Eine Verpflichtung zur Qualität

Bei einer Abmahnung ist alles gesetzlich geregelt und vorgegeben. Für die richtige Anwendung ist der Unternehmer jedoch selbst verantwortlich. Bild: Fotolia, Syda Productions

Baurecht.  Eine Abmahnung ist ungültig, wenn der Zeitpunkt verpasst oder sie an den falschen Adressaten gerichtet wird. Aber auch die Präzision und Eindeutigkeit der Formulierung sind häufige Fehler, welche den Unternehmern unterlaufen.

Der Bauherr (Werkbesteller) verlangt, dass die Türen sofort montiert werden, damit er die Möglichkeit hat, das Haus oder die Wohnung so bald als möglich abzuschliessen.

Der Schreiner (Unternehmer) stellt jedoch fest, dass der Bau noch viel zu feucht für eine Türmontage ist.

Das bestehende Risiko ist gross, dass die Türen Feuchtigkeit aufnehmen und sich verziehen, wenn er sie sofort montiert. Er weist den Kunden zwar auf das bestehende Risiko hin, baut die Türen anschliessend aber trotzdem wunschgemäss ein. Eine korrekte, förmliche Abmahnung wird vom Schreiner in diesem Fall nicht vorgenommen. So wie in diesem Beispiel trifft der Schreiner in seinem Arbeitsalltag oft auf ähnlich unklare Situationen. Diese Art der Unterlassung kommt in der Praxis viel zu häufig vor, sei es aufgrund der Loyalität gegenüber seinem Kunden oder aus Angst, einen Auftrag zu verlieren oder bei späteren Aufträgen nicht mehr berücksichtigt zu werden. Ob der Schreiner eine Abmahnung ausspricht oder nicht, ist nicht nur eine strategische Frage, sondern eine Verpflichtung des Unternehmers gegenüber seinen Kunden. Eine Abmahnung dient zum Schutz des Unternehmers und gleichzeitig auch zum Schutz des Kunden. Eine Abmahnung soll als Rat des Unternehmers an den Kunden betrachtet werden. «Sie dient als Vorschlag zur Verbesserung und soll den Werkbesteller ausdrücklich auf eine von ihm erteilte falsche Anweisung oder Umstände hinweisen, die zu einem Werkmangel führen könnten», sagt Peter Bernhauser, Bereichsleiter Recht und Administration beim VSSM.

Ein Rat aus Pflicht

Die Abmahnung ist eine vertragliche Pflicht des Unternehmers gegenüber dem Werkbesteller, da dieser das Anrecht auf ein zum Gebrauch taugliches und mängelfreies Werk hat. So müssen festgestellte Umstände oder Anweisungen des Werkbestellers, die eine mängelfreie und vertragsgemässe Ausführung verhindern oder dazu führen könnten, dass ein Mangel eintritt, sofort abgemahnt werden. Eine korrekte Abmahnung ist im Sinne beider Seiten. Sie dient dem Unternehmer, um sich gegen Mängelrechte zu schützen, und gleichzeitig dient sie auch dem Besteller.

«Eine Abmahnung ist immer ein ausdrücklicher Hinweis auf einen möglichen Mangel des Werkes und auf die Folgen, die daraus entstehen können, wenn die Wünsche und Anweisungen des Werkbestellers ausgeführt werden», sagt Bernhauser. So gesehen ist die Abmahnung auch im Interesse der Bauherrschaft. «Es ist ein Rat, wie Werkmängel verhindert und das Werk qualitativ verbessert werden kann», so Bernhauser weiter.

Falsche Reaktion

Häufig reagiert die Bauherrschaft gegenüber einer Abmahnung jedoch mit Ablehnung. Sie wird fälschlicherweise negativ bewertet und als Kritik verstanden. Wer denkt, der Unternehmer wolle sich nur um die Haftung für allfällige, durch ihn verantwortete Mängel drücken, liegt falsch. Hierzu erklärt Peter Bernhauser: «Der Unternehmer ist nur von seiner Haftung befreit, wenn der Besteller trotz korrekter Abmahnung auf der Ausführung seiner fehlerhaften Anweisung ausdrücklich besteht und nur in Bezug auf den abgemahnten Sachverhalt.»

