Hochleistung im Minimum


Bild: Siegenia
Bild: Siegenia
Für Laien ist das Bild von einer modernen Villa mit grossen Fenstern eigentlich recht gewöhnlich. Weil man die Fenster öffnen will, gibt es immer noch einen – wenn auch kleinen – Anteil Rahmen, der die Ästhetik dieser Transparenz stört.Entwicklung mit KonsequenzenRund 50 Jahre ist es schon her, dass Drehflügelfenster zusätzlich auch gekippt werden können. Die anfangs eher klobigen, aussen an Flügel und Rahmen befestigten Beschläge sind mit der Zeit immer eleganter gestaltet und schliesslich wenig sichtbar in den Flügelrahmen verlegt worden. Bis in die 80er-Jahre wurden die Fensterflächen von Häusern nicht allzu gross gehalten. Alle Rahmenelemente waren im Querschnitt so ausgelegt, dass sie genügend Stabilität aufwiesen und auch die Beschläge gut angeschraubt werden konnten.Mit dem Einzug der Isolierverglasung (IV)und dem Wegfall der Doppelverglasungsflügel konnte schliesslich die Beschlägenut ins Falzprofil des Flügels integriert werden. Die umlaufende Nut nimmt heute den gesamten Verschluss sowie Teile der Bandbefestigung im Flügel auf.Mittels richtigen Verklotzens des Isolierverglasungselements im Fensterrahmen wird der Rahmen einerseits stabilisiert und andererseits das Glasgewicht Richtung Band verlagert. Dazu sollte man die untere Flügelecke auf der Bandseite verklotzen, ebenso die diagonal dazu liegende obere Ecke. Das ganze Glasgewicht liegt somit nahe dem unteren Band und am oberen zieht es horizontal in Richtung Schliesskante.Die aktuelle FenstergenerationDer Wunsch nach freier Sicht hat den Glasanteil immer grösser werden lassen. Im gleichen Zuge wurde intensiv daran gearbeitet, die Flügelrahmen in der Ansichtsbreite zu verkleinern. Plötzlich störten die durch die Überlappung der Falzgeometrie breiten Mittelpartien. Gleichzeitig stieg der Wunsch nach Wärme- sowie Schalldämmung, Schlagregen- und Winddichtheit. Immer mehr spielte auch die Einbruchssicherheit bis zur Widerstandsstufe RC2 eine Rolle.Heutige Fensterflügel tragen deshalb etwas dickere Glasscheiben als früher und aus Sicherheitsgründen muss ein IV-Element manchmal auch auf einer Seite ein Verbundsicherheitsglas (VSG) und somit zwei Scheiben haben. Im Sinne einer optimalen Dämmung haben sich zudem Dreifachverglasungen durchgesetzt, was zusätzliches Gewicht zur Folge hat.Immer höhere TragkraftDie beliebteste und auch beste Bauart eines Fensterrahmens hat das Holz-Aluminium-Fenster. Für die eingangs erwähnten schmalen Flügelrahmen reicht das Verklotzen der Glaselemente aber oft nicht mehr. Die Scheiben werden dann in den Rahmen geklebt und bilden so eine Einheit.Die Beschlägehersteller haben ihre Mechanik weiter optimiert. Die Umschaltung vom Drehen zum Kippen kann bei der Roto Frank Schweiz GmbH beispielsweise eine «Tilt First»-Technologie beinhalten, bei der durch Abschliessen nur noch die Kippöffnung möglich ist, was in Schulen interessant sein kann. Dort herrscht oft auch ein etwas rauer Umgang mit den Fenstern, weshalb Roto ein besonders langlebiges Falz- eckband aus Stahl anbietet.Die Siegenia-Aubi AG hat mit «Tital vent Secure» eine gesicherte Spaltlüftung für Dreh-Kipp-Fenster geschaffen, welche RC2 erreicht. Sorglose Geborgenheit bedingt ein Gefühl von Sicherheit und die wird mit starken sowie gut platzierbaren Verschlüssen erreicht. Wie bei Roto erlaubt die Mechanik Flügelgewichte bis 200 Kilogramm. Stahl-druckguss und Kugellagerungen sorgen zudem für einen dauerhaft hohen Bedienkomfort. Auch Maco ist im Angebot recht ähnlich: Der sichtbare Fenster-Schwerlastbeschlag stemmt sogar 220 Kilogramm, der verdeckt liegende bis zu 180 Kilo.Viel Technik in wenig HolzAlle drei Hersteller haben mittlerweile ihre Weiterentwicklung so abgestimmt, dass gut strukturierte Baukästen entstanden sind, die eine schnelle Montage sowie eine relativ einfache Lagerhaltung möglich machen. Die sehr klaren Angaben zum Beschlagseinbau, zum vorhandenen Rahmenmaterial sowie zum späteren Unterhalt müssen unbedingt eingehalten werden, um die mittlerweile hohen Anforderungen zu erfüllen. Man bedenke, dass die ganze Mechanik trotz immer kleinerer Dimensionen massiv verstärkt wurde und das Rahmenholz immer weniger wird.Das Limit scheint erreicht zu seinBei Maco macht man deutlich, wie die heutige Fenstersituation aussieht: Bei einer zweiflügligen Balkontür mit Dreh- und Dreh-Kipp-Flügel besteht der Beschlag aus 322 Einzelteilen, die in Baugruppen vormontiert sind. Das Fenster muss dann 25 000 Betätigungen aushalten, was etwa 25 Jahren normalem Gebrauch entspricht.Im Schnitt fallen 2 bis 5 Prozent des Türpreises auf die Beschläge. Der Fenstermarkt ist weiterhin stark am Wachsen, wobei das Wachstum auf Kosten der Preise geht. Die Technologie kommt ans Limit und das Fenster ist in seiner Leistungsoptimierung in dieser Form ausgereizt.Umdenken bietet neue ChancenDiese Ausgereiztheit zeigt sich auch bei einem Forschungsauftrag des Schweizer Bundesamts für Umwelt an die Berner Fachhochschule in Biel. Es geht darum, Fensterlösungen zu finden, die sensorgesteuert auf Umgebungseinflüsse reagieren. Das heisst: Wenn zum Beispiel ein Flugzeug startet, schliessen sich in der Anflugschneise eines Flughafens die Fenster der angrenzenden Wohnhäuser vollautomatisch, um anschliessend wieder ihre Lüftungsfunktion zu erfüllen. Der ganze Bewegungsvorgang muss so leise vonstatten gehen, dass 33 Dezibel nicht überschritten werden.Die Mayer & Co Beschläge GmbH mit ihrer Marke «Maco» ist bei der Entwicklung beteiligt und sieht in ihr mögliche Ansätze für zukünftige Fenster. Bisher ist es schon möglich, mit nur drei unabhängig funktionierenden Beschlagsmodulen einen Fensterflügel unterschiedlich zu öffnen: nach oben oder unten kippen sowie parallel ausfahren. Bei der Platzierung müssen nur die Bandseitenelemente fix gesetzt werden, ansonsten besteht sogar Formfreiheit bezüglich des Rahmens. Diese drastische Reduktion der Beschlagteile hebt die Fertigung und die Logistik in der Fensterproduktion auf ein völlig neues Niveau. Das verspricht einen spannenden Beschlägeneustart mit vielen Möglichkeiten.ab→ www.roto.ch→ www.siegenia.com→ www.maco.at
Veröffentlichung: 04. November 2019 / Ausgabe 44/2019
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