beleuchtungstechniker. «Wegen Sechseläuten ist es heute ruhiger. In der Regel sind bis zu 50 Personen gleichzeitig auf der Bühne, um aufzubauen», sagt Isai Anderfuhren, Werkstattleiter der Opernschreinerei. Auch Schreiner sind ein Rad in diesem Getriebe, das der Bühnenmeister koordiniert.
Der Opernalltag beginnt morgens mit einem Bühnenaufbau, auf der ein zukünftiges Stück geprobt wird. Am Nachmittag kommt die Probebühne weg und die Bühne für die Abendvorstellung wird aufgebaut. Bei Neuproduktionen bleibt für die erste technische Einrichtung mehr Zeit – bis zu drei Tage, was angesichts der riesigen Elemente notwendig ist. Neun Meter dürfen die Bühnenwände mit Aufbau in die Höhe ragen. Die maximale Modulgrösse liegt bei 7,2 × 2,4 × 2 Metern. «Sonst können wir die Teile über die Aufzüge nicht mehr transportieren», erklärt der Werkstattleiter. Die Wände aus einer verzapften Rahmenkonstruktion sind mit Sperrholz beplankt und untereinander mit Schlagschnüren verbunden. Rollspreizen stabilisieren und ermöglichen das Hin-und-her-Rollen.
Winzig fühlt man sich neben den geschreinerten Giganten, deren Vorderseite noch bis zur Premiere des Balletts «Faust» ein Geheimnis bleiben muss. Die mit Glühbirnen bestückten Wände des gespielten «Nussknackers» dürfen aufs Foto. Die bemalten Holzwände wurden auf einen Metallrahmen montiert. Ein beidseits befestigter Metallwagen ermöglicht das Verschieben. Mit einem Personenaufzug gehts ins dritte umlaufende Bühnengeschoss, wo den Besuchern die Grösse des rund 22 Meter hohen Bühnenraums bewusst wird. Wie Ameisen, so klein wirken die Beleuchtungstechniker unten. Ein herabgleitender Samtvorhang wird seitlich von acht Mann aufgerollt. Bühnentechniker schieben Holzplatten auf einem Transportwagen heran. «Von hier oben hat man eine optimale Sicht und steht nicht im Weg», sagt Isai Anderfuhren.
Der gelernte Schreiner war vorher im Küchenbau tätig. Während seiner Weiterbildung zum Techniker für Unternehmensprozesse kam er mit der Opernwelt in Berührung – durch seinen Lehrer, der am Zürcher Schauspielhaus tätig ist. «Die Arbeit mit Künstlern ist unvorhersehbar und besonders», sagt Anderfuhren. Mit industrieller Prozessoptimierung habe sie nichts zu tun, aber das erworbene Wissen zu Finanzbuchhaltung, Personalmanagement, Kalkulation und Fertigungstechnik sei für die Leitung der Opernwerkstatt optimal.
Zum achtköpfigen Schreinerteam kommt im Sommer erstmals eine Lernende dazu. Inzwischen geht der Rundgang in die Tiefe, über ein Labyrinth aus Treppen und Fluren ins Lager im vierten Untergeschoss. Haushohe Bühnenwände stehen hier. 100 Bodenplatten warten auf die Premiere. Sie sehen aus wie Echtholz-Parkett, sind aber Materialimitationen der Theatermaler. Deren Reich steht als Nächstes auf dem Programm. Es liegt, wie alle Werkstätten, nur zwei Seitenstrassen von der Oper entfernt.
Über ein Treppenhaus, tapeziert mit den Plakaten vergangener Inszenierungen, gelangt man ins Atelier. Der leitende Theatermaler Christian Hoffmann und Isai Anderfuhren tauschen sich mehrmals täglich aus. Sie diskutieren über die Wahl von geeigneten Nägeln, Farben und Materialien für Bodenbeläge und Wandelemente. «Beim Bauen herrscht ein teils hoher Detaillierungsgrad», sagt Anderfuhren. «Bühnenbilder bis zu einer Breite von 17 Metern entstehen wegen ihrer Grösse am Boden», sagt Hoffmann. Für das Parkett wurden 18 Millimeter starke Birken-Multiplexplatten mit Capaplex grundiert und danach mit Stoff beklebt. Die Holzstruktur wurde mit eingefärbtem Wasserlack auf den Stoff gemalt und zum Schluss mit einem Klarlack auf Wasserbasis versiegelt. Materialimitationen für Steine und Holz, Glas und Metall gehören zum Kerngeschäft. Die Kascheure, ein Stockwerk höher, bearbeiten konzentriert ihre Plastiken aus Gips und Styropor, getragen von einem hölzernen Skelett aus der Schreinerei.
Wieder stark abteilungsübergreifend arbeiten Hölzige und Metaller zusammen. Deren Schnittstelle bilden die Projektleiter aus dem technischen Büro. Sie entwerfen nach dem Modell des Bühnenbildners Zeichnungen, über deren Umsetzung Schreiner und Schlosser beraten. Inzwischen zeigt Isai Anderfuhren in seinem Büro die CAD-Pläne für die Bühne des «Freischütz» von Carl Maria von Weber. «Eine grosse Herausforderung für Schreiner wie für Schlosser.»
Ein Einraumhaus mit konisch zulaufen- den Wänden: Innen- und Aussenform divergieren total. Geplant war also ein konisch zulaufendes Stahlgerippe. In der Schlosserei, ein Stockwerk tiefer, sagt der Schlosser David Ijiroudek: «Ich habe festgestellt, dass der Zeitaufwand geringer ist, wenn ich statt konisch parallel baue.»
Den Aufbau gegen die Aussenfläche hin erledigten die Schreiner mit einer Schiftung ohne tragende Funktion und glichen so die Differenz zur Aussenform aus. Neben der komplizierten Form bereitete auch die Statik etwas Kopfzerbrechen.
Die Konzeption sah ein kippbares Haus vor, das heisst, die Böden durften sich nicht neigen und wurden auf Stoss verschraubt. Nach einer Änderung im szenischen Ablauf sollte das Haus aber schweben. «Es musste eine Aufhängung konstruiert werden, mit der es möglich war, das 2,5 Tonnen schwere Gebilde schweben zu lassen», sagt Ijiroudek. Spontane Kreativität war gefragt, das Spannende an seiner vielseitigen Arbeit. Das Haus wurde direkt am Metallgerüst mithilfe eines Podests zusammengebaut. «Ungenauigkeiten im Stahlbau durch Verzug des Metalls beim Schweissen mussten wir so ausgleichen, dass auch die Innengeometrie stimmt», sagt Anderfuhren. Die Rückwand wurde erst am Bau konstruiert.
Sechs bis acht Wochen Arbeit stecken in diesem Bühnenbild. Das ist lange angesichts von 15 Neuproduktionen im Jahr. Durchschnittlich bleibt weniger als ein Monat für eine Bühne. Für manch anspruchsvollen Entwurf jedoch lässt sich dieses Zeitkorsett nicht einhalten. «Ich muss den Bau der einzelnen Elemente terminieren. Gebe ich alle zeitgleich in Auftrag, stellt deren Volumen die Werkstatt zu», weiss der Werkstattleiter. Ohne rollende Planung geht es nicht. Zwei Leute müsse er für Korrekturen bereithalten, denn wenn die Schauspieler am Proben seien, werde schon an der nächsten Bühne gearbeitet.
MZ
Veröffentlichung: 31. Mai 2018 / Ausgabe 22/2018
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