Mit Hühnerhaut zur Siegerehrung
Die Silbermedaille in der Kategorie «Möbelschreiner» bedeutet Elmar Wyrsch sehr viel. Bild: Stefan Wermuth (Swiss Skills)
Die Silbermedaille in der Kategorie «Möbelschreiner» bedeutet Elmar Wyrsch sehr viel. Bild: Stefan Wermuth (Swiss Skills)
Lyon 2024. Erfolgreiche Berufsweltmeisterschaften für die Schweizer Schreiner: Elmar Wyrsch holt bei den Möbelschreinern die Silbermedaille. Loïc Santschi zeigt in der Kategorie Massivholz ebenfalls eine starke Leistung und verpasst das Podest als Fünfter knapp.
In dem Moment, als Elmar Wyrsch realisierte, dass er an den World Skills in Lyon (F) zur Medaillenvergabe der Möbelschreiner nach vorne darf, lief es ihm kalt den Rücken runter. «Nach dem Wettkampf war ich mit meinem Möbel nicht ganz zufrieden und habe nicht mit einer Medaille gerechnet», sagt der 20-jährige Urner. «Dass es dennoch geklappt hat, ist umso schöner.» Er teilt sich mit 740 Punkten den zweiten Platz auf dem Podest mit Paul Dejeux aus Frankreich (742 Zähler) und Jing Jia (741) aus China. Den Weltmeistertitel sichert sich Yun-Rong Tsai mit 750 Punkten aus Taiwan. Bei den Möbelschreinern sind 22 junge Männer angetreten.
Die Aufgabe war ein Korpus mit Frontklappe, einem Untergestell und zwei Schubladen. Von den Teilnehmern wurden unter anderem ein Furnierbild, verschiedene Zapfen-, Lamello- und Dübelverbindungen gefordert sowie Zinkenverbindungen bei den Schubladen. Hier kamen auch zwei verschiedene Auszugssysteme zum Einsatz. Während die obere Schublade am Ende auf metallenen Auszügen lief, war die untere klassisch mit Laufleisten ausgeführt.
Wyrsch konnte sich während des Wettkampfs über grosse Unterstützung freuen. Die Urner Fahne war nicht zu übersehen. Nicht nur seine Familie und Freunde, sondern zum Beispiel auch Vorgesetzte und Gspänli seines ehemaligen Lehrbetriebs (Mengelt und Gilser AG aus Flüelen UR) waren anwesend und lautstark zu hören. Über die vielen Fans hat sich der WM-Teilnehmer gefreut. «Während des Wettkampfs konnte ich die Fans recht gut ausblenden und liess mich nicht ablenken. Nach den Schlussminuten unter dem ohrenbetäubenden Anfeuern der Zuschauerinnen und Zuschauer war es für mich ein toller Moment.» Der ganze Druck sei von ihm abgefallen, und alle Emotionen kamen hoch. «Es ist sehr, sehr schön, dass es für einen Podestplatz gereicht hat», sagt Tobias Hugentobler, der Schweizer Chefexperte für die Möbelschreiner, erfreut. Er hat Wyrsch in den letzten Monaten in seinem Betrieb in Braunau TG betreut und trainiert. Diesmal sei das Glück auf der Seite der Schweizer gewesen. Nicht wie vor zwei Jahren an der WM in Basel, wo Brian Thomi hauchdünn am Podest vorbeischrammte.
Wyrsch sei sehr gut in den viertägigen Wettkampf gestartet, berichtet der Experte. Der dritte Tag sei jedoch nicht ideal verlaufen. Der Urner habe einige Anlaufschwierigkeiten bekundet und in der Folge ein paar Fehler begangen. Er hat natürlich versucht, seinen Schützling wieder aufzubauen. «Elmar konnte sich fangen und hat am letzten Tag wieder fokussiert gearbeitet und fertig gemacht.» Das Möbel hat keiner der Teilnehmer ganz vollendet. Keines könne man so verkaufen, meint Hugentobler. «Die Aufgabe war eigentlich nicht sehr schwierig, zeitlich gesehen aber sehr knapp am Limit bemessen.»
Der Abschluss sei mehr ein Rennen gewesen als ein Wettbewerb. Er habe deswegen nicht mit einer Medaille gerechnet, sondern mit einer Rangierung zwischen dem vierten und sechsten Platz, sagt Hugentobler. «Dass es nun für Silber gereicht hat, ist super. Besser ging es nicht. Wir haben viel für diesen Erfolg getan und haben ihn verdient.» Unter den Expertinnen und Experten habe während des Wettkampfs und Jurierens eine sehr angenehme und faire Stimmung geherrscht. «Es war super, so wie es sein sollte», sagt Hugentobler.
In der Kategorie «Massivholz» ist Loïc Santschi gut mit der Aufgabe zurechtgekommen und konnte das Objekt als einer von wenigen fertigstellen. Aufs Podest hat es der 21-Jährige aus La Chaux-de-Fonds aber knapp nicht geschafft. Er wurde Fünfter mit 721 Punkten. Die Medaillen gingen an Bolin Huang aus China (Gold/746 Punkte), Felix Wilhelm aus Deutschland (Silber/732) und Harry Scolding aus Grossbritannien (auch Silber/731).
