Jetzt gilt es, das Trainierte an der WM abzurufen

Der Urner Elmar Wyrsch tritt an den World Skills in Lyon für die Schweiz in der Kategorie «Möbelschreiner» an. Bild: Nicole D’Orazio

Nach monatelangen Vorbereitungen steht für Elmar Wyrsch und Loïc Santschi nächste Woche endlich der Wettkampf auf der Agenda. Die zwei vertreten die Schweizer Schreiner an den WorldSkills im französischen Lyon.

Langsam steigt die Nervosität. Nächste Woche starten in Lyon (F) die WorldSkills. Vom 10. bis 15. September kämpfen junge Erwachsene, die maximal 22 Jahre alt sind, um Punkte und Medaillen. Rund 1400 Wettkämpferinnen und Wettkämpfer aus 65 Ländern treten in 59 Berufen an. Auch zwei Schweizer Schreiner nehmen teil: Elmar Wyrsch aus Attinghausen UR in der Kategorie «Möbelschreiner» (Englisch: Cabinetmaking) und Loïc Santschi aus La Chaux-de-Fonds in der Kategorie «Massivholz» (Joinery). Die beiden wissen seit den SwissSkills im September 2022, dass sie an der WM teilnehmen dürfen. Beide wurden Schweizer Meister in ihrer Kategorie.

Seit Februar dieses Jahres hat Wyrsch wie ein Profi für die World- Skills trainiert. Und zwar im Betrieb des Schweizer Möbelschreiner-Experten Tobias Hugentobler in Braunau TG, der ihn vor und während des Wettkampfs betreut. Im Sommer 2023 hatte der 20-Jährige den Berufsabschluss gemacht und dann als Übergang im Betrieb seines Vaters gearbeitet. «Ich freue mich, dass es nun endlich losgeht», sagt der Urner. «Es waren strenge Monate, und phasenweise musste ich etwas durchbeissen, um jeden Tag fokussiert zu sein.» Viel Zeit hat er damit verbracht, seine Werkzeugkiste optimal zu bestücken und anzuordnen, damit er alles griffbereit hat. «Ich durfte bei drei ehemaligen WM-Teilnehmenden deren Kisten anschauen und habe mir Tipps bei ihnen geholt. Der Austausch war sehr interessant.»

Nochmals die Basics trainiert

«Tobias hat mit mir zu Beginn des Trainings Basiswissen angeschaut wie zum Beispiel Schubladen, einfach viel detaillierter, als ich mir das gewohnt war», erzählt Wyrsch. «Dann haben wir meine Maschinen genau eingestellt.» Geübt hat er unter anderem auch das Furnieren oder das Zinken. «Natürlich habe ich auch verschiedene Möbel produziert.» Drei Testobjekte sind seit einigen Wochen bekannt. Diese bilden die Basis für das Aufgabenobjekt der WorldSkills. «Wie dieses genau aussehen wird, das weiss niemand. Es ist nur bekannt, dass es eine abgeänderte Form oder eine Kombination der drei Möbel sein wird. Also hat sich Tobias verschiedene Möglichkeiten ausgedacht, die ich dann ausgeführt habe.» Den genauen WM-Plan werden die Teilnehmenden am Vorbereitungstag erhalten und sich darauf einstellen können.

«Ich hoffe, dass das Aufgabenstück nicht zu einfach sein wird. Das spielt uns nicht in die Hände», sagt Tobias Hugentobler. Denn die Schweizer seien von der Ausbildung her in allen Bereichen stark. Dann gibt es Nationen wie Südkorea oder China, in denen die Vorbereitung der Kandidaten viel länger dauert und diese die bekannten Techniken und Hangriffe Tausende Male üben. In der Kategorie «Möbelschreiner» treten total 22 Kandidaten an.

Seine Werkzeugkiste hat der Urner Mitte August für den Transport nach Lyon abgeben müssen. Er hat seitdem mit wenigen Handwerkzeugen, die er im Koffer mitnimmt, noch an einigen Aufgaben trainiert. An der WM werden die meisten Kleinmaschinen zur Verfügung gestellt. Auch ein Maschinenpark mit Standardmaschinen wartet vor Ort auf die Teilnehmenden.

Sprachbarriere ist kein Hindernis

Derzeit weilen Wyrsch und Loïc Santschi mit dem Schweizer Nationalteam, das von der Organisation SwissSkills betreut wird, im Pre-Camp in Genf. Im Laufe des Jahres haben sich die 45 Schweizer Teilnehmenden – so viele wie noch nie zuvor – mehrmals getroffen, sich besser kennengelernt und zum Beispiel an ihren mentalen Fähigkeiten gearbeitet oder haben ein Medientraining erhalten. Am kommenden Samstag fahren dann alle nach Frankreich und haben Zeit, sich vor Ort zu akklimatisieren und für den Wettkampf einzurichten. Die beiden Schreiner werden sich in Lyon das Zimmer teilen. «Ich spreche kaum Französisch und Loïc kein Deutsch. Aber wir verständigen uns mit Händen und Füssen. Das klappt sehr gut und wir verstehen uns gut», erzählt Wyrsch und lacht. An der WM darf sich der Innerschweizer über eine grosse Fangemeinde freuen. Neben seiner Familie und seinen Freunden haben sich auch Vertreter seines Lehrbetriebs (Mengelt & Gisler AG, Flüelen UR) angekündigt. «Ich freue mich über die Unterstützung, will mich aber nicht ablenken lassen.»

