Noch keine Überflieger zu sehen

Entspricht noch selten der Realität: Bislang finden Drohnen zur Inspektion von Glasfassaden kaum Einsatz. Bild: Wir0man (iStock)

Einsatz von Drohnen.  Drohnen liefern immer öfter gestochen scharfe Bilder von Stellen, die man sonst nur schwerlich erreicht. Von Architekten und Ingenieuren für hochwertige Ergebnisse schon oft eingesetzt, stellt sich die Situation für das Handwerk äusserst differenziert dar.

Drohnen am Himmel begeistern. Zumindest die einen. So manch anderen überkommt dagegen ein unangenehmes Gefühl beim Anblick der unbemannten Flugobjekte. Keine Frage: Die Geräte haben Spaltpotenzial. In Tenero-Contra TI schoss vor wenigen Tagen ein Mann mit seinem Gewehr kurzerhand auf eine Drohne. Dabei wurde die Kamera beschädigt, die Community ist entsetzt. Der Oberstaatsanwalt ermittelt in der Sache. Der «Pilot» war für einen bewilligten Vermessungsflug vor Ort, schreibt er im Online-Forum des Schweizerischen Verbandes Ziviler Drohnen, kurz SVZD, in Bern. Unter dem Strich jedoch sind die Schweizer begeistert von den Möglichkeiten, die Drohnen bieten. Beim kürzlich abgehaltenen Drohnenkongress an der ETH in Zürich sagte Bundesrätin Doris Leuthard: «Die Schweiz nimmt in Forschung und Entwicklung eine Pionierrolle ein.» Und tatsächlich gilt die Schweiz dank pragmatischer Regulierung des Bundes, innovativen Köpfen bei den Forschungsstellen und einer guten Vernetzung heute in der Drohnentechnologie als führend.

Für manche vor allem ein Hobby mit Spassfaktor, haben sich die Flugobjekte längst zu einem Innovations- und damit Wirtschaftsfaktor entwickelt. Derzeit sollen hierzulande über 80 Unternehmen mit über 2500 Arbeitsplätzen in diesem Bereich tätig sein. Nicht von ungefähr kommt es, dass die Schweizer Post in Lugano TI seit 2017 den weltweit ersten Lieferdienst für kommerzielle Kunden anbietet. Dabei geht es um den Transport von Laborproben. Ein zweites Projekt dieser Art läuft auch in Bern.

Pragmatische Regeln

«Drohnen sind ferngesteuerte, meist kleinere Fluggeräte. Sie sind rechtlich den Flugmodellen gleichgestellt», schreibt das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) auf seiner Website. Bis zu einem Gewicht von 30 Kilogramm dürften Drohnen grundsätzlich ohne Bewilligung eingesetzt werden. Voraussetzung sei allerdings, dass der «Pilot» jederzeit Sichtkontakt zu seiner Drohne habe. Zudem dürften keine Drohnen über Menschenansammlungen betrieben werden. Auf der BAZL-Website finden sich ausserdem Hilfestellungen für das, was man mit einer Drohne darf, und Hinweise darauf, was man nicht darf. Zudem gibt es eine interaktive Karte der Schweiz, aus der man schnell ersehen kann, in welchen Bereichen es unter Umständen eine Sondergenehmigung für einen Drohnenflug braucht.

Für die Anwendung zu Inspektionszwecken bei Bauten und auf Baustellen ist dabei die Bestimmung relevant, dass die Distanz zu einer Menschenmenge mindestens 100 m betragen muss. Eine «Menschenmenge» liegt dabei schon ab 24 Personen vor, was die Anwendung in innerstädtischen Bereichen deutlich einschränken kann. Dann braucht es für einen Flug eine Genehmigung.

Drohnen als Lastenträger

Abgesehen von militärischen und privaten Anwendungen steigt die Nachfrage nach professionell einsetzbaren Drohnen seit Jahren. Vor allem in Bereichen von Überwachung und Inspektion bieten sich viele Einsatzmöglichkeiten an. Neben der Überprüfung von Bauten und technischer Anlagen auch in der Land- und Forstwirtschaft, zu Vermessungszwecken sowie für Anwendungen in der Medien- und Unterhaltungsbranche. Allen gemein ist, dass es dabei um Aufnahmen mittels hochauflösender Kameras geht, um daraus nutzvolle Informationen zu gewinnen. Derzeit hat also nur der Lieferdienst der Post wirklich handfeste Aufgaben, während es sonst bislang stets um Erkenntnisse und Daten, sprich Bilder und Filme mit den fliegenden Kameras, geht. Aber es dürfte nicht mehr lange dauern, bis auch grössere Drohnen als Lastenträger ihren Einsatz finden. An der ETH Zürich experimentiert man damit. Drohnen stapeln Steine übereinander und bringen Seile an schwer zugängliche Stellen. Die Euphorie ist gross und die Chancen für eine führende Rolle in der Welt mit zivilen Drohnen stehen gut, auch weil in den USA eine kommerzielle Anwendung von Drohnen bislang nicht erlaubt ist.

Inspektoren aus der Luft

Drohnen werden im Bauwesen vor allem dazu eingesetzt, an schwer zugänglichen Stellen ein genaues Bild der Situation und möglicher Schadstellen zu erhalten. Das können Auflager von Brücken sein, Dächer und Photovoltaikanlagen, Hochspannungsmasten oder auch das Innere von Industrieanlagen.

