Anschnallen ist Pflicht

«Syam» ist eine mobile Verankerung von Fehr Braunwalder, Bild: Fehr Braunwalder AG

Absturzsicherung.  Jeder hat nur zwei Hände, und die braucht er zum Arbeiten. Die Füsse sichern den Stand. Ein Fehltritt oder der Verlust des Gleichgewichts kann beim Montieren von Fenstern fatale Folgen haben. Der Umgang mit geeigneten Schutzausrüstungen will gelernt sein.

Werden Fenster ausgewechselt, neu montiert, Fensterläden eingehängt oder sonst etwas getan, wo es möglich wäre, zwei Meter und mehr abzustürzen, müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Die Suva hat mit ihrem Factsheet Nr. 33090.d und weiteren darauf verzeichneten Quellen eine Orientierungshilfe geschaffen, auf die jeder im Internet zugreifen kann.

Kollektiv- oder persönlicher Schutz

Vorgeschrieben ist, dass eine Brüstung oder die Oberkante eines Geländerholmes 950 bis 1050 mm über der Standfläche in Sturzrichtung vorhanden sein muss, damit dieser Arbeitsplatz als gesichert gilt. Wer vor einer offenen Fensteröffnung auf einer Leiter steht, befindet sich somit nicht mehr im gesicherten Bereich der Brüstung. Handelt es sich bei der Leiter um eine Podestleiter, verfügt diese selber über ein Geländer. Wenn nicht, muss die Person mit einem Fallschutzsystem gesichert werden. Die Brüstung in korrekter Höhe gilt als Kollektivschutz, da jeder vor Ort automatisch geschützt ist.

Das Fallschutzsystem ist eine persönliche Schutzmassnahme, die das Anbringen geeigneter Anschlagpunkte erfordert, an welche die Rückhaltesysteme der persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) der Monteure eingehängt werden können.

Sicherheitsmanagement

Die Firma Thomi + Co AG aus Lotzwil BE, die Schutzausrüstungen verkauft und Schulungen damit durchführt, beschreibt einen Anschlagpunkt folgendermassen: Er muss einer Kraft von 10 kN oder einer Tonne standhalten. Ist die Ringöse zur Personensicherung ausdrücklich zugelassen und der verwendete Anker in der vor Ort angetroffenen Konfiguration mit 10 kN belastbar, gilt das als sicher.

Es dürfte somit klar sein, dass zu jeder Baustelle auch ein Sicherheitsmanagement gehört. Darauf muss schon bei der Planung und beim Abschluss des Werkvertrags eingegangen werden. Das beinhaltet auch, wer wann was tun oder liefern muss, damit sicher gearbeitet werden kann. Steht ein Baugerüst vor einer Fassade, besteht ein selbstverständlicher Kollektivschutz. Und sind Ankerpunkte mit Ringösen zu setzen, müssen diese genauso eingeplant werden.

Der schnelle Anker

«Syam» ist ein System für mobile Verankerung für jeweils zwei Personen aus dem Angebot der Fehr Braunwalder AG. Die Firma weist darauf hin, dass es in der Schweiz jährlich rund 9000 Stürze gibt. «Syam» soll sich in zwei Minuten montieren lassen und könnte wohl viele dieser Stürze verhindern. Das System stützt sich an Boden, Decke und Fenstersturz ab und kann sogar nach aussen erweitert werden, damit auch von der Fassade her gearbeitet werden kann. Raumhöhen bis 4200 mm sind damit kein Problem. Im Vorfeld muss allerding überprüft werden, ob alle Abstützpunkte dieser Belastung gewachsen sind.

Ähnlich funktioniert der Tür- und Fensteranker aus dem Angebot der 3M Schweiz AG in Rüschlikon ZH. Dieser kann werkzeuglos auch an weiter im Raum liegenden Türöffnungen befestigt werden. Auch da: Unbedingt abklären, ob die Wand hält.

