Ein Holzinstrument findet Anklang


Ein goldenes Schalentier im Schallloch: Daran erkennt man ein Cembalo aus der Werkstatt von Markus Krebs (64). Bild: Beatrix Bächtold
Ein goldenes Schalentier im Schallloch: Daran erkennt man ein Cembalo aus der Werkstatt von Markus Krebs (64). Bild: Beatrix Bächtold
Diesen Duft könnte man mit den Klängen eines Cembalos vergleichen. Kaum wahrgenommen, ist er auch schon wieder verflogen. «Er entströmt dem Zypressenholz, das ich für den Bau der italienischen Cembali benötige», erklärt Markus Krebs das Phänomen in seiner Schreinerwerkstatt in Schaffhausen. Hier baut er seit 1985 Instrumente verschiedener Stilrichtungen. Als er vor Jahren dieses Holz in einem gemieteten Bus von der Toskana hierher transportierte, geschah das mit geöffneten Fenstern. Als er zwei Jahre später wieder den gleichen Bus mietete, war der Duft immer noch wahrnehmbar. Im Laufe von fast vier Jahrzehnten hat Krebs an die 90 Unikate gebaut. Die dazu benötigten historischen Pläne hütet er wie einen Schatz. «Doch was ist schon ein Plan? Würde man zehn Cembalobauern den gleichen Plan geben, kämen dabei zehn verschiedene Instrumente heraus», sagt er. Vieles basiere auf der Intuition, die sich erst mit der Zeit entwickle. «Cembalobau – das ist die Kunst, das Zusammenspiel aller baulichen Komponenten auf einen wohlklingenden Nenner zu bringen», erklärt er. Gerade stehen in seiner Werkstatt zwei fertige Gehäuse, die er während des Winters hergestellt hat. In dieser Jahreszeit ist das Klima nämlich ideal für den Gehäuseaufbau bis und mit dem Einleimen des Resonanzbodens. «Die gleiche Arbeit in der instabilen Luft eines Sommergewitters – eine Todsünde», sagt er. Cembali sind ganz aus Holz. Nur die Saiten sind aus Messing oder Stahl. Der Resonanzboden besteht immer aus Bergfichte höherer Lagen. Gerade, aufrechte, freie Stämme, im Januar bei Leermond geschlagen und im Riftschnitt aufgetrennt. Solche speziellen Hölzer hütet Krebs in seiner Werkstatt. Linde, Buchsbaum oder Ebenholz für die Klaviatur, Birnbaum für die Mechanik, Pappel fürs Gehäuse oder Nussbaum für die Säulen, auf denen das Cembalo ruht.
Das antike Instrument entstand im 17. Jahrhundert und hatte später neben der Orgel bei der Barockmusik seinen grossen Auftritt. Cembali können zart zirpen, aber auch perkussiv hämmern wie ein Schlagzeug. «Besonders impulsiv klingen die italienischen Cembali mit ihren fünf Millimeter dünnen Gehäusewandungen. Diese temperamentvollen Südländer artikulieren akkurat. Anders als die deutsche Variante, die in ihren bis zu 20 Millimeter dicken Wänden den Ton länger subtil silbrig schimmern lässt», verrät Krebs. Das Cembalo hat zwar Tasten, zählt aber zu den Zupfinstrumenten, weil seine Saiten durch einen winzigen Federkiel angerissen werden. Diese Kielmechanik wurde später durch die Hammermechanik des Klaviers abgelöst. Krebs baut, restauriert und stellt spielbereite Cembali für Konzerte zur Verfügung. Er pflegt eine Art künstlerische Symbiose mit der bekannten Schola Cantorum Basiliensis, einem Institut der Hochschule für Musik Basel.
Vor Corona hat Krebs auch gelegentlich seine Werkstatt zum Konzertsaal gemacht. In Schaffhausen aufgewachsen, absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Möbelschreiner in der Lehrwerkstatt Zürich. «Handwerklich top mit Massivholz. Doch Spanplatten und Kunststoff bewogen mich schnell zur Richtungsänderung», berichtet er. Diese wies ihm ein Barockkonzert in einer Thurgauer Kirche. Weil der Cembalobau in der Schweiz kein Lehrberuf ist, gibt es nur eine Handvoll Spezialisten. Wie es mit dieser Kunst weitergeht, ist also ungewiss. Sicher ist aber, dass die Töne der Cembali von Markus Krebs noch eine ganze Weile am Klanghimmel funkeln werden.
«Cembalobau – das ist die Kunst, das Zusammenspiel aller baulichen Komponenten auf einen wohlklingenden Nenner zu bringen.»
Veröffentlichung: 03. März 2022 / Ausgabe 9/2022