Möbel für Leichen und Jugendliche

Kurt Häfliger (71) bei der Arbeit in Thailand. Schüler Natham hilft tätkräftig mit.

Kurt Häfliger sitzt am Esstisch in seinem Haus im aargauischen Windisch und erzählt aus seinem Leben, von seinen Reisen und Abenteuern. 1945 in eine Schreinerfamilie geboren, war Häfliger schon früh unterwegs. Nach der Lehre zog es den Jungschreiner nach Österreich, um als eine Art Allrounder in einem Ferienheim zu arbeiten. Sein nächster Halt war Schweden: Zwei Jahre lebte und lernte er dort, in einem Austauschprogramm, und sammelte in der Modellschreinerei eines Stahlpresswerks Arbeitserfahrungen. Schwedisch spreche er zwar noch, allerdings nicht mehr so gut, sagt er. «Aber verhungern würde ich dort sicher nicht.» Mit 30 Jahren absolvierte er die Meisterprüfung, blieb aber noch für zehn weitere Jahre angestellt. Bis 1985, als Häfliger den Schritt in die Selbstständigkeit wagte und seine eigene Schreinerei in Windisch aufbaute. «Es ist nicht jedem gegeben, sich selbstständig zu machen», sagt er. «Das Wissen ist eins, der Umgang mit den Kunden etwas anderes. Und als Selbstständiger hat man keinen Feierabend, wenn man am Ball bleiben will.» Gross spezialisiert habe er sich nicht, habe «alles Mögliche gemacht», wie er sagt, unter anderem sogenannte Katafalke. Kühlmöbel für Leichen. Gut 250 Stück hat er mit seinen insgesamt 15 Lernenden in der ganzen Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein geliefert und montiert. Für den Christen keine grosse Sache, «schliesslich gehört der Tod zum Leben dazu».

Irgendwann in dieser Zeit trat der Missionar Erwin Gröbli in sein Leben – die beiden lernten sich in der Kirchgemeinde kennen – und weckte Häfligers Faszination für Thailand. Gröbli hatte in Chedi Luang im Norden Thailands ein Hilfsprojekt ins Leben gerufen: Jugendliche aus den Bergen, vom Stamm der Lahu, gehen dank der Initiative der Missionare im Flachland zur Schule und wohnen in der Missionsstation. Mittlerweile sind es 50 Schülerinnen und Schüler.

Häfliger wollte helfen, wollte mit anpacken, wollte nach Thailand reisen und seine Fähigkeiten als Schreiner ins Projekt einbringen. Seine Verpflichtungen im Geschäft verunmöglichten längere Auslandsaufenthalte vorerst. «Ich konnte nicht für längere Zeit vom Geschäft weg sein, schliesslich hatte ich auch Lernende zu betreuen. Als die Nachfolge im Geschäft dann aber geregelt war, konnte ich endlich auch mal für ein paar Wochen nach Thailand reisen.» 2016 war er dreimal dort; der nächste Besuch, im Januar 2017, ist bereits beschlossene Sache. «In Thailand wartet ein Haufen Holz auf mich.» Denn: Seit seinem ersten Besuch ist er daran, Betten, Schränke und Tische für die Unterkünfte der Knaben- und Mädchen zu schreinern. «Ganz einfach, mit einem alten Küchentisch als Werkbank.» War er bei seinen vergangenen Besuchen lediglich mit ein paar mitgebrachten Werkzeugen ausgestattet, hat er für den nächsten Aufenthalt per Schiff ein Palett losgeschickt – mit Beschlägen, Werkzeugen und weiterem Material. Das Holz, das er für die Möbel braucht, konnte er über Beziehungen vor Ort einkaufen, bereits gehobelt und abgelängt. Etwas krumm sei es und nicht immer exakt zugeschnitten, sagt er und lächelt. Trotz gewisser Hürden erfüllt ihn die Arbeit in Thailand, der kulturelle Austausch bereichert ihn. Auch wenn stets ein Dolmetscher dabei sein muss, weil Kurt Häfliger kein Thai spricht. Das erschwere es auch, den Leuten das Handwerk beizubringen. Er beherrsche zwar ein paar Brocken, aber Schwedisch zu lernen, sei damals doch deutlich einfacher gewesen. Damals, vor bald 50 Jahren.

«Es ist nicht jedem gegeben, sich selbstständig zu machen. Wenn man als Selbstständiger am Ball bleiben will, dann gibt es keinen Feierabend.»

AR

Veröffentlichung: 08. Dezember 2016 / Ausgabe 49/2016

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