Die Vorteile eines solchen Vorgehens liegen auf der Hand. Ohne den aufwendigen Einsatz von Hilfsmitteln wie Gerüsten, Hubwagen, sogenannten Skyworkern oder gar Industriekletterern erhält man ein ziemlich genaues Bild der Situation am Bau. Je grösser der Aufwand für den Einsatz von herkömmlichen Verfahren ist, desto interessanter wird der Flug einer Drohne. Bei der Inspektion von Glasfassaden, der Überprüfung von Dichtungsfugen und Bauanschlüssen kommen die fliegenden Kameras laut Anbietern solcher Dienstleistungen aber noch kaum zum Einsatz. Das bestätigt auch Josef Knill, Geschäftsführer und Eigentümer der Fensterinform GmbH in Siegershausen TG und Co-Präsident des Fachverbands Fenster- und Fassadenbranche: «In der Branche wird dieses Verfahren bislang nicht nachgefragt.» Einen Grund sieht Knill darin, dass die herkömmlichen Mittel wie der Einsatz von Skyworkern oder die Nutzung von Dachkränen in der Branche etabliert sind. Einen weiteren Zusammenhang sieht der Fachmann auch im Bereich der Unterhaltsverträge von Glasfassaden. Diese würden in der Praxis deutlich weniger häufig abgeschlossen, als es gewünscht und eigentlich auch erforderlich ist.

Thermografie und Modelle

Dabei sind die Möglichkeiten gross. Neben der Schadanalyse und Unterhaltskontrollen lassen sich Drohnen mit Wärmebildkameras bestücken und so auch an Hochhäusern brauchbare Thermografie-Aufnahmen erstellen. Inzwischen gibt es sogar Drohnen, die beide Kameratypen an Bord haben.

Architekten und Ingenieure nutzen Drohnen auch als fliegende Vermessungswerkzeuge. Nach dem herkömmlichen Einmessen von Referenzpunkten lassen sich so mit den Drohnenaufnahmen Visualisierungen, 3D-Modelle und orthogonale Fassadenaufnahmen oder Aufsichten erstellen. Auch in der Denkmalpflege kommen solche Verfahren zum Einsatz, wenn etwa Ornamente und Figuren abgebildet werden sollen.

Werkzeug der Zukunft

Während die Möglichkeiten und Einsatzbereiche für den gewinnbringenden Flug von Drohnen weiter zunehmen, wird die Bedienung der Flugobjekte immer einfacher. Neben der simultanen Steuerung des Fluggerätes über das Kamerabild lassen sich die Geräte auch so programmieren, dass sie automatisiert einen sogenannten «Wegepunktflug» absolvieren. Dazu wird vorher am Tablet die Route des autonomen Fluges festgelegt. Der Drohnenentwickler Parrot, zu dem auch das Schweizer Unternehmen Sensefly gehört, verspricht sogar, dass man die Technik ohne vorherige Flugkenntnisse beherrschen kann.

Indessen weisen die einschlägigen Dienstleister für Drohnenflüge auf die komplexen Zusammenhänge hin, die man bei der Anwendung der Technik kennen müsse.

Bediener brauchen Erfahrung

Entsprechende Technik, Können und Wissen vorausgesetzt, lassen sich mit Drohnen auch wenige Millimeter grosse Schadstellen an einer Gebäudehülle entdecken. Die Rahmenbedingungen für eine korrekte Durchführung von Flügen sind in der Schweiz überschaubar. Wer auf die Technik setzen möchte, steht vor der Frage: Eine Drohne kaufen und selbst agieren, ein Gerät mieten oder besser einen entsprechenden Dienstleister in Anspruch nehmen?

Letztere gibt es inzwischen zahlreich in der Schweiz, und dafür gibt es gute Argumente. Denn mit der Planung der Massnahme geht die Abstimmung im Umfeld einher. Eventuell braucht es eine behördliche Genehmigung, Anwohner und Anlieger sollten informiert sein, das Wetter und die Lichtbedingungen müssen berücksichtigt werden, um den gewünschten Erfolg erzielen zu können. Dazu gehören auch Sicherheitsvorkehrungen und Absperrungen, die notwendig sein können. Was viele vergessen beim Thema: Die Kamera ist nur so gut, wie der «Pilot» sein Handwerk beherrscht. Gerade bei Glasfassaden mit Lichtspiegelungen braucht es den versierten Fotografen. Sollen wirklichkeitsgetreue 3D-Modelle, Orthofotos und Vermessungsarbeiten entstehen, kann man auf die Arbeit der Experten ohnehin nicht verzichten.

Kaufen oder mieten

Sollen eine Situation erkundet und ein möglicher Schaden eingeschätzt werden, kann eine Drohne durchaus selbst bedient werden. Die Hersteller bieten oft Komplettpakete an, neben der Drohne und dem Zubehör enthalten sie entsprechende Software und eine geeignete Kamera. Die Geräte liefern ohne Weiteres eine Auflösung von 12 Megapixeln und einen 4K-Standard. Dafür sind gut 1000 Franken zu investieren, etwa bei einem Modell von Parrot. Ein Betrag, der sowohl bei einer Gerätemiete und vor allem beim Einsatz eines Dienstleisters schnell erreicht ist. Auch hier gilt: Je komplexer die Aufgabe und je höher der Anspruch an das Ergebnis, desto eher muss man den Profi hinzuziehen.

Für eine einfache Inspektion, etwa einer Dachrinne, setzen Dachdecker schon öfter Drohnen ein. Am Tablet sieht der Handwerker vor Ort ohne den aufwendigen Einsatz von herkömmlichen Hilfsmitteln sofort, ob der Wasserabfluss funktioniert oder eine Massnahme wie Reinigung oder Reparatur nötig ist. Nicht auszudenken, wenn die Drohne noch löten könnte oder zumindest einen Besen an Bord hätte!

www.drohnenverband.chwww.bazl.admin.chwww.eagle-eye-multicopter.chwww.sensefly.comwww.parrot.comwww.flyability.com

ch

Veröffentlichung: 23. August 2018 / Ausgabe 34/2018

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