Die Vielfalt im Griff


Design und schlanke Profile sind im Schweizer Fensterbau hoch angesehen. Bild: Fenlife
Design und schlanke Profile sind im Schweizer Fensterbau hoch angesehen. Bild: Fenlife
Fenstersysteme. In der Schweiz kommen zahlreiche Holz-Metall-Systeme zum Einsatz. Ebenso vielfältig sind die Philosophien dahinter. Die SchreinerZeitung hat bei einem Systemgeber und einem Fensterbauer nachgefragt, wo ihre Schwerpunkte bei der Produktentwicklung liegen.
Die 2013 von der ETH Zürich veröffentlichte Untersuchung zu den Baumängeln im Schweizer Wohnungsbau liess auch die Fensterbranche aufhorchen. Denn gemäss den Ergebnissen gab es leider auch viele Mängel im Bereich von Terrassen und Fenstern. In der Folge investierte die Branche viel in die Aufklärung, die Ausbildung und die Entwicklung.
Die Komplexität der Systeme stellte sich dabei als grosse Herausforderung dar. Über 20 normative Leistungseigenschaften gilt es zu berücksichtigen. Hinzu kommen die Ansprüche der Architekten, Bauherren und Benutzer. «Gerade bei den Architekten steht aber nach wie vor hauptsächlich das Design im Vordergrund», sagt Martin Günter, Verkaufsleiter Holz-Metall bei der Ernst Schweizer AG. Der Fenstersystem-Lieferant mit Hauptsitz im zürcherischen Hedingen ist laufend dabei, sein Angebot zu optimieren. Gemäss Martin Günter entstehen etwa zwei Drittel aller Verbesserungen aufgrund von Ideen und Vorschlägen seitens der Systemnehmer. Die Schwierigkeit für Systemgeber wie der Ernst Schweizer AG ist es dabei, alle ihre Kunden mitzunehmen, ohne dass sie grosse Veränderungen in der Produktion vornehmen müssen.
Spätestens seit den Erkenntnissen aus der Untersuchung von Baumängeln ist aber klar, dass die reine Betrachtung der Produktion zu kurz greift. Mittlerweile kann man davon ausgehen, dass bei gut aufgestellten Fensterfertigungen die Kosten für die Montage auf der Baustelle etwa gleich hoch ausfallen wie für die Produktion selbst. Denn viele Fensterhersteller haben in den letzten Jahren in moderne Anlagen investiert. Die dadurch gestiegene Produktivität trägt nicht unwesentlich zum Preisdruck im Schweizer Holz-Metall-Bereich bei.
Künftig dürfte also die Montage eine immer wichtigere Rolle aus betriebswirtschaftlicher Sicht und zur Vermeidung von Schäden einnehmen. Einen wichtigen Schritt sind viele Systementwickler bereits gegangen: Sie haben ihre Systeme so angepasst, dass die von den Normen geforderten Klebeflächen für das Abdichten der Anschlüsse vorhanden sind.
Ein anderes Thema ist der Einbau von Festverglasungen. Das Montieren der Gläser von innen ist oft mit viel Aufwand verbunden. Hinzu kommt, dass nach Abschluss der Bauphase der Zugang von innen häufig erschwert ist. Deshalb hat man zum Beispiel bei Ernst Schweizer ein neues System eingeführt, welches ein Einsetzen des Glases von aussen zulässt.
Auch kleinere Systementwickler, welche nicht wie die grossen über eine eigene Entwicklungsabteilung und eigene Prüfanlagen verfügen, können sich vor Weiterentwicklungen nicht verschliessen. «Durch unsere schlanke Struktur sind wir aber in der Lage, schnell auf neue Anforderungen zu reagieren», erklärt Sven Spitzli, Geschäftsführer der Fritschi Fensterbau AG in Wil ZH. Das Unternehmen ist eines von insgesamt vier Schweizer Fensterbauern, welche gemeinsam ein System unter dem Markennamen «Fenlife» entwickelt haben. Dieses umfasst rund 70 Profil- und 25 Zubehörteile, welche die Gruppe selber gemäss ihren Anforderungen herstellen lässt. Die Gruppe hat ihr System erst vor ein paar Jahren komplett überarbeitet und bei der Profilstärke von 64 auf 68 Millimeter umgestellt.
Dennoch kann es an den neuralgischen Stellen nach wie vor zu heiklen Details kommen. Die Planung sowie die Koordination der Anschlüsse und Entwässerung verlangen von allen Beteiligten viel Aufmerksamkeit. Gemäss Sven Spitzli sind auch die Bauleiter immer mehr auf diese Thematik sensibilisiert und sprechen die Problematik vor Ort auf der Baustelle an. Bei den Architekten sieht aber auch er noch Verbesserungspotenzial: «Leider steht bei ihnen oft nur die Architektur im Vordergrund», sagt Spitzli.