Teilhaftung und Dritte

Oft hört man auch von einer Haftung des Unternehmers, obwohl er eine Abmahnung ausgesprochen hat. Hier muss klar gesagt werden, dass auch eine korrekte Abmahnung nicht von jeder Haftung entbindet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ursache des eingetretenen Mangels nicht ausschliesslich auf das Verhalten des Bauherren zurückzuführen ist, aber auch, wenn andere als der abgemahnte Grund beziehungsweise die abgemahnte Anweisung des Bauherren Mitursache des Mangels sind. Auch im Verhältnis zu Dritten, also bei Personen, die am Werkvertrag nicht beteiligt sind, entfaltet die Abmahnung keine direkte Wirkung. Keine direkte Wirkung bedeutet, dass wenn der rutschige Bodenbelag abgemahnt wurde, dies nur für den Werkbesteller Geltung hat. Wenn sein Besuch auf dem Bodenbelag verunfallt, kann dieser auf den Unternehmer zurückgreifen. Bernhauser erklärt: «Die Abmahnung schützt den Unternehmer nicht vor allfälligen Schadensersatzforderungen seitens Dritter.» Jedoch kann der Unternehmer mit einer gültigen Abmahnung allenfalls auf den Bauherren Regress nehmen, wenn er tatsächlich mit einer Forderung von Dritten konfrontiert ist. Also kann er auf die Schutzwirkung der Abmahnung zurückgreifen.

Häufige Fehlerquellen

Dass der Unternehmer trotz Abmahnung in die Pflicht genommen werden kann, hat aber meistens andere Gründe. Bernhauser sagt dazu: «In den meisten Fällen ist die Abmahnung an sich nicht gültig und deshalb können die Unternehmer zur Rechenschaft gezogen werden.»

Hier liegt also die Ursache bei einer ungültigen Abmahnung und nicht – wie vielmals angetönt – bei einer Haftung trotz gültiger Abmahnung. Was muss gegeben sein, damit eine Abmahnung ungültig ist? «Am häufigsten können drei Fehlerquellen ausgemacht werden. Dies sind der falsche Zeitpunkt, der falsche Adressat oder die Abmahnung ist unklar ausgedrückt», weiss Bernhauser aus Erfahrung. Folgend werden die drei Fehler kurz erläutert:

Der richtige Zeitpunkt: Der Unternehmer hat die Pflicht, die Abmahnung sofort nach Erkennen des Fehlers an den Besteller zu richten, dies bedeutet, sobald eine fehlerhafte Weisung, die zu einem Mangel führen kann, dem Unternehmer bekannt ist.

Der richtige Adressat: Hier besteht eine erhöhte Gefahr, sobald es sich um Aufträge mit mehreren Ansprechpartnern handelt. Grundsätzlich muss die Abmahnung an den Werkbesteller gerichtet werden. Der Werkbesteller ist derjenige, welcher den Werkvertrag gegengezeichnet hat. Die Abmahnung ist nicht gültig, wenn sie bloss an eine Hilfsperson gerichtet ist. «Am sichersten ist es, die Abmahnung eingeschrieben an den Werkbesteller, meist den Bauherren, zu richten und je eine Kopie an den Architekten oder Bauleiter weiterzugeben», empfiehlt Bernhauser. So hat man die Bestätigung der fristgerechten Zustellung und hat gleichzeitig alle involvierten Stellen informiert.

Die klare Formulierung: Eine Abmahnung muss präzis und eindeutig sein. Dem Besteller muss klar aufgezeigt werden, dass bei der von ihm geforderten Ausführung oder den gegebenen Umständen möglicherweise Schäden oder eine Gefahr entstehen. «Wird dem Kunden die Gefahr nicht deutlich und unmissverständlich erläutert, wird die Abmahnung den Unternehmer im Schadensfall nicht decken», sagt Bernhauser. Bei der Formulierung der Abmahnung bietet es sich an, auch gleich einen Verbesserungsvorschlag zu unterbreiten. Dies ermöglicht dem Auftraggeber eine schnellere Lösungs- oder Entscheidungsfindung.

Entscheid abwarten

Hat der Unternehmer seine Abmahnung klar, fristgerecht und eingeschrieben an den richtigen Adressaten gerichtet, so muss er abwarten, bis ein eindeutiger Entscheid, wie nun weitergearbeitet werden soll, vom Besteller zurückkommt. «Erst der Entscheid des Werkbestellers, an der abgemahnten Entscheidung festzuhalten, hat eine enthaftende Wirkung für den Unternehmer. Der Entscheid des Bestellers muss eindeutig sein und sollte immer schriftlich eingeholt werden», rät Bernhauser. Nur so lässt sich im Streitfall der Entscheid des Bauherren, an der abgemahnten Anweisung festzuhalten, nachweisen.

