Schnittstellen benötigen Koordination

Raumhohe Fensterelemente mit möglichst wenig sichtbarem Rahmen liegen absolut im Trend. Bild: FFF

Marktentwicklung.   In der Zukunft müssen im Bereich Fensterbau Fachbereichsgrenzen geöffnet werden. Ein Gespräch darüber mit dem Geschäftsleiter des Schweizerischen Fachverbandes Fenster- und Fassadenbranche zeigt laufende Veränderungen und Chancen auf.

Märkte verändern sich mit den technischen Möglichkeiten und den daraus entstehenden Ansprüchen. So haben die Verbesserungen aller Fensterkomponenten dazu geführt, dass sehr grosse Glaselemente mit filigranen Rahmen möglich sind. Das wiederum gibt dem Wunsch Vorschub, den Innenraum mit dem Aussenraum optisch zu verbinden. Der momentane Zeitgeist verlangt viel Transparenz. Als Teil der Gebäudehülle müssen bei Fenstern immer mehr Aspekte berücksichtigt werden, da Fenster in sehr verschiedenen Bereichen für Schutz und Sicherheit sorgen müssen.

Zwei starke, unterschiedliche Bereiche

Fenster gehören zu den Bauteilen, die immer komplexer in ihrem technischen Aufbau werden. Diese Technologie ist aber von aussen kaum ersichtlich. Vieles hat sich in den vergangenen Jahren im Bauwesen verändert, und die Verbesserungen haben wieder zu neuen Anforderungen geführt, weshalb die Schreinerzeitung von Markus Hobi wissen wollte, wie die Marktentwicklung in diesem Bereich aussieht. Markus Hobi ist der Geschäftsführer des Schweizerischen Fachverbandes Fenster- und Fassadenbranche (FFF) mit Sitz in Dietikon ZH.

Er unterteilt das Thema gleich in die beiden Bereiche Neubau und Sanierungen. Obwohl schnell der Eindruck entsteht, dass überall Neubauten wie Pilze aus dem Boden schiessen, ist dieses Segment leicht rückläufig. Dagegen ist offenbar genug Geld und Wille vorhanden, um bestehende Bauten energetisch zu sanieren.

Der Blick über den eigenen Tellerrand

Bei Neubauten wird vorgegeben, welche Anforderungen die Fenster im Zusammenhang mit der restlichen Gebäudehülle erfüllen müssen. Dazu kommt noch, dass man zwischen Grossprojekten, gewerblichen Projekten und Einzelprojekten unterscheiden muss. Hier sind die Anforderungen an Anzahl Fenster, Standardisierung, Rahmenmaterial und Beratung unterschiedlich. Sanierungsbauten sind alleine dadurch interessant, weil die Aufträge gerne in der Region vergeben werden und eine individuelle Kundenberatung eine grosse Rolle spielt. «Es ist sehr wichtig,» sagt Hobi, «dass bei einer Beratung von der ganzen Gebäudehülle gesprochen wird. Der Fensterbauer muss dabei auch über den eigenen Tellerrand schauen. Es kann sonst später zu Schäden kommen, weil beispielsweise die Dichtheit neuer Fenster andere Verhältnisse schafft.» So wird nicht nur die ganze Lüftungsthematik wichtiger, sondern manche Dinge müssen bewusst angepasst werden. Beispielsweise kann die bessere Dichtheit der Fenster zu Problemen beim Dampfabzug in der Küche oder beim Cheminée führen. Ähnlich sieht das auch mit den veränderten Isolationswerten aus, weil sich auf schlechter isolierten Aussenwänden zuerst Kondenswasser niederschlagen kann.

Entscheidungshilfen sind wichtig

Um aufzuzeigen, inwiefern neue Komponenten die Parameter in einem bestehenden Gebäude verändern, wurden spezielle Computerprogramme geschaffen. So bietet etwa das Analyseprogramm «Evalo» vom gleichnamigen Verein aus Schaffhausen ein solches Berechnungsmodell für Haussanierungen an. Es lässt sich von Fensterbauern und von Bauherren nutzen. Der FFF ist Kooperationspartner von Evalo und bringt sich aktiv in die Weiterentwicklung ein. Das zeigt die Wichtigkeit der Thematik. Das Analyseprogramm kann dann bei der Beratung zu Hilfe genommen werden. Somit lässt sich aufzeigen, welche baulichen Massnahmen welchen Nutzen bringen können und welche Handwerker noch dazugezogen werden müssen.

