Akribisch zur richtigen Maschine

Probleme mit der neuen Plattensäge. Die Zuschnitt­zeiten reduzierten sich um mehr als die Hälfte.

Pflichtenheft. Auch beim Kauf von Grossmaschinen kann es vorkommen, dass sich ein Betrieb für das falsche Modell entscheidet. Folgekosten und viel Frust sind die Konsequenzen. Ein solides Pflichtenheft verringert diese Gefahr und stellt ein zentrales Dokument der Evaluation dar.

 

«Hätten wir vor dem Kauf unserer Occa­sions-CNC-Maschine ein Pflichtenheft erstellt, hätten wir uns damals wohl für ein Modell mit einem anderen Anschlag entschieden», erzählt Peter Schmid. Er ist bei der Bühlmann AG aus dem Entlebuch zuständig für CNC-Technik und Software und hat seither mehrere erfolgreiche Maschinen­evaluationen durchgeführt. Per Definition unterscheidet man eigentlich zwischen dem Maschinenanforderungsprofil und dem Maschinenpflichtenheft. Ersteres dient den Maschinenlieferanten als Basis für eine Grundofferte. Ein Pflichtenheft hingegen beschreibt dann genau die Leistungen und Anforderungen, welche die neue Maschine erbringen muss. Es stellt ­einen integralen Bestandteil des Kaufvertrages dar. In der Praxis lassen sich aber Anforderungsprofil und Pflichtenheft kaum auseinanderhalten, denn die Anforderungen bilden die Grundlage für das Pflichtenheft. Dies bestätigt auch Peter Schmid: «Es ist ein fortlaufender Entwicklungsprozess. Aufgrund vieler Gespräche und verschiedener Offerten verändert sich das Anforderungsprofil und somit auch das Pflichtenheft.»

Mehr Investitionssicherheit

Das Pflichtenheft stellt somit den zentra­-len Punkt eines Evaluationsverfahrens dar und ist entsprechend zeitintensiv. Für den Geschäftsführer Jörg Bühlmann ist das allerdings gut investiertes Geld: «Ein gewissenhaftes Pflichtenheft gibt uns mehr Investitionssicherheit und regelt klar die Verantwortlichkeiten zwischen uns und dem Maschinenlieferanten.» Das ist für beide Parteien von Vorteil, falls es während oder nach der Auslieferung zu Problemen kommt. Zudem vermeidet ein Pflichtenheft überhastete Entscheidungen beim Maschinenkauf. Denn nichts ist ärgerlicher als festzustellen, dass gewisse Bearbeitungen in der Praxis nicht oder nur ungenügend möglich sind. Genau in solchen Momenten kommt das Pflichtenheft zum Zug, wo die Leistungen genau definiert sind. 

Banale Aspekte vernachlässigt

Aber wie sieht ein Pflichtenheft aus und insbesondere: Welche Punkte gehören aufgeführt? Dies hängt stark vom zu evaluierenden Produkt ab. Je komplexer die Maschine, desto umfangreicher sollte das Dokument ausfallen. In diversen Weiterbil­dungen gehört das Thema Pflichtenheft auch zum Programm. Oft wird aber ganz banalen Punkten zu wenig Beachtung geschenkt. «In unserem Fall messen wir bereits dem ganzen Transport einen hohen Stellenwert zu», sagt Peter Schmid. Das beginnt bereits bei der genau definierten Lieferadresse. Denn die Bühlmann AG verfügt über zwei verschiedene Produktionsstandorte. Hinzu kommt, dass die Zufahrt relativ eng und steil ist. «Mit dem 40-Tonner hat man da kaum eine Chance, und wenn noch Schnee liegt schon gar nicht», ergänzt Schmid. Also muss die Maschine vorher an einer geeigneten Stelle auf ein kleineres Fahrzeug umgeladen werden. Dazu benötigt man möglicherweise auch noch einen zusätzlichen Kran. Miteinbeziehen in die Überlegungen muss man auch allfällige Rückführanlagen oder sonstiges Zubehör. Dieses kommt vielleicht nicht mit demselben Transport oder wird erst später angeliefert.

Chauffeur war einen Tag zu früh

Ebenfalls geregelt werden sollte, was mit der alten Maschine geschieht, falls es sich um eine Ersatzinvestition handelt. Kauft sie der Maschinenhändler ab und sorgt auch gleich für die Demontage sowie den Abtransport? Als die Schreinerei Bühlmann die Kantenanleimmaschine ersetzte, waren die Verantwortlichen froh, dass sie auf ein genaues Pflichtenheft zurückgreifen konnten: Der vom Maschinenhändler organisierte Spediteur aus Slowenien wollte die alte Maschine einen Tag zu früh abholen, obwohl der Termin klar geregelt war. «Da musste der Chauffeur halt noch einen Tag warten, denn die Maschine war noch nicht demontiert», schmunzelt Peter Schmid. 

Genau definiert werden müssen auch die Leistungen und Qualitäten von Maschinen. Sie lassen sich gut anhand von Testteilen überprüfen, welche die Ausschnitte, Beschlägebohrungen usw. enthalten, wie sie im Produktionsalltag vorkommen. Zusammen mit dem Maschinenlieferanten werden die Teile vorgängig auf einer Vorführmaschine bearbeitet und von beiden Parteien visiert. Zum einen erkennt der Schreiner sofort, ob das Produkt seinen Qualitätsansprüchen genügt. Zum anderen dienen diese Teile später als Referenz. Bei der Maschinenabnahme werden die Teile nochmals gemäss den im Pflichtenheft definierten Vorgaben bearbeitet und mit denen der Vorführmaschine verglichen. Bestehen die Prüf­teile den Qualitätsvergleich nicht, muss der Lieferant nachbessern. «Nur so können wir sicherstellen, dass die gelieferte Maschine auch tatsächlich unsere Ansprüche erfüllt», ergänzt Schmid. 

Beharrlichkeit zahlt sich aus

Es empfiehlt sich auch, alle anderen aufgeführten Kriterien sowohl von Käufer- als auch Lieferantenseite visieren zu lassen. So ist sichergestellt, dass beide Parteien das gesamte Pflichtenheft auch Punkt für Punkt gelesen haben. Erst dadurch entsteht der bereits erwähnte Entwicklungsprozess. Manch­mal können die Anforderungen nicht genau so wie gewünscht umgesetzt werden, oder es gibt vielleicht sogar eine bessere Lösung. Dann muss der Maschinenlieferant einen Vorschlag machen und der Schreiner bestätigt mit seiner Unterschrift, dass dieser für ihn in Ordnung geht. Nicht alle Maschinenhändler nehmen diesen Vorgang gleich ernst. «Dann muss man dranbleiben und nachhaken», weiss Peter Schmid. Während dieses Prozesses scheiden vielleicht ­einige Anbieter aus, welche die Forderungen nicht erfüllen können oder wollen.

Die Beharrlichkeit hat sich für die Bühlmann AG bezahlt gemacht. Seit dem Kauf der gebrauchten CNC-Maschine gab es kaum mehr Probleme bei neuen Investitionen. Ausser der neuen Kantenanleimmaschine stehen eine moderne, horizontale Plattensäge und eine Breitbandschleifmaschine in der Werkstatt. Gemäss Peter Schmid braucht man heute gerade einmal ein bis zwei Tage, um dieselbe Plattenmenge zuzuschneiden, für die früher eine Woche nötig war. Bei der Schleifmaschine legte die Schreinerei, die auch Postformingteile herstellt, viel Wert darauf, dass Kunstharzbeschichtungen in einem Arbeitsgang abgeschliffen werden können. Dies spart Zeit und schont das Schleifband. 

Als Nächstes steht für die Bühlmann AG die Evaluation ­eines neuen ERP auf dem Programm. PH

www.bueag.ch

www.homag-schweiz.ch

 

Pflichtenheft: Die wichtigsten Punkte

Das Pflichtenheft muss als integrativer Bestandteil des Kaufvertrages definiert werden. Die unten aufgeführte Liste ist nicht abschliessend.

  • Lieferant und Käufer der Maschine mit Ansprechpartnern
  • Ausgangslage: Standort, zu verarbeitende Produkte usw.
  • Mögliche Bearbeitungen
  • Maschinenleistung: Geschwindigkeit, Präzision, Qualität usw.
  • Definition Prüfteile
  • Softwareanforderungen, Postprozessor, Netzwerkanbindung
  • Sonderausstattungen
  • Anforderungen an Maschinenbediener
  • Wartungskonzept
  • Infrastruktur: Fundament, Druckluft, Absaugung, Strom usw.
  • Transportregelung
  • Maschinenaufbau
  • Versicherung
  • Inbetriebnahme: Dauer, Ablauf
  • Schulungen
  • Maschinenabnahme: Wann, wie, mit wem?
  • Garantie
  • Genauer Liefertermin
  • Zahlungsbedingungen
  • Nachbetreuung durch Maschinenlieferanten
  • Welche Unterlagen werden mit der Maschine abgegeben und in welcher Sprache? (Pläne, Handbücher, Software usw.)

 

Veröffentlichung: 31. März 2011 / Ausgabe 13/2011

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