Am Ende bezahlen alle


Wer ists gewesen? Die Ursache von Bauschäden zu eruieren, ist mitunter extrem auf-wendig – und teuer. Bild: Fotolia
Wer ists gewesen? Die Ursache von Bauschäden zu eruieren, ist mitunter extrem auf-wendig – und teuer. Bild: Fotolia
Baurecht. Der Schreiner befindet sich oft im Sandwich zwischen der Bauherrschaft und anderen Unternehmern. Dabei muss er nicht alles ausführen, was gewünscht wird. Baurechtler Hans Stoller gibt Auskunft über Abmahnungen und darüber, wie der Schreiner sich vor hohem Folgeaufwand schützen kann.
Hans Stoller: Die Abmahnung ist eine Pflicht des Schreiners, sobald er feststellt, dass etwas gemacht wird, das im Widerspruch zu den bekannten Regeln der Baukunst steht. Dann besteht seitens des Schreiners eine Gefahr, dass er nachher ein Werk hat, welches mangelhaft ist. Die Abmahnung ist aber auch eine Pflicht des Schreiners, wenn etwas gegen Sicherheitsvorschriften verstösst. Aber: Wenn man jetzt als Schreiner irgendetwas herstellt, zwei Hölzer miteinander verbindet und es gibt irgendwann einen Riss oder die Farbe platzt ab, dann ist das vielleicht nicht schön, und dort kann der Schreiner problemlos abmahnen, und sobald er die Zustimmung des Bestellers hat, kann er die Reparatur ausführen. Wenn es aber um Verstösse gegen die Sicherheitsvorschriften geht – klassisch sind Geländer, Verglasungen, Durchgangsbreiten von Fluchtwegen usw. –, dann muss er abmahnen, darf aber nicht ausführen. Das Kind, welches wegen eines fehlenden Geländers vom Balkon fällt, war nicht abgemahnt