Ins Amt katapultiert

«Ja, ich habe mich gut eingelebt»: Thomas Iten (51), seit Juni VSSM-Zentralpräsident. Bild: VSSM, Patrik Ettlin

VSSM-präsident.  Thomas Iten, Zentralpräsident des Verbands Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM), ist seit sechs Monaten im Amt. Im Interview spricht er über einen turbulenten Start und die grossen Herausforderungen, die auf die Branche zukommen.

SchreinerZeitung: Die Delegiertenversammlung hat Sie vor einem halben Jahr in St. Gallen zum höchsten Schreiner gewählt. Sind Sie schon richtig angekommen im neuen Amt?
Thomas Iten: Ja, ich habe mich gut eingelebt. Ich hatte natürlich auch das Glück, dass ich mich lange auf diesen Schritt vorbereiten konnte, weil meine Kandidatur früh feststand. Auch die Delegierten leisteten ihren Beitrag an meinen guten Einstand: Sie haben mich einstimmig gewählt, was überhaupt nicht selbstverständlich ist und wofür ich ihnen sehr dankbar bin.
Kurz nach der Wahl kam eine grosse Auf- gabe auf Sie zu: Direktor Daniel Borner gab bekannt, dass er den VSSM verlässt.
Das war gleich an der konstituierenden Sitzung des Zentralvorstands und hat mich und wohl das ganze Gremium auf dem falschen Fuss erwischt. Ich war sehr überrascht, denn ich hatte natürlich gehofft, dass ich in der Einarbeitungsphase auf die Unterstützung des langjährigen Direktors zählen kann. Doch so bedauerlich dieser Rücktritt war, man kann dieser Situation auch Positives abgewinnen: Ich bin umso schneller ins Amt katapultiert worden. Denn es war sofort klar: Jetzt kommt eine sehr intensive Zeit auf uns zu.
Als Aussenstehender hörte man dann lange nichts mehr ...
Das ist so. Grund war der aufwendige Prozess. Bei uns gingen über 100 Bewerbungen ein, viele Kandidaten waren sehr gut qualifiziert. Mit Unterstützung einer Beratungsfirma führten wir im Zentralvorstand viele Gespräche. Nun ist der Entscheid gefallen. Wir freuen uns, dass am 1. Februar 2017 Mario Fellner die Arbeit als Direktor aufnimmt.
Neben der Direktorensuche gab es diverse andere Geschäfte, die Sie in dieser Zeit nicht ruhen lassen konnten.
In der Tat hatten wir parallel dazu grosse Brocken zu bewältigen. Ein zentrales Thema war etwa die Neuverhandlung des GAV für die Zeit ab 2018. Wir haben eine sehr gute Gesprächskultur mit den Gewerkschaften, trotzdem sind solche Verhandlungen schwierig, es wird hart gerungen. Wir hoffen noch immer, dass der Vertrag bis Ende März 2017 unter Dach ist. Ein Knackpunkt ist sicher die Einigung betreffend Vorruhestandsmodell, das die Gewerkschaften fordern. Wichtige Geschäfte waren in letzter Zeit auch die Verlängerung der Allgemeinverbindlichkeit für 2017 und die Verhandlungen über die Lohnrunde.
War der Rollenwechsel vom Vizepräsidenten zum Präsidenten mit grossen Umstellungen verbunden? Jetzt sind Sie das Aushängeschild der ganzen Branche.
Ich bin seit sieben Jahren Mitglied des Zentralvorstands, zwei davon als Vizepräsident. Dadurch ist natürlich vieles gar nicht neu, zumal mich mein Vorgänger, Ruedi Lustenberger, stark in die Prozesse involviert hatte. Inhaltlich war ich bereit. Aber klar, man ist als Präsident plötzlich in einer anderen Rolle, auch in der Wahrnehmung von aussen. Die Leute hören viel genauer hin, was ich sage, ich werde auch häufiger angesprochen. Grundsätzlich suche ich nicht das Rampenlicht, aber ich fühle mich wohl, so wie es ist. Das gehört einfach zum Amt.
Doch es ist wohl schwierig, alle Ansprüche unter einen Hut zu bringen. Sie sind Geschäftsführer und Mitinhaber des Schreinerei- und Holzbauunternehmens Sigrist Rafz und haben eine Familie ...
Darüber habe ich mir im Vorfeld der Wahl viele Gedanken gemacht. Ich kann das gut verantworten. Klar, mit mir hat man einen Präsidenten gewählt, der zeitlich sehr gebunden ist. Dafür bin ich täglich voll in der Wirtschaft tätig und kenne die Probleme der Branche aus dem Effeff. Ich mache einen grossen Spagat zwischen Amt, Beruf und Familie, dessen bin ich mir bewusst. Meiner Familie möchte ich einen riesigen Dank aussprechen, dass sie so gut mitzieht.
Als Präsident analysieren Sie immer wieder, wo in der Branche der Schuh drückt. Wo liegen die Schwierigkeiten?
Die Schreinereien sind durch die ausländische Konkurrenz stark unter Druck. Den Frankenschock haben wir zwar nicht schlecht weggesteckt, aber er ist spürbar. Uns trifft er weit mehr als andere Sparten des Baugewerbes, weil man Schreinereien durch industrielle Fertigprodukte das Wasser abgraben kann. Ein Maurer kann seine Mauer nur vor Ort betonieren. Schreinerprodukte kann man dagegen sehr gut im Ausland produzieren und einführen.
Was kann man dagegen tun?
Die Swissness-Kampagne «Ächt schwiizerisch» des VSSM ist sicher ein gutes Gegenmittel. Doch wir dürfen uns keine Illusionen machen: Am Ende des Tages muss einfach das Verhältnis von Qualität und Preis stimmen, was nicht heisst, dass der Preis tief sein muss. Und wir müssen uns durch besonders guten Service von ausländischen Anbietern abheben. Kleine Betriebe können sich vielleicht spezialisieren und auf diese Weise Nischen besetzen.
Im Tessin bekämpft das Baugewerbe die italienische Konkurrenz mit einem umstrittenen Gesetz namens Lia: Wer Aufträge ausführen will, muss sich registrieren lassen und einen guten Leumund vorweisen. Wäre das eine Lösung?
Ich gebe zu: Ich beneide die Tessiner ein bisschen für den Mut, den sie mit Lia aufgebracht haben. Doch es kann natürlich nicht sein, dass jetzt jeder Kanton ein eigenes Gesetz kreiert, das die Arbeit erschwert. Denken Sie nur an den administrativen Zusatzaufwand, der durch Lia entsteht! Die günstige Konkurrenz aus dem Ausland ist ein schweizweites Problem, das man nur als Ganzes lösen kann. Kantonale Interventionen wie Lia widersprechen meinem liberalen Denken. Aber das Gesetz hat eine wichtige Diskussion angestossen, das muss man den Tessiner Kollegen zugestehen.
Welche Herausforderungen kommen in nächster Zeit auf den Verband zu?
Die Digitalisierung wird den Schreinerberuf weiter verändern. Es werden mehr Fachleute für Planung und Maschinenansteuerung gebraucht werden, als die Schreinerlehre in den Markt befördert. Durchaus möglich, dass es in einigen Jahren den Beruf des Schreinerzeichners gibt, analog dem Sanitärplaner oder Innenausbauzeichner. Weitere Dauerbrenner werden in den nächsten Jahren die Nachwuchsrekrutierung und die Bildung bleiben.
www.vssm.ch

mf

Veröffentlichung: 22. Dezember 2016 / Ausgabe 51-52/2016

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