Bei den Massivholzschreinern waren 19 Wettkämpfer dabei. Das zu fertigende Objekt bestand aus zwei Modulen: einer Tür inklusive Rahmen. Gestartet haben die Kandidaten mit der Tür. Als Allererstes musste ein 1:1-Aufriss erstellt werden, damit die einzelnen Werkstücke überhaupt angerissen werden konnten. Die Knacknuss lag besonders bei den Mittelfriesen. Davon fanden sich nämlich gleich drei in der Konstruktion der Tür, wobei alle in einem anderen Winkel angeordnet waren. In die dadurch entstandenen vier Zwischenräume mussten drei Füllungen eingepasst werden. Ein Zwischenraum blieb als Öffnung in der Tür frei. Die Form dieser Öffnung wurde über einen Rundbogen definiert, der über alle drei Mittelfriese läuft. Bei den Eckverbindungen der Rahmenfriesen waren Doppelzapfen gefragt, wobei auch hier verschiedene Winkel die Aufgabe erschwerten.
«Der Wettbewerb verlief insgesamt gut. Natürlich gab es einige unvorhergesehene Probleme, aber ich konnte das Projekt rechtzeitig beenden», bilanziert Loïc Santschi. «Ich bin zufrieden mit dem, was ich gemacht habe. Ich bin ein wenig enttäuscht, dass ich nicht in den Genuss einer Medaille gekommen bin. Aber ich weiss, dass ich mein Bestes gegeben habe.» Er verlasse Lyon mit einem sehr positiven Gefühl über die World-Skills-Erfahrung und nehme viele Erkenntnisse mit nach Hause.
Roger Huwyler, der Schweizer Chefexperte Massivholz aus Bex VD, ist mit der Leistung seines Schützlings sehr zufrieden. «Die Aufgabe war anspruchsvoll. Die Zeit hatte Loïc super im Griff. Seine Tür mit Rahmen war diejenige von allen, die am weitesten fertiggestellt war.» Den Rahmen habe der Neuenburger sehr sauber produziert. Bei der Tür gebe es hingegen einige Ungenauigkeiten. Wahrscheinlich habe Santschi einige Punkte bei den Verbindungen verloren, vermutet Huwyler. Der Massivholzschreiner war vor und während des Wettkampf stets ruhig, fokussiert und hat volle Power gegeben. «Ich bin sehr zufrieden mit seiner Leistung. Er hat es gut gemacht und alles gegeben. Zudem ist er einfach ein toller Typ», lobt Huwyler.
Für Huwyler war es ein besonderer Wettkampf, denn nach seiner insgesamt zwölften WM gibt er sein Amt ab. «Am letzten Tag hat mir der Skill Manager einen tollen letzten Einsatz gewünscht, da wurde ich von meinen Emotionen übermannt», erzählt er. «Nach dem Wettkampf wurde ich sogar noch geehrt, was mich sehr gefreut hat.» Er sei sogar so emotional gewesen, dass er nicht in der Lage war, dem Schweizer Fernsehen ein Interview zu geben und kein Wort herausbrachte. «Es war eine super Zeit mit den jungen Leuten und den Meisterschaften. Daran werde ich mich gerne erinnern.»
www.vssm.chwww.swiss-skills.chwww.worldskills2024.com
Einmal mehr brillierten die Schweizer Berufstalente an den World Skills und unterstrichen dabei die Exzellenz des einheimischen Berufsbildungssystems im internationalen Vergleich, wie die Stiftung Swiss Skills mitteilt. Das 45-köpfige Swiss National Team war in 41 Wettkämpfen angetreten und gewann dabei 15 Medaillen: sieben goldene, sieben silberne sowie eine bronzene. Darüber hinaus gab es 21 «Medaillons for Excellence», das sind acht Diplome mehr als an den World Skills 2019 in Kazan. Damit ist die Schweiz in Lyon hinter China und Südkorea «Top 3 of World» und «Best Nation of Europe». Die Schweiz erreicht damit eine ähnlich gute Ausbeute wie bei der letzten Berufs-WM. Das Team um Edward Booth und Philippe Dourassov (Skill Cyber Security) wurde zudem mit dem Preis «Best of Nation» für die höchste Punktzahl ausgezeichnet.
Der Technische Delegierte, Martin Erlacher, zeigt sich zufrieden: «Ich bin unglaublich stolz auf unsere 45 Wettkämpferinnen und Wettkämpfer. Sie haben auf eindrückliche Art und Weise gezeigt, was in ihnen steckt, und die Schweizer Berufsbildung ins allerbeste Licht gerückt.»
NDO
Veröffentlichung: 19. September 2024 / Ausgabe 38/2024
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mehrPaidPost. Mit der Weiterbildung zur Diplomierten Technikerin HF haben sich für Monika Keller neue Chancen aufgetan. Ihr Wissen bringt sie als Projektleiterin bei der Pendt AG ebenso weiter wie bei ihrem Teilzeitpensum als Berufsschullehrerin.
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