Wenn Frau Bürge wüsste ...


Beim Eingang hängt in einem schwarzen Bilderrahmen eine unscheinbare Kinderzeichnung. Sie zeigt eine Ansammlung von Nähmaschinen. Am unteren Rand prangt in fetter, grosser Kinderschrift «Nähmaschinenmuseum». Das Bild erzählt die Geschichte eines aussergewöhnlichen Jungen, der mit Hartnäckigkeit und Herzblut sein Ziel erreichte. Bereits als Zwölfjähriger hatte Roni Schmied eine Vision, die er auf genau dieser Kinderzeichnung festhielt. Rund 30 Jahre später eröffnete der gelernte Schreiner sein eigenes Nähmaschinenmuseum in Dürnten, im Zürcher Oberland. Während die anderen Buben Fussball spielten, trieb er sich auf Flohmärkten herum, war bei Hausräumungen stets zur Stelle und suchte nach besonderen Gegenständen. «Ich war schon als kleiner Junge ein vergifteter Sammler», erinnert sich der heute 42-Jährige. Und eines Tages machte er einen Fund, der die Weichen für sein weiteres Leben stellte: «Im Müll fand ich eine alte Nähmaschine», erzählt Schmied. Das war der Beginn seiner Nähmaschinen-Sammlerwut. In seinem Museum, das heute rund 300 Nähmaschinen zählt, sei die damals gefundene, allererste Nähmaschine für ihn das wichtigste Sammlerstück. «Obwohl sie nichts Rares ist, habe ich die grösste emotionale Verbindung zu ihr», erklärt Schmied. Eine besondere Verbindung hatte er auch zu seiner Nachbarin, Frau Bürge. Die Schneiderin brachte ihm auf ihrer Pfaff Alpina, einem Modell aus dem Jahr 1950, das Nähen bei und lehrte ihn, wie man die alten Nähmaschinen pflegen muss, für Schmied eine wertvolle Zeit, denn in der Schule musste er darum kämpfen, um in den Handarbeitsunterricht gehen zu dürfen. «Für mich war Frau Bürge wie eine zusätzliche Grossmutter», sagt Schmied.
Die Liegenschaft, in der sich das Museum befindet, hat der Sammler vor vierzehn Jahren gekauft. Es ist die Remise der ehemaligen Seidenspinnereifabrik Pilgersteg, einem 160 Jahre alten Gebäude. Drei Jahre Schweiss und Leidenschaft hat er in den Umbau des Museumteils gesteckt. Im unteren Stock betreibt Schmied zusammen mit seinem Partner Tino Jaun ein Antiquitätengeschäft inklusive Werkstatt. Einer von Schmieds grössten Wünschen ist es, eine «Hurtu l’abeille» von 1875 zu finden. Sein Partner verdreht die Augen: «Roni ist wie ein Jagdhund.» Er rieche förmlich, wenn irgendwo in einem Schopf eine alte Nähmaschine stehe. Und jedes Mal sage er denselben Spruch: «Vielleicht finden wir hier eine ‹Hurtu l’abeille›.» Wenn die beiden in den Ferien sind, gehen sie systematisch jeder Brocante nach. Und dann erzählen die beiden eine weitere Geschichte. Ausgangspunkt ist einmal mehr Nachbarin Bürge. Sie hatte Schmied damals versprochen, dass ihre Nähmaschine nach ihrem Tod in seinen Besitz käme. Doch die Erben verhinderten das. Roni Schmied war traurig, denn er hing sehr an der Nähmaschine, die ihn mit seiner «Grossmutter» verband.
Viele Jahre später lernte er seinen jetzigen Partner kennen. Dessen Mutter führte ihn in ein Zimmer und zeigte ihm eine Nähmaschine, die sie ihm schenken wollte. «Ich traute meinen Augen nicht. Es war exakt das Modell meiner Nachbarin», erzählt der Sammler, und noch heute flackert ein Licht in seinen Augen auf, wenn er die Geschichte erzählt, wie die Pfaff Alpina auf wundersame Weise den Weg in sein Museum fand.
«Obwohl sie nichts Rares ist, habe ich die grösste emotionale Verbindung zu ihr.»
Veröffentlichung: 11. Dezember 2014 / Ausgabe 50/2014
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