Des Schreiners sparsame Birnen

Der Schreiner Meinrad Ruckstuhl (75) fertigt allerlei spezielle Gegenstände an, wie eben diese «Stromsparlampen». Bild: Beatrix Bächtold

Leute. Meinrad Ruckstuhl lebt in einem Haus aus Holz. Fast alles darin hat er selbst geschreinert, geschnitzt oder gedrechselt. Sogar die Glühbirnen.

Aber dazu kommen wir später. Quell dieses hölzigen Reichtums ist die Werkstatt, wo immer noch unzählige Holzstücke auf die Verarbeitung warten. Zudem schlummert hier zwischen Spinnweben und Hobelstaub ein Sammelsurium kurioser Kleinteile der Auferstehung an der Drechselbank entgegen. Diese hat er irgendwann gegen sein Auto eingetauscht. «Wir sind so mobil, dass wir doch nicht mehr vorwärtskommen», erklärt er. Und obwohl er seine Worte leise in den Raum stellt, geht von ihnen eine ungeheure Kraft aus. In so einem Moment hätte die Werkstatt hier im luzernischen Fischbach das Zeug dazu, zu einem weiteren Kraftort der Schweiz zu werden. Meinrad Ruckstuhl ist durch und durch ein Hölziger. Nebst seiner Schreinerlehre absolvierte er die Ausbildung als Bauer. Während sechs Jahren besuchte er zudem Abendkurse an der Kunstgewerbeschule Luzern. So verband sich in ihm Holz mit kreativem Denken und wurde zur Basis von allem, was man in seiner Werkstatt begegnet. «Mit Hobby hat das nichts zu tun. Was ich hier mache, ist Begabung. Das ist ein Geschenk», sagt er.

Ruckstuhl stellt die Digitalisierung in der Holzbearbeitung nicht infrage. «Aber die Grundlage ist doch uraltes Wissen. Das kann man nicht wegdiskutieren», sagt er und wendet sich dann einem der vielen Kartonschächteli zu, in welchen sich Bruchstücke von Korkenzieherhaseln, Kuhzähnen, Gamshörnern oder Ähnlichem befinden. «Vielleicht geben die einmal einen Griff für ein Dösli oder so», sagt er. Das «Puff» sei entstanden, seitdem er drechsle und so das winzigste Abfallhölzchen noch in ein Juwel verzaubern kann. Von der Werkstatt gelangt man in den Verkaufsraum, das Atelier «Zum Tannzapfe». Hier hängen an den Wänden Gedichte; von Meinrad Ruckstuhl in alter Schrift auf Holz geschrieben. Die Tinte dazu machte er sich aus Nussbaumrinde, verhackt, in Wasser gelegt, gesiebt, gekocht, reduziert, mit Gummi arabicum elastisch gemacht und dann eben ins Fässchen gefüllt, um darin die Feder zu tunken. In einer Vitrine hütet er rund 75 Holzarten, die in der Schweiz gewachsen sind, in Gestalt selbstgedrechselter Schälchen. Diese sind alphabetisch geordnet von Araukarie bis Zeder. Er hat seine gedrechselten Schalen, Urnen, Gefässchen und Schmuckstücke auch schon an der Zentralschweizer Frühlingsmesse Luga ausgestellt und verkauft. «Man kennt mich. Meine Kunden sind meist Menschen mit hölzigem Hintergrund, der sich über Generationen hinzieht», sagt er. Schliesslich sei das Holz in den Menschen seit Urzeiten verwurzelt.

So widmete er vor fünf Jahren dem keltischen Baumkreis eine Ausstellung. Dafür zeichnete er 22 Holzarten mit Zweig, Blättern und Frucht, rahmte diese Bilder in das entsprechende Holz und Rinde. «Wenn man dieses uralte Wissen studiert, geht einem schon ein Licht auf», sagt er. Und somit sind wir bei den Glühbirnen. Diese sind bei ihm nämlich aus dem Holz von Eibe, Berberitze, Arve, Nuss- und Trompetenbaum, erhältlich in jeder Grösse und Form. Sie verbrauchen garantiert null Kilowattstunden Strom. Er sagt: «Ich könnte mir vorstellen, dass hier einmal ein junger Bildhauer, Schreiner, Schnitzer oder Drechsler meine Arbeit weiterführt.» Aber eben – Meinrad Ruckstuhl ist am 9. Juni geboren. Im keltischen Baumkreis entspricht das der Hagebuche. Dieser Baum steht für Beharrlichkeit, Tatkraft, Zähigkeit. Und er ist erst 75.

«Mit Hobby hat das nichts zu tun. Was ich hier mache, ist Begabung. Das ist ein Geschenk.»

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 11. September 2023 / Ausgabe 36/2023

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