Wenn die 22 Stunden Wettkampfzeit vorbei sind, möchte er in erster Linie mit seinem Möbel und seiner Leistung zufrieden sein. «Ich hoffe, meine volle Leistung und mein Können abrufen zu können. Zu welchem Ergebnis das reicht, sehen wir dann», sagt Wyrsch. Die hohe Erwartungshaltung der Schweizer Schreiner, die schon viele Erfolge feiern durften, verspürt er zwar etwas, kann aber damit umgehen. «Wir fahren nach Lyon, um etwas zu gewinnen», sagt auch Experte Tobias Hugentobler. «Das wird aber nicht einfach. Die Spitze ist breiter geworden. Zwischen 10 und 15 Länder mischen mittlerweile vorne mit. Nur schon ein kleiner Fehler kann den Spitzenplatz kosten.» Er sei sehr zufrieden mit seinem Schützling. «Wenn Elmar seine Leistung abrufen kann, ist alles möglich.»

Viel vom Experten gelernt

Seit April trainiert Loïc Santschi im Betrieb seines Experten Roger Huwyler in Bex VD. «Das Training ist positiv verlaufen, und ich verstehe mich mit Roger sehr gut. Er hat mir viel beigebracht», erzählt er. Der Experte habe immer wieder neue Objekte vorbereitet und ihn mit diesen herausgefordert. «Das waren zum Beispiel Fensterbögen, Räder oder andere Fragmente.» Dass sie in der Werkstatt nur zu zweit waren, war für den Neuenburger kein Problem. «Es ist ein Vorteil, wenn man ungestört arbeiten kann. Zudem konzentriere ich mich gerne auf mich selbst.» Da es zu weit gewesen wäre, jeden Abend nach Hause zu fahren, wohnte der Romand nahe dem Betrieb und fuhr jeweils am Wochenende nach Hause. Elmar Wyrsch machte es genauso.

Noch eine Zweitlehre gemacht

Gleichzeitig zur WorldSkills-Vorbereitung hat Santschi einen zweiten Berufsabschluss gemacht. Im Sommer 2022 hat er die Schreinerlehre abgeschlossen und hängte eine verkürzte, zweijährige Ausbildung als Landwirt an. «Wir haben zu Hause einen Landwirtschaftsbetrieb mit Milchkühen. Ich stelle mir vor, künftig beide Berufe nebeneinander auszuüben. Beides gefällt mir, und ich brauche Abwechslung. Ich habe mir auf dem Hof eine Werkstatt eingerichtet», erzählt der 21-jährige Neuenburger.

Im Gegensatz zum Möbelschreiner weiss Santschi überhaupt nicht, was für eine Wettbewerbsaufgabe ihn an den WorldSkills erwartet. Erst zwei Tage vor dem Start wird das Objekt den Teilnehmenden und ihren Expertinnen und Experten bekannt gegeben. «Bei den Massivholzschreinern wurde der Modus auf dieses Jahr hin geändert», erklärt er. Bisher war es gleich wie bei den Möbelschreinern mit den drei bekannten Objekten. «Ich finde es aber gut. Für mich ist es so ein Vorteil, da ich Herausforderungen mag und gerne nach Lösungen suche.» Schweizer Schreiner könnten auf das ganze Repertoire des Handwerks zurückgreifen. «Ich bin gespannt, was gefordert wird.» Antreten wird er gegen 18 Konkurrenten.

Ein klares Ziel vor Augen

Santschis WM-Ziel ist klar: Er möchte gewinnen. Nervös ist er noch nicht und fühlt sich bereit. «Es wird natürlich schwierig, und man weiss nie, was kommt. Ich möchte mein Bestes geben und tolle Erfahrungen sammeln», sagt er. Ob es dann Gold oder eine andere Medaille gibt, wird man sehen. «Ich finde, man darf sich hohe Ziele stecken. Das spornt mich an.» Seine Stärke sei die Schnelligkeit, findet der Neuenburger. Allerdings müsse er aufpassen, nicht zu schnell zu sein. Sonst gehe das auf Kosten der Präzision. Dass die Schweizer Schreiner schon viele Erfolge feierten, erzeugt zwar einen gewissen Druck, gibt ihm aber auch Vertrauen. «Unsere Ausbildung und Trainings sind gut. Es ist möglich, gut abzuschneiden.»

Roger Huwyler hat von seinem Schützling eine hohe Meinung. «Seit den Schweizer Meisterschaften 2022 hat er sich enorm verbessert. Er muss einfach aufpassen, dass er dem Arbeitsablauf genügend Priorität gibt», sagt der Experte. «Loïc arbeitet sehr schnell, jedoch mit kleinen Ungenauigkeiten. Wenn er das Trainierte umsetzen kann und nicht in alte Muster zurückfällt, traue ich ihm eine sehr starke Leistung zu.»

Los geht es an den WorldSkills am Dienstag, 10. September, mit der Eröffnungsfeier. Die Wettkämpfe dauern vom Mittwoch bis am Samstagmittag. Ob sich die Schweizer über Medaillen freuen dürfen, erfahren sie am Sonntagabend im Rahmen der Abschlussfeier. Bis dahin heisst es: Daumen drücken.

www.worldskills2024.comwww.swiss-skills.ch

Nicole D’Orazio

Veröffentlichung: 05. September 2024 / Ausgabe 36/2024

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