Unikate alla Vignola


Glänzende Intarsien auf schwungvollen Möbelchen sind die Leidenschaft des bald 80-jährigen Schreiners Raffaele Vignola. Bild: Beatrix Bächtold
Glänzende Intarsien auf schwungvollen Möbelchen sind die Leidenschaft des bald 80-jährigen Schreiners Raffaele Vignola. Bild: Beatrix Bächtold
Ist dieser bald 80-jährige Schreiner noch so fit, weil er jeden Tag zur Arbeit geht? Oder lässt ihn seine Arbeit nicht los, weil er noch zu fit ist? Eine Antwort ist fast unmöglich. Fest steht, dass Raffaele Vignola in seiner Art weit und breit wohl einmalig ist. Seit einem halben Jahrhundert geschätzter Mitarbeiter bei Schäfer Schreinerei AG in Dielsdorf ZH, steht er dort auch jetzt noch jeden Vormittag an der Hobelbank. «Ich arbeite mit einfachem Werkzeug und komme überall dort zum Einsatz, wo es individuelle Lösungen und Vorstellungsvermögen braucht», beschreibt er seine Mission. Dass der Pensionär aus Stadel ZH immer noch so aktiv im Erwerbsleben steht, liegt an seiner Leidenschaft für den Beruf und das Holz. So widmet er sich in seiner Freizeit der Herstellung von Intarsien. Dafür hält er im Betrieb immer die Augen offen für schöne Furnierreste. «Ich darf dieses Restholz mitnehmen. Nachhaltigkeit ist ja heute das Thema», sagt er. Mittlerweile verfügt er über ein gut sortiertes Furnierlager, das in einer grossen Schublade Platz findet: rötliches Rosenholz, Splint- und Kernholz von Kirsch- und Nussbaum, violettbrauner Palisander und vieles mehr. Im Laufe der Jahre hat Vignola zahlreiche filigrane Kunstmöbel entworfen, geschreinert und mit Intarsien verziert. Diese zierlichen, geschwungenen und symmetrischen Muster, poliert mit Schellack, machen aus jedem seiner Möbel ein einzigartiges Schmuckstück. In seinem Haus glänzen sie auf vier Etagen an jeder Ecke.
«Die Intarsienmöbel sind meine geliebten Kinder. Jedes hat seinen eigenen Charakter und jedes Jahr habe ich eines geboren», sagt er. Will er sie besuchen, flitzt er flink von Stufe zu Stufe. Die ovale Schatulle mit den Barockfüssen hat es ihm besonders angetan. «Ich habe sie auf die Hochzeit hin gemacht», sagt er. Mit Daumen und Zeigefinger dreht er den Schlüssel. «Klick», macht es, und der Deckel hebt sich. Der Inhalt dieses Kleinods aus Nussbaumholz ist für das Auge unsichtbar. Schaut man aber mit dem Herzen hinein, dann sieht man 200 Stunden Arbeit und manchen Tropfen Herzblut. Man spürt die glücklichen Zeiten, in denen die integrierte Spieluhr ihre Melodie ans Ohr Vignolas und seiner Gattin trug. Doch das ist lange vorbei. Der Schreiner senkt den Deckel, dreht den Schlüssel und atmet aus. Bevor er ins Grübeln gerät, geht er in seine Werkstatt im Keller. Auf der Hobelbank liegen Stechbeitel und ein Furniermesser. Die Messer sind scharf geschliffen, denn vor allem die Rundungen der Intarsienarbeiten müssen extrem genau coupiert werden. Da darf nichts reissen oder brechen. Auf Regalen stehen kleine Blechkanister mit Schellack, Kaltleim und Zwingen jeder Grösse. Raffaele Vignola hat als Italiener ein Auge für Schönes und kann stolz darauf sein. Die Kindheit verbrachte er in Solofra, einem Dorf in der Provinz Avellino in der Region Kampanien. Bei seinem Vater machte er die Schreinerlehre. Im Alter von 20 Jahren verliess er seine Heimat, weil der familiäre Betrieb zu klein war, um mehreren Menschen die Existenz zu sichern.
Inspirationen holt sich Vignola unter anderem bei Ausstellungsstücken in Schaufenstern nobler Geschäfte. Viele Ideen entstehen aber einfach in seinem Kopf. Mit Bleistift auf kariertem Papier hält er sie fest, verwirft alle Normen, ändert Proportionen und verleiht ihnen eine sinnvolle Form. Eine Heizung fehlt im Hobbyraum, doch mit italienischer Musik im Hintergrund wird es dem Schreiner bei seinem Hobby auch so schnell warm ums Herz.
«Die Intarsienmöbel sind meine geliebten Kinder. Jedes hat seinen eigenen Charakter und jedes Jahr habe ich eines geboren.»
Veröffentlichung: 12. November 2020 / Ausgabe 46/2020
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