Fixe Punkte mit Seilbahn

Ein Anschlagpunkt muss richtig positioniert sein, damit nicht nur die Sicherheit, sondern auch der Arbeitsbereich optimal ist. Eventuell muss dazu eine Ringöse in die Decke oder die gegenüberliegende Wand gedübelt werden. Werden Decken heruntergehängt, können die vorausgeplanten Ankerpunkte sogar in die Decke mit einbetoniert werden, ohne dass sie später entfernt werden müssen.

Die Bewegungsfreiheit sollte so gewählt werden, dass die Arbeit durchgängig über die ganze erforderliche Weite erfolgen kann, ohne dass man für die Absturzsicherung den Ankerpunkt wechseln muss. Das kann mit einem speziellen, gespannten Seil zwischen zwei Ankerpunkten geschehen, auf dem ein mitlaufendes Auffanggerät wie eine Seilbahn läuft. Daran wird beispielsweise eine kurze Falldämpferleine und der Auffanggurt befestigt, den der Arbeiter passgenau am Körper trägt.

Gerne wird ein Höhensicherungsgerät verwendet, das so viel Seil wie nötig aus- und wieder einrollt. Bei einem Sturz blockiert die Trommel wie bei einem Autosicherheitsgurt und hält die Person.

Horizontaler Einsatz

Für den Einsatz bei Fenstermontagen müssen die verwendeten Seile und Höhensicherungsgeräte für den horizontalen Einsatz und kantengeprüft sein. Da der Anschlagpunkt auf der Montageseite im Gebäudeinneren liegt, führt das Sicherungsseil bei einem Sturz über die Brüstungs- oder Bodenkante und wird zudem durch leichte Pendelbewegungen der gefallenen Person darauf auch noch geschabt. Speziell dafür konstruierte Seile sind dieser extremen Belastung gewachsen.

Persönliche Sicherheitsausrüstung

Spätestens beim Auffanggurt, diesem «Gschtältli» aus einstellbaren Gurten und Ösen, den der Arbeiter perfekt angepasst am Körper trägt, handelt es sich um eine PSA. Sie kann theoretisch von verschiedenen Leuten getragen werden, wenn das ihr Zustand und die Gewichtsklasse zulassen. Nur müssen dann jedes Mal sämtliche Gurten wieder neu eingestellt werden, was viel Zeit verbraucht, die auf dem Bau normalerweise nicht vorhanden ist.

Wie Sicherheitsschuhe, den Anforderungen entsprechende Schutzbrillen, Handschuhe, Gehörschutze, Atemschutzmasken sowie der Bauhelm ist auch die PSA für die Absturzsicherung vom Arbeitgeber auf seine Kosten jedem zur Verfügung zu stellen und bei Abnutzung zu ersetzen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, diese ausnahmslos anzuwenden. In den Unterlagen der Suva sowie beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco wird unter Art. 27 auf diese Vorschriften umfassend eingegangen.

Ausbildung

Persönliche Schutzmassnahmen erfordern auch eine persönliche Ausbildung, damit alle Geräte und Hilfsmittel selbstverständlich und sicher angewendet werden können. Die Fehr Braunwalder AG hat für ihre Kurse ein Übungsgebäude in der Kletterhalle St. Gallen aufgestellt, um authentisch Situationen üben zu können.

Die Thomi + Co AG weist speziell noch darauf hin, dass innert 20 bis 30 Minuten nach dem Sturz in ein Seil ein allenfalls Bewusstloser gerettet sein muss. Womit sicher auch die Rettung ein Kursthema sein sollte.

Werkzeugsicherung

Auch Werkzeug, das herunterfallen könnte, muss gesichert werden. Oft sind es die kleinen Dinge, die grossen Schaden anrichten können und doch gerne vergessen gehen. Denn der Kollege zwei Stockwerke weiter unten sollte seinen Helm zwar tragen, aber nicht wirklich brauchen. Entsprechende Sicherungsmöglichkeiten gibt es für praktisch jedes Handwerkzeug im Handel, womit dann jeder Absturz gesichert ist.

www.suva.ch/33090.dwww.thomi.comwww.fehrbraunwalder.chwww.3mschweiz.ch

ab

Veröffentlichung: 22. März 2018 / Ausgabe 12/2018

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