Von Olivenbäumen und Australien


Daniel Leiser (52) testet ein «Schnecken-Didgeridoo» – er baut sie mit den Klientinnen und Klienten. Bild: Franziska Hidber
Daniel Leiser (52) testet ein «Schnecken-Didgeridoo» – er baut sie mit den Klientinnen und Klienten. Bild: Franziska Hidber
«Ich bin ein Olivenbaum», sagt Daniel Leiser. Damit meint er das keltische Baumhoroskop und seinen Geburtstag am 23. September, nahe der Tag-Nacht-Gleiche. Aber nicht nur. Den Vergleich mit einem Baum findet er überaus passend für sich. Allerdings wäre er dann eher eine Eibe, weil Olivenbäume hier am Bodensee kaum Wurzeln schlagen, Leiser jedoch schon. Hier, das ist Tübach SG. Genauer: der Mühlhof, das Zentrum für Suchttherapie und Rehabilitation, wo der ausgebildete Schreiner und Sozialpädagoge seit 23 Jahren die Holzwerkstatt leitet. Verwurzelt mit der Region ist er viel länger: Im Nachbarort Horn steht sein Elternhaus, in dem er heute mit seiner Frau lebt. – «Wir sind über 25 Jahre zusammen.» Der bisher einzigen, aufflackernden Attacke von Reiselust hat er in jungen Jahren nachgegeben: Zuerst auf einem Trip durch Südamerika, dann in den zwei Jahren in Norditalien, wo er handwerklich tätig war. «Das genügt», sagt er und lacht. Schliesslich führt ihn die Arbeit heute fast täglich nach Australien: Hinter der Glasscheibe, die das Büro von der Werkstatt trennt, entstehen Didgeridoos. Die Blasinstrumente aus der Tradition der nordaustralischen Aborigines sind ein Markenzeichen des Mühlhofs, Leute aus der ganzen Schweiz kaufen die Unikate. Neben den klassischen Didgeridoos stellen die Klientinnen und Klienten auch «Schnecken-Didgeridoos» her – die spirale Form gibt ihnen den Namen. Leiser nimmt eines und spielt eine kurze Sequenz, die archaischen Töne erfüllen das Treppenhaus und schwingen lange nach: «Sie klingen wie die anderen», sagt er und erzählt, wie er sich als Junge so gar nicht mit der Blockflöte hatte anfreunden können und er es irgendwann vermisste, ein Instrument spielen zu können.
Zum Didgeridoo ist er aber nicht etwa übers Spielen gelangt, sondern in der Werkstatt einer anderen Institution, wo er als Vorbereitung für das berufsbegleitende Sozialpädagogik-Studium Erfahrungen im sozialen Bereich sammelte. Der 52-Jährige hat diese Idee damals in den Mühlhof importiert, kurz nach seinem Stellenantritt. «Hier stimmte alles von Anfang an für mich», erinnert er sich, «besonders die Wertschätzung mir und meiner Arbeit gegenüber.» Nur etwas störte ihn: «In der Werkstatt wurden bis dato Holztiere gefertigt. Ich konnte mir nicht vorstellen, jahrelang ‹Tierli› zu schreinern.» Und so wurde die Holzwerkstatt alsbald zur Didgeridoo-Werkstatt. Einen Vorteil betont der Ostschweizer besonders: «Die vielen unterschiedlichen Arbeitsschritte bieten selbst Profis noch eine Herausforderung.» Denn unter den Klientinnen und Klienten seien auch immer wieder Leute mit einer Schreinerausbildung. Die meisten Instrumente werden aus Klotzbrettern hergestellt, manche aus naturgewachsenen Stämmchen. «Dort müssen wir den exakten Trocknungsgrad erwischen und dann zügig vorwärtsmachen. Bei den Klotzbrettern sind wir flexibler in der Zeitplanung.»
Am liebsten geht der Werkstattleiter mit den Klienten hinaus und schaut mit ihnen die Bäume in der Region an, die als Holzlieferant infrage kommen. «Bei mir lernen sie in einem halben Jahr mehr verschiedene Holzarten kennen als in jeder Schreinerei», sagt er.
Apropos: Ein Didgeridoo aus Olivenholz hat es bisher nicht gegeben. Und damit sind wir wieder bei den einheimischen Bäumen. Denn mit ihnen fühlt sich Leiser verwandt: «Ich stehe hier fest an meinem Platz am Bodensee, bei Sonne, Regen und Sturm – kein Tag ist wie der andere.» Und manchmal frischt der Wind auf und verbreitet archaische Klänge.
«Die vielen unterschiedlichen Arbeitsschritte bieten selbst Profis noch eine Herausforderung.»
Veröffentlichung: 17. Juni 2021 / Ausgabe 25/2021
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