Ganz im Zeichen des vertragslosen Zustands


VSSM-Zentralpräsident Thomas Iten sprach die etwas mehr als 130 zugeschalteten Delegierten via Videostream an und führte so durch die Versammlung. Bild: Reto Schlatter
VSSM-Zentralpräsident Thomas Iten sprach die etwas mehr als 130 zugeschalteten Delegierten via Videostream an und führte so durch die Versammlung. Bild: Reto Schlatter
Digital. Wichtige Entscheidungen standen im Zentrum der erstmals in der Geschichte des VSSM online durchgeführten Delegiertenversammlung. Mit deutlichem Mehr haben die Delegierten drei Massnahmen zur Abfederung der aktuellen Situation ohne Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zugestimmt.
Es war für alle Beteiligten gewöhnungsbedürftig, fand doch die 135. VSSM-Delegiertenversammlung letzten Freitag nicht wie vorgesehen im Kanton Thurgau, sondern digital statt. Die Vertreterinnen und Vertreter der Sektionen und Fachgruppen waren dabei via Live-Schaltung mit dem Zentralsitz in Wallisellen ZH verbunden, von wo aus der Zentralvorstand durch die Versammlung führte. Die Delegierten stimmten jeweils elektronisch an den Bildschirmen über die traktandierten Geschäfte ab.
Im Zentrum der Diskussionen und Entscheidungen standen die Folgen des vertragslosen Zustands. Diese Situation ohne Gesamtarbeitsvertrag ist seit Anfang dieses Jahres Tatsache und hat arbeitsrechtliche, aber insbesondere auch finanzielle Auswirkungen auf den Verband und seine Mitgliedsbetriebe. Ein besonderes Problem stellt dabei das Fehlen von Geldern für die Aus- und Weiterbildung dar, da die Mittel der Zentralen Paritätischen Berufskommission (ZPK) ausbleiben.
Zentralvorstandsmitglied Fabrizio Wüthrich schilderte via Live-Stream die bereits initiierten Überbrückungsmassnahmen des VSSM zur Gewährleistung der Rückvergütungen im Übergangsjahr 2021. «Wir rechnen bei einem weiterhin vertragslosen Zustand ab 1. Januar 2022 mit jährlichen Leistungszahlungen von rund 1,5 Millionen Franken», erklärte Wüthrich. «Da die ZPK-Gelder fehlen, soll dieser Betrag vorläufig über einen zusätzlichen Beitrag ‹Maek Plus› finanziert werden». Die Delegierten folgten dem Antrag mit grossem Mehr und stimmten einer Erhöhung der Beiträge in die Militär- und Ausbildungsentschädigungskasse (Maek) um 0,125 Prozent zu. Wüthrich zeigte sich sichtlich erfreut über den klaren Entscheid und betonte, dass von dieser Folgelösung nur die Berufsleute profitieren können, welche während der Weiterbildungszeit in einem Unternehmen arbeiten, das der Maek angeschlossen ist – also in einem Mitgliedsbetrieb.
Grünes Licht gab es auch für einen Sonderbeitrag von 0,07 Prozent der Suva-pflichtigen Lohnsumme der Mitglieder. Diese total rund 750 000 Franken fehlen in der VSSM-Kasse, weil der ZPK-Betrag für den GAV-Vollzug wegfällt. Diese Gelder wer- den zur Sicherstellung, Aufrechterhaltung und für Weiterentwicklungen von Produkten, Dienstleistungen und für weitere Massnahmen eingesetzt, die vollumfänglich den VSSM-Mitgliedern zugutekommen.
Zentralvorstands-Mitglied Basil Gasser hatte anhand von drei Beispielen präsentiert, wie sich dieser Sonderbeitrag konkret auf den Mitgliederbeitrag auswirken wird. Gasser betonte, dass diese vorübergehende Erhöhung des Beitrags weit unter den jährlichen Kosten liege, die ein im November 2020 vorgeschlagenes und von den Delegierten abgelehntes Vorruhestandsmodell verursacht hätte. Die beiden von den Delegierten gutgeheissenen, zusätzlichen Beiträge werden ab 1. Januar 2022 eingezogen.
Auf Antrag der Luzerner Schreiner befinden die VSSM-Delegierten künftig jährlich über diese Extraabzüge – solange der GAV-lose Zustand anhält. Beat Bucheli, Präsident der VSSM-Sektion Luzern, vertrat diesen Antrag mit Erfolg vor Ort in Wallisellen. Bucheli betonte, dass mit einer jährlichen Abstimmung eine gewisse Flexibilität gewährleistet sei. Ebenso sieht Bucheli mit dieser Massnahme verbesserte Aussichten für erfolgreiche Verhandlungen rund um einen neuen Gesamtarbeitsvertrag für die Schreinerbranche.
Die vertragslose Situation in der Schreinerbranche stand auch im letzten Antrag der VSSM-Sektion Luzern im Zentrum. Beat Bucheli machte sich dabei für eine möglichst rasche Wiederaufnahme der Verhandlungen für einen GAV Weiterbildung und Gesundheitsschutz stark. Dieses Vertragswerk ist ebenfalls seit 1. Januar 2021 inaktiv. Bucheli äusserte die Hoffnung, dass mit diesem Vertrag die zuvor beschlossene Zwischenfinanzierung der Bildungsbeiträge möglichst rasch wieder beendet werden könne und auch Nichtmitglieder sich wieder mehr an der Finanzierung von Aus- und Weiterbildungsbeiträgen beteiligen müssen. «Zudem wäre mit der Reaktivierung des GAV Weiterbildung und Gesundheitsschutz der Weg für weitere Verhandlungen mit den Sozialpartnern geebnet», erklärte Beat Bucheli. Die Delegierten stellten sich mit grossem Mehr hinter den Antrag.