Es braucht einen Wissensabgleich

Die Entwicklung im Bau und speziell bei den Fenstern führt laut Hobi dazu, dass sich verschiedene Berufszweige besser absprechen und Grundlagen für ihre Verbandsmitglieder erarbeiten müssen. Nur so können saubere Arbeiten gewährleistet und Mängel sowie Bauschäden vermieden werden. Anschlussdetails, beispielsweise von Gipserarbeiten oder die ganze Lüftungs- sowie Beschattungsthematik, müssen zusammenhängend den neuen Normen und Anforderungen entsprechen und unter den Handwerksbereichen abgeglichen werden. Die Praxis zeigt, dass bei der Fensterplanung kaum Gedanken zur Beschattung gemacht werden. Eine spätere Befestigung von Rollladenkästen oder die Durchgänge für die Kurbelwellen führen womöglich zu invasiven Eingriffen in die Gebäudehülle. Es hat sich gezeigt, dass da noch viel Arbeit auf die einzelnen Verbände wartet, damit sich Ungereimtheiten nicht mehr erst auf der Baustelle zeigen und die sowieso schon geringe Marge verkleinern. Mit einem gemeinsamen Wissensstand liessen sich allenfalls auch Entwicklungen anstossen, die verschiedenen Handwerkern nützten.

Höheres, spezifisches Fachwissen

Die Schnittstellen zwischen den Berufszweigen führen dazu, dass die Fensterbauer bei der Planung und Umsetzung vermehrt umsichtig vorgehen müssen. Sie müssen mehr Wert auf eine gute Koordination legen, damit die Aufträge den Anforderungen entsprechend ausgeführt werden können. Das bedingt vertiefte Kenntnisse bei der Auftragsabwicklung, die von den Fachkreisen erst aufgebaut werden müssen.

Dank einer engen Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule in Biel gelangt der Verband an das technisch notwendige Ingenieurwissen.

Auch im Sanierungsfall werden vermehrt grosse, raumhohe Fenster gewünscht. Da empfiehlt es sich für Fensterbauer allein schon wegen der hohen Gewichte, bei Bedarf einen Baustatiker hinzuzuziehen. Denn für die erforderlichen Berechnungen ist spezifisches Fachwissen unabdingbar.

Verhinderung von Bauschäden

Ein weiteres Thema beschäftigt die Fensterbauer und somit auch den FFF schon lange und soll nun aktiv angegangen werden. Da Fenster im Rohbau eingebaut werden müssen, sind sie im Bauverlauf immer wieder höherer Feuchtigkeit ausgesetzt, was bei fehlender oder falscher Lüftung zu Schäden führen kann. Markus Hobi weist darauf hin, dass es bis zu den jeweiligen Bauabnahmen der fertiggestellten Fenster durchaus mehrere Wochen oder sogar Monate dauern kann und die Schuld für die entstandenen Schäden oftmals dem Fensterbauer zugeschoben wird.

Neue technische Geräte machen es nun möglich, solche Feuchteschäden zu überwachen und bei Bedarf einzugreifen. Ab diesem Herbst wird es für die Hersteller einen Sensor geben, der an neuralgischen Stellen, wo Fenster montiert wurden, positioniert werden kann und Feuchtemessdaten direkt an den Firmencomputer schickt. Wird der Grenzwert überschritten, gibt es eine Alarmmeldung, und der Fensterbauer kann den Bauherren oder den Verantwortlichen darauf hinweisen, dass gelüftet werden muss. Da so zudem der ganze Verlauf bezüglich Feuchtigkeit aufgezeichnet wird, können die erfassten Daten bei einem allfälligen Schadensgespräch auch später noch genutzt werden.

Geprüfter Brand- und Einbruchschutz

Ein Markt bleibt niemals gleich, denn alles entwickelt und verändert sich. Mittlerweile kann in Ortschaften mit weniger Abstand gebaut werden, und somit wird der Brandschutz auch bei Fenstern ein wichtiges Thema. Laut Hobi verlangen verschiedene kantonale Vorschriften Brandschutzfenster, weshalb der FFF diese neu auch aus Fichte als Lizenzprodukt entwickelt und getestet hat.

Beim Blick in die Zukunft sieht Markus Hobi unter anderem die weitere Verbesserung im Bereich Einbruchschutz. Das Sicherheitsbedürfnis steigt, und schon bald könnte für untere Stockwerke von Gebäuden statt RC2 vermehrt die Widerstandsklasse RC3 gefordert werden.

Dem Geschäftsleiter des FFF ist aber etwas auch noch sehr wichtig: Obwohl Fenster Hightech-Produkte sind, werden sie kaum als solche wahrgenommen. Entsprechend hat es durchaus Potenzial, um hier das Image der Fenster in ein besseres Licht zu rücken. Eine der Massnahmen ist die Leistungsshow «Fenster» an der Messe «Holz 25», in der die Branche im nächsten Jahr zeigen wird, was hinter Fenstern steckt.

www.fff.chwww.evalo.ch

Andreas Brinkmann

Veröffentlichung: 04. Juli 2024 / Ausgabe 27-28/2024

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