Auf der stetigen Walz zu sich selbst

Zen-Meister Marcel Reding (46) führt in einem alten Bauernhaus ein Kloster. Bild: PD

Leute. Es ist ein spezieller Ort, das Honora Zen Kloster in Reichenburg im Kanton Schwyz. Leiter dieses Refugiums ist Zen-Meister Vater Reding.

Wer möchte, erlebt bei ihm im alten Bauernhaus zum Beispiel die Bergwoche, eine Auszeit ohne Schlaf. Klar, ein Nickerchen sei erlaubt, und zu Essen gebe es auch, sagt Vater Reding. Aber weil «Mann» nicht vom Brot allein lebt, besteht der Grossteil des Menüs aus Meditation. Die erste Portion, noch bevor der Hahn kräht, die letzte um ein Uhr morgens. Aber wer lässt denn seine Seele freiwillig über Scherben laufen? Vielfach seien es Männer, in deren Welt kein Stein mehr auf dem anderen geblieben ist, etwa nach einer Trennung oder Scheidung. «Nur wer sich selbst opfert, kann danach wie Phoenix aus der Asche steigen», sagt Reding. «Wer eine Scheidung als spirituelle Transformation versteht, kann seine Seele heilen.» Zen-Meister Reding heisst mit richtigem Namen Marcel Reding. Vor 22 Jahren zog es den damals 24-Jährigen nach Japan. Dort liess sich der junge Mann zum Zen-Mönch ordinieren. Zen sei eine uralte Lehre, basierend auf der Einheit von Geist und Körper. Zen sei lebendiger Kern jeder Religion. Hier im Westen würde man einen Zen-Meister eher als Mystiker bezeichnen, erklärt Reding.

«Japan schätzt das Handwerk, und der Schreiner ist im Land der aufgehenden Sonne ein speziell angesehener Mann.»

Nach einer zehnjährigen Grundausbildung in einem Kloster bewältigte er in Strohsandalen und im Bettelgewand 3000 entbehrungsreiche Kilometer. Acht Monate lang war er von Küste zu Küste unterwegs. Während dieses Almosengangs richtete er nicht nur den Blick nach innen. Seine Augen bemerkten auch das Holzhandwerk und Holztempel, die ohne einen Nagel Jahrhunderte überdauerten. Marcel Reding hat nämlich das Holzgen. Sein Grossvater Martin gründete in Einsiedeln eine Schreinerei und Holzbeizerei, die heute unter dem Namen Reding Werner AG von Marcel Redings Cousin geführt wird. Holz faszinierte Marcel Reding von Kindheit an – sowohl das Restaurieren sakraler Gebäudeteile aus Holz als auch der Glanz moderner Lackoberflächen. «Japan schätzt das Handwerk, und der Schreiner ist im Land der aufgehenden Sonne ein speziell angesehener Mann», sagt er und erzählt dann, dass in Japan die Arbeit des Schreiners, behaftet mit einem Ehrenkodex, schon fast etwas Heiliges habe. Vor einiger Zeit kehrte Marcel Reding nach Einsiedeln zurück und begann, in der familieneigenen Schreinerei als Allrounder zu arbeiten. Irgendwann stiess er auf ein abgegriffenes Gebetbüchlein seines Grossvaters. «Schon nach wenigen Zeilen explodierte meine Welt. Da war ich um die ganze Welt gepilgert, um letztlich die Kirche im eigenen Geist und Gott im eigenen Selbst zu finden», sagt er. Zen und Katholizismus – zwei verschiedene Paar Schuhe? «Das Zen in der Schweiz und Europa hat eine starke Verbindung zu den Jesuiten. So schliesst sich der Kreis für mich», sagt Reding.

Ein Happy End im herkömmlichen Sinn hatte seine «Walz» jedoch nicht. Seine physische Rückkehr erfreute viele, während seine spirituelle Rückkehr zum Katholizismus einige vor den Kopf stiess. Und wenn er heute als Zen-Meister Vater Reding ein Scheidungsritual für verletzte Männerseelen anbietet, so weiss er aus eigener Erfahrung, wovon er redet. Er sagt: «Eine Scheidung ist wie eine Vergewaltigung, ein lebenslanges Trauma für die aufgescheuchte Männerseele. Das Honora Zen Kloster ist ein geschützter Ort der Heilung. Männern fehlt es in unserer Gesellschaft an Ritualen – und an Vätern.»

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 13. Februar 2025 / Ausgabe 7/2025

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