Manche Systemgeber versuchen deshalb, gewisse Schnittstellen zu vereinfachen oder sogar zu eliminieren. Auf den Windays in Biel stellte Ernst Schweizer beispielsweise eine neue Lösung für einen französischen Balkon vor. Dabei handelt es sich um Zusatzteile, welche ohne Änderungen auf dem bestehenden Fenstersystem montiert werden können. «Der Vorteil ist dabei, dass die Befestigung nicht mehr von der Fas- sade oder der Dämmung abhängt», erklärt Martin Günter.
An diesem Punkt stellt sich die Frage, ob es nicht denkbar wäre, noch weitere Bereiche in die Fenstersysteme einzubeziehen. In Deutschland zum Beispiel gehören auch Beschattungen und Fensterbänke zum Metier des Fensterbauers. Für Sven Spitzli ist das im Moment kein Thema: «Wir sind spezialisiert auf den Fensterbau und wollen nicht noch mehr Aufgaben dazunehmen.»
Die gleiche Erfahrung machte man auch bei Ernst Schweizer. Das Unternehmen verfolgte vor einigen Jahren ein Projekt zum Thema Fensterbank. Dieses wurde aber mangels Interesse der Fensterhersteller wieder eingestellt. «In der Schweiz sind die Strukturen im Fensterbau tief verankert und die Aufgaben klar abgegrenzt», erzählt Martin Günter.
Dennoch hätte ein Aufbrechen dieser Strukturen auch gewisse Vorteile. So hätte der Fensterbauer die Anschlüsse und Abdichtungen komplett in der eigenen Hand. Dies würde neue Möglichkeiten bei der Planung und insbesondere der Montage eröffnen. Denn dort ist der Fensterbauer nach wie vor sehr abhängig von den anderen Handwerkern, was auch immer wieder zu Verzögerungen und Missverständnissen im ganzen Prozess führt. Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit von Fehlern oder Schäden.
Je schneller der Fensterbauer also sein Werk fertigstellen und abnehmen lassen kann, desto besser. Ein schnellerer Abschluss der Projekte auf der Baustelle würde ausserdem dem bereits erwähnten Umstand – dem gegenüber dem Produktionsaufwand gestiegenen Montageaufwand – entgegenwirken.
Verschiedene Systemgeber scheuen dabei auch nicht den Blick über die Schweizer Grenze hinaus. «Eine Lösung für den europäischen Markt zu entwickeln, ist für uns durchaus ein Thema», sagt Martin Günter. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass vielleicht einige Details aus dem Ausland auch mal in der Schweiz zum Einsatz kommen. «Nicht alles aus dem Ausland ist schlecht und die Deutschen übernehmen ja auch manche Dinge von uns», erzählt Günter.
Selbstverständlich ist das Marktgefüge in Deutschland mit einem Kunststofffensteranteil von etwa 60 Prozent nicht mit der Schweiz vergleichbar. Auch die Märkte in anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Frankreich sind kein einfaches Pflaster. Nationale Eigenheiten sorgen dort für eine gewisse Abgrenzung. So werden in Frankreich praktisch nur Fenster mit Dichtungen im Flügel akzeptiert. Auch in der Schweiz gibt es bei Holz-Metall-Fenstern verschiedene Eigenheiten, wie hohe Designansprüche mit schmalen Rahmenprofilen oder die U-Wert-Berechnung für zweiflügelige Fenster.
Für grosse Systemgeber ist es aber den- noch interessant, im Ausland ebenfalls Fuss fassen zu können. Denn gemessen an der Marktgrösse ist das Potenzial für Holz-Metall-Fenster nach wie vor gross. Immerhin haben im vergangenen Jahr auch der Maschinenhersteller Homag und der Werkzeughersteller Leitz je ein eigenes Holz-Metall-System vorgestellt. Ob sich diese Lösungen dann auch in der Schweiz etablieren können, muss sich erst noch zeigen. Immerhin gibt es in der Schweiz bereits heute eine sehr grosse Vielfalt an Systemen.
Bei der «Fenlife»-Gruppe konzentriert man sich darauf, das eigene System weiterzubringen. «Ausruhen liegt nicht drin, wir müssen dranbleiben», sagt Sven Spitzli. Ziel sei es zudem, noch einen oder maximal zwei weitere Fensterbauer für die Gruppe zu gewinnen. Zu gross will man bewusst nicht werden, weil ansonsten die Flexibilität und somit die Möglichkeit, schnell auf Veränderungen zu reagieren, abnimmt.
www.ernstschweizer.chwww.fenlife.chwww.homag.comwww.leitz.org
Veröffentlichung: 04. April 2019 / Ausgabe 14/2019
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