Wieder gute Aussichten
Die Aussichten der Fensterbranche sind definitv rosiger als auch schon. Bild: Pixabay
Die Aussichten der Fensterbranche sind definitv rosiger als auch schon. Bild: Pixabay
Marktentwicklung. Die Fensterbranche hat schwierige Zeiten hinter sich. Einige Unternehmen mussten schliessen, andere versuchen, sich neu am Markt zu behaupten. Ein Überblick über das aktuelle Geschehen und über die Herausforderungen, die anstehen.
Die guten Nachrichten vorweg: Die düsteren Wolken, die sich noch vor gut drei Jahren über der Fensterbranche auftürmten, haben sich verzogen. Von verschiedener Seite ist zu hören, dass der nahezu ruinöse Preiskampf vorerst ein Ende gefunden hat. Doch bevor man entzückt in die ersten Sonnenstrahlen blinzelt, muss man zurückblicken. Was ist geschehen?
Die Fensterbauer standen noch 2018 stark unter Druck. Die Fensterpreise hatten in den Jahren davor rund 20 Prozent nachgegeben, und man suchte nach passenden Lösungen, um das Überleben zu sichern. Einige wählten die Strategie der Expansion ins Ausland, andere setzten voll auf Automatisierung. Doch nur zwei Jahre später kamen die Hiobsbotschaften: Ende Februar 2020 meldete die Swisswindows AG aus Mörsch-wil SG Konkurs an. Wenige Tage darauf folgte ihr die Ruchti Aerni AG aus Gwatt bei Thun BE. Innert Wochenfrist verloren 390 Angestellte ihre Jobs. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Branchenkenner sahen als Grund für die schwierige Lage die Frankenstärke und den Druck aus dem Ausland. Es war aber auch von Überkapazität der immer moderner und damit effizienter werdenden Produktionsanlagen die Rede. Das habe den Preiskampf unter den Fensterproduzenten zusätzlich angeheizt.
Und heute, zwei Jahre später? «Die Branche war die letzten Monate gut ausgelastet», sagt Christoph Rellstab, Leiter der Höheren Fachschule Holz Biel und Co-Präsident des Schweizerischen Fachverbands Fenster- und Fassadenbranche (FFF). «Und das trotz der Coronakrise.» Zwar habe nach den Konkursen Anfang 2020 eine Umverteilung am Markt stattgefunden, doch dieser Umstand habe den durchschnittlichen Fensterpreisen nicht geschadet. Im Gegenteil: Laut dem kürzlich erschienenen Branchenradar sind die Preise sogar wieder am Anziehen. Die Rede ist von etwas über vier Prozent.
Josef Knill, Inhaber und Geschäftsführer der Fensterinform GmbH aus Siegershausen TG, nimmt die Marktentwicklung ähnlich wahr. Die Branche sei so gut ausgelastet wie selten. «Ich höre von vielen Fensterbauern, dass ihre Auftragsbücher bis in den Sommer, ja sogar bis in den Herbst voll sind», sagt er. Gewisse seien sogar in der komfortablen Lage, Aufträge auswählen zu können. Ein Grund für diesen Wandel: Das Geld sei derzeit günstig, und es werde viel in der Immobilienbranche investiert. «Das heisst, es wird kräftig gebaut und saniert. Auch während des ersten Lockdowns stand die Baubranche nicht still. Einzelne Aufträge wurden lediglich um einige Wochen nach hinten geschoben, weil Privatpersonen aus Angst vor dem Coronavirus keine Handwerker im Haus haben wollten», sagt der ehemalige Co-Präsident des FFF.
Die letzten Jahre wurde viel über die verschiedenen Strategien der grösseren Fensterbaubetriebe diskutiert. Sollte man nun auf den Standort Schweiz setzen und den Betrieb weitgehend automatisieren? Oder doch besser die Produktion ins Ausland verlagern? Urs Uehlinger, Leiter Kompetenzbereich Fenster, Türen und Fassaden an der Berner Fachhochschule (BFH), sagt, er habe dazu leider auch keine abschliessende Antwort. «Jede Strategie hat ihre Klippen, die man als Betrieb umschiffen muss. So darf man sich zum Beispiel bei der Auslagerung ins Ausland nicht von den tieferen Lohn- und Produktionskosten blenden lassen.» Man unterschätze häufig, dass es im Ausland nicht einfach sei, gute Fachkräfte zu rekrutieren. Hinzu kämen die grossen Unterschiede in der Arbeitsmentalität, die durch sprachliche Verständigungsprobleme verstärkt würden. «Zudem muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Produktivität im Ausland nie so hoch sein wird wie in der Schweiz», sagt Uehlinger.