Hier ist auch die Tatsache wichtig, dass der Handwerker nicht für zeitliche Folgen haftet. Solange der Auftragssteller keinen Lösungsentscheid trifft, hat er den zeitlichen Verzug selbst zu verantworten und auch zu tragen.

Der Profi schreibt

Eine Abmahnung hat auch Gültigkeit, wenn sie dem Kunden nur mündlich mitgeteilt wird. «Ich rate jedoch immer zur schriftlichen und eingeschriebenen Ausführung einer Abmahnung», sagt Bernhauser. Kommt es zu Mängeln oder einem Unfall, muss der Unternehmer beweisen, dass er diese Ausführung gültig abgemahnt hat. Dies kann sich ohne einen schriftlichen Beleg als schwierig erweisen. Deshalb ist es am sichersten, die Abmahnung in Form eines eingeschriebenen Briefes auszusprechen.

Im Zweifel immer abmahnen

Auf heutigen Baustellen berühren sich immer mehr Fachgebiete. Ein gutes Beispiel ist die Montage von Brandschutztüren. Vielmals sollen die Türen schon angeschlagen werden, bevor die Gipserarbeiten vollständig abgeschlossen sind. Hier ergibt sich die Problematik, dass die Türanschlüsse meist in den Türenauftrag hinein gehören, und somit auch die Haftung. Wenn die Türe jetzt montiert wird und ein weiterer Unternehmer die Anschlüsse unfachmännisch ausführt, haftet im Falle eines Mangels der für die Türen zuständige Unternehmer. Bernhauser rät: «Im Zweifelsfall sollte der Unternehmer immer eine Abmahnung erstellen. So ist der Besteller in der Pflicht, einen Entscheid zu treffen.»

Die gesetzlichen Grundlagen

Die Abmahnungen sind im Obligationenrecht Art. 365, 369 und der SIA 118/25 geregelt. Die Rechtsabteilung des VSSM ist stets auf dem neuesten Stand, was eventuelle gesetzliche Änderungen oder Besonderheiten angeht, und berät Mitglieder gerne in allen Rechtsfragen. Bei einer Abmahnung stellt sich immer die offene und direkte Kommunikation mit dem Auftraggeber als beste Vorgehensweise heraus. Druck und Zwang dürfen keinen Einfluss auf die Entscheidung und die Auftragsausführung des Unternehmers haben.

www.vssm.ch

Fachmann Fürs schreinerrecht

Peter Bernhauser …

 … leitet die Abteilung Recht und Administration beim Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbel- fabrikanten (VSSM). Bernhauser wurde am 1. Januar 1963 in Siders VS geboren. Seit dem Jahr 2012 arbeitet Peter Bernhauser für den VSSM. Zuvor war er über zwölf Jahre lang als selbständiger Rechtsanwalt im Büro Modl von Arx Schmidiger Bernhauser, Rechtsanwälte in Winterthur, tätig.

Das gehört in eine Abmahnung

Vorlagen prüfen

Bei der Verwendung einer Abmahnungsvorlage ist immer eine Prüfung der Inhaltspunkte angebracht.

Richtiger Inhalt

Folgend die wichtigsten Punkte, die in einer Abmahnung immer enthalten sein sollten:

  • Name des Unternehmers
  • Name des Werkbestellers
  • Weitere Ansprechpersonen
  • Das Bauobjekt
  • Die genaue Auftragsarbeit
  • Verweis auf den gültigen Werkvertrag
  • Der Abmahnungstext
  • Mögliche resultierende Mängel aufzeigen
  • Ein Verbesserungsvorschlag
  • Datum der Erstinformation
  • Schriftliche und unterschriebene Weisung des Bestellers einholen, wie weiter vorzugehen ist
  • Festhalten, dass die Arbeit erst wieder aufgenommen wird, wenn ein Entscheid des Bestellers erfolgt ist.
  • Vermerk auf die gesetzlichen Grundlagen OR und SIA 118/25

njg

Veröffentlichung: 26. Februar 2015 / Ausgabe 9/2015

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