Vom Instagram-Neuling zum Profi

Der ausgebildete Schreiner Joni Hedinger (30) gehört als professioneller Fotograf zum Kollektiv «The Alpinists». Bild: PD

Wäre Joni Hedinger vor sieben Jahren nicht auf die Fotoplattform Instagram gestossen, wäre er womöglich heute noch als Schreiner und Allrounder auf Baustellen zugange. Aber Konjunktiv beiseite: Der Ostschweizer hat die Plattform entdeckt, fand sie auf Anhieb «mega cool», richtete seinen eigenen Account ein und füllte ihn mit Fotos. Er lacht laut los, wenn er an seine ersten Bilder denkt: «Ich knipste mit dem Handy, gab den Fotos mit diversen Apps den letzten Schliff und verfasste recht ausschweifende Texte dazu.» Mit der Zeit wurden die Texte weniger, die Fotos mehr, Hedingers Anspruch höher – inspiriert von der Arbeit anderer Fotografen: «Besonders ihre Landschaftsbilder aus den Bergen hatten es mir angetan», schaut der 30-Jährige zurück. Das hatte zwei Dinge zur Folge: Erstens zog er selber immer häufiger in die Bergwelt, kraxelte auf Felsvorsprünge, streifte durch ab-gelegene Täler. Zweitens fand sich in seinem Gepäck nun «eine richtige Kamera», denn mit seinen Handyfotos würde er nie dorthin kommen, wo er hinwollte. Heute hat er seine eigenen Träume überholt. Seit 2018 ist Hedinger selbstständig als Fotograf und Filmemacher. Seinem Fokus ist er treu geblieben: ergreifende Berglandschaften, die er auf seinen Abenteuern in den Alpen festhält. Dazu kommen Werbekooperationen mit namhaften Marken und Tourismusorganisationen, Porträts und Hochzeitsfotos – aber ausschliesslich in der Natur und in «speziellen Locations».

Studiofotografie sei nicht sein Ding, sagt er. Zu Beginn seiner Selbstständigkeit war er noch freiberuflich als Schreiner tätig, doch dafür fehlt ihm längst die Zeit. Das hat auch mit dem Schweizer Fotografenkollektiv «The Alpinists» zu tun, dem er angehört. Zusammen mit zehn bergbegeisterten Freunden entzückt er auf Instagram rund 1,2 Millionen Follower mit spektakulären Ansichten, vorwiegend aus den Schweizer Bergen.

2020 publizierten sie ihr erstes Buch «Lost in the Alps», ein Gemeinschaftswerk: In Bild und Text stellen die jungen Alpencracks ihre Lieblingswanderungen vor. Bereits ist die sechste Auflage erschienen. Und nun haben sie sich in Rapperswil SG auch eine «Home Base» geschaffen – eine Loft, die sie eigenhändig umgebaut haben. Beim Umbau konnte Hedinger aus dem Vollen schöpfen. Überhaupt sieht er seine Schreinerlehre als «Grundlage fürs Leben. Was ich dort gelernt habe, kommt mir immer wieder zugute». Zurück möchte er nicht mehr, auch wenn er heute von Feierabend um 17 Uhr nur träumen kann. «Draussen sein, wandern, einzigartige Stimmungen erleben – und dieses Erlebnis mit meinen Fotos zu teilen», so beschreibt er seine Passion für die Naturfotografie. Mit seinen Fotos will er anderen etwas mitgeben: «Dass sie rausgehen in die Berge, statt vor dem Computer zu sitzen. Es gibt nichts Besseres, als nach einer Nacht im Zelt mit einem fantastischen Sonnenaufgang in den Tag zu starten.» Das Handwerk hat sich der Fotograf und Filmer autodidaktisch mit Youtube-Videos beigebracht. Seine Sujets finden sich oft vor der Haustür in Rapperswil, wo er mit seiner Frau wohnt. «Wenn es frisch geschneit hat, ist ein Spaziergang durch die Stadt wunderschön», schwärmt er. Und noch immer erklimmt er am liebsten den Speer, seinen Hausberg.

In den sieben Jahren hat sich seine Bildsprache verändert – weg von der Dramatik, hin zur Schlichtheit der blauen Stunde. «Blaue Schatten» heisst seine erste Einzelausstellung. Die Bilder sind noch bis zum 20. August in der Studiogalerie des Fotografen Patrick Lambertz in Lachen SZ zu sehen.

«Meine Schreinerlehre war die Grundlage fürs Leben. Was ich dort gelernt habe, kommt mir immer wieder zugute.»

Franziska Hidber

Veröffentlichung: 02. Juni 2022 / Ausgabe 22/2022

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