Zentralpräsident Thomas Iten freute sich über den klaren Auftrag. Allerdings gab er zu bedenken, dass der GAV Weiterbildung und Gesundheitsschutz vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nur bewilligt werde, wenn über den arbeitsrechtlichen Teil des GAV zumindest wieder verhandelt werde. Er zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Verhandlungen demnächst wieder in Gang kämen, das sei auch im Interesse der Gewerkschaften Unia und Syna.
Schliesslich stimmten die VSSM-Delegierten mit der benötigten Drei-Viertel-Mehrheit dem Zusammenschluss der drei Ausgleichskassen (AK) Gärtner und Floristen, Verom und Schreiner zur neuen AK Forte zu. Vom Zusammenschluss der drei AHV-Kassen auf Anfang 2022 versprechen sich die beteiligten Verbände Einsparungen bei den Verwaltungskosten. Von dieser Fusion nicht betroffen sind die eigenständigen Pensionskassen Schreiner sowie Gärtner und Floristen. VSSM-Vizepräsidentin und Kassenvorstandsmitglied Anita Luginbühl zeigte sich erfreut über das klare Ergebnis und sieht mit den Optimierungen Vorteile auf allen Ebenen.
Die Jahresrechnungen des VSSM und der Maek gaben zu keinen Fragen Anlass und wurden von den Delegierten mit grossem Mehr genehmigt. Coronabedingt fielen die Jahresabschlüsse anders aus als erwartet. Weil viele Anlässe nicht stattfinden konnten, lagen sowohl Aufwand als auch Ertrag unter Budget. Letztlich schloss der VSSM zwar wie erwartet mit einem Minus ab, aber deutlich besser als budgetiert.
Nach drei Orientierungen zur Weiterführung der Branchenlösung Siko, zur Organisation der Regionalen Paritätischen Kommissionen sowie zum Neubau des Mehrfamilienhauses am ehemaligen Verbandssitz in Zürich war es Zentralpräsident Thomas Iten und Vizepräsidentin Anita Luginbühl vorenthalten, vier verdiente Sektionspräsidenten zu verabschieden. Der Oberwalliser Jörg Imboden machte sich in seiner Amtszeit durch diverse Marketingaktivitäten für die regionalen Schreiner und Holzbauer einen Namen. Zudem führte er mit Erfolg das Organisationsteam der VSSM-Delegiertenversammlung 2017 in Zermatt VS an.
Der Schreinermeisterverband Kanton Bern (SKB) konnte während vieler Jahre auf die Dienste von Leo Röthlin zählen. Er leitete die Sektion mit seiner ruhigen und besonnenen Art. «Er dachte weit über den Tellerrand hinaus, und dies mit einem guten Sensorium für die soziale Gerechtigkeit», brachte es Anita Luginbühl in ihrer Laudatio auf den Punkt.
Beat Reichen hat das Wirken der Berner Oberländer Schreiner in den letzten Jahren massgeblich geprägt und immer wieder für Überraschungen gesorgt. Seine Ideen und seine werbewirksamen Umsetzungen haben ihn rund ums Thema Holz zum Hansdampf in allen Gassen gemacht.
Als Letzten schliesslich konnte Thomas Iten auch den langjährigen Urner Präsidenten Beat Arnold verabschieden, der für seine Sektion 12 Jahre lang kräftige Zeichen gesetzt hat. «Mit wachem Auge und Verstand gelang es ihm immer wieder, anstehende Probleme elegant und ohne Hektik zu lösen», lobte Iten zum Abschluss einer denkwürdigen ersten Online-Delegiertenversammlung des VSSM.
www.vssm.chIm Sinne einer Hilfestellung und als dringliche Empfehlung an die Mitgliedsbetriebe verabschiedete die Delegiertenversammlung vom letzten Freitag die sogenannte VSSM-Richt- linie Arbeitsverhältnisse. Diese basiert auf der Grundlage des GAV 2022 bis 2025, den die Delegierten an der schriftlichen DV 2020 mit überwiegendem Mehr angenommen haben, der aber aus bekannten Gründen nicht in Kraft gesetzt wurde.
Die vom VSSM ausgearbeitete Richtlinie definiert Mindeststandards und minimale Arbeitsbedingungen, die nach Ansicht des Verbands bei der Ausgestaltung neuer Arbeitsverträge beziehungsweise den Anpassungen von bestehenden Arbeitsverträgen für alle einzuhalten sind. Es sind auch Optimierungen bezüglich Jahresarbeitszeit, Mehrstunden und Langzeitkonto sowie Nachtarbeit aus dem GAV 2022 bis 2025 berücksichtigt worden.
Der VSSM hat für seine Mitgliedsbetriebe ein Informationsblatt über das Vorgehen und den Ablauf eines solchen Wechsels ausgearbeitet. Ebenso stellt der Verband Musterdokumente und Musterarbeitsverträge zur Verfügung. Und: «Je mehr Betriebe während des vertragslosen Zustands ihre Unternehmen nach dieser VSSM-Richtlinie führen, desto besser ist die Ausgangslage für die Verhandlungen mit den Gewerkschaften», betont VSSM-Direktor Mario Fellner.
Sämtliche Dokumente stehen den Verbandsmitgliedern auf der VSSM-Website im Bereich Mitgliederlogin zum Download bereit (siehe Weblink). Auf diesen geschützten Mitgliederbereich gelangt man auch durch Einscannen des QR-Codes. Mitgliedsbetriebe, die nicht im Besitz von Benutzername und Passwort sind, können diese Daten mit Angabe des Firmennamens via marketing[at]vssm[dot]ch anfordern.
www.vssm.ch/mitgliederbereichVeröffentlichung: 01. Juli 2021 / Ausgabe 27-28/2021
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