Und die Rechnung ist mit der Produktion allein noch lange nicht gemacht. Viele Prozesse wie die Projektleitung, die Logistik oder die Montage finden nach wie vor in der Schweiz statt. So schmilzt die Marge schnell wieder dahin. Kursschwankungen und die Verteuerung von Rohmaterialien sind noch gar nicht eingerechnet.
Christoph Rellstab sieht noch weitere Schwierigkeiten: «Die Baumentalität hat sich in den letzten Jahren ebenfalls verändert. Man denkt und plant heute viel kurzfristiger. Geht etwas schief und man braucht ein Ersatzfenster, wartet man unter Umständen drei bis sechs Wochen, bis es aus der ausländischen Produktion eintrifft.» Bei solchen Lieferfristen könne man sich vonseiten der Kundschaft nicht viel Verständnis erhoffen.
Der Schweizer Fenstermarkt profitiert unterdessen zunehmend von einem Umdenken der Eigenheimbesitzer. «Ich habe immer häufiger mit Kunden zu tun, die nach der Herkunft der Fenster fragen», sagt Knill. «Und handkehrum mit solchen, die richtiggehend enttäuscht sind, wenn sie feststellen, dass ihr Fenster nicht in der Schweiz gefertigt wurde.» Das spiele den Schweizer Produzenten in die Hand.
So rosig gewisse Aussichten auch erscheinen mögen, es gibt auf dem Regenradar noch einige Fronten, die sich so schnell nicht verziehen werden. Knill erwähnt zum Beispiel die Problematiken der Montage: «In der Herstellung haben wir mittlerweile sehr strukturierte Prozesse. Die meisten Herausforderungen und 50 Prozent aller Kosten fallen allerdings erst an, wenn das Fenster die Produktion verlässt. Von diesen Kosten kann der Fensterproduzent die Hälfte nicht einmal gross beeinflussen.» Er spreche hier von Planungsfehlern, Terminverzögerungen, schlechter Baustellenlogistik oder von herausfordernden Bauherren. Das alles könne sich negativ auf den Montageprozess auswirken. Und die Tatsache, dass es auch auf Montage an qualifizierten Fachkräften mangle, helfe nicht, die Situation zu entspannen.
Auch Rellstab sieht den Fachkräftemangel nach wie vor als eine grosse Herausforderung: «Statistisch gesehen, werden im Wohnungsbau zwischen fünf und sieben Prozent der Gesamtsumme für die Mängelbehebung, sprich für Bauschäden, ausge-geben. Das ist viel zu viel und drückt die Margen, auch bei den Fenstern.»
Holz-Holz- wie auch Holz-Metall-Fenster sind heute hochveredelte Produkte, die sehr früh im Bauprozess auf die Baustellen gelangen. Um diese Produkte fachgerecht montieren zu können, müssen die Baustellen auch entsprechend vorbereitet sein. «Zu wenig qualifiziertes Personal versteht unter Umständen nicht, warum man abdichten oder wegen des Brandschutzes andere Schrauben verwenden muss», sagt der gelernte Schreiner. «Das Einsetzen solcher Fenster, die häufig über 50 Kilogramm wiegen, ist ein Krampf. Wer will diese Arbeit heute noch übernehmen?»
Rellstab wie auch Uehlinger sind sich einig, dass man in diesen Prozessen noch viel optimieren kann. Das Problem dabei sei, dass die Bauleitung häufig nicht vor Ort sei und dadurch die Probleme auf der Baustelle nicht differenziert betrachten könne. Man bekomme nur mit, was der Monteur im Nachhinein von der Baustelle berichte. Rellstab sieht darum eine grosse Chance in der durchgehenden Digitalisierung der Prozesse: «Die Holzbauer zum Beispiel setzen sich in der Planung viel früher mit den Details auseinander, noch bevor sie eine Maschine starten. Das würde den Fensterbauern einige böse Überraschungen ersparen.» Doch diese Veränderung brauche Zeit. Die Baubranche sei leider bei der Umstellung auf Bim nicht die schnellste. Grosse Betriebe hätten eher die Nase vorn. Bei den mittelständischen Betrieben fehlten für eine solche Umstellung häufig die Ressourcen.
Angebot und Nachfrage haben sich wieder stabilisiert, und wenn ein Betrieb seine Hausaufgaben gemacht hat, kann er entspannter als auch schon in die Zukunft blicken. «Wer sein Image pflegt und die Prozesse unter Kontrolle hat, kann sich weiterhin auf gute Aussichten einstellen», sagt Rellstab abschliessend. Es gibt also einige Anzeichen, die auf einen erfolgreichen Frühling hindeuten. Nun heisst es: Ärmel hochkrempeln und die Chancen ergreifen. Diese liegen in den regionalen Wertschöpfungsketten, in der Nachhaltigkeit und in der Digitalisierung.
Veröffentlichung: 15. April 2021 / Ausgabe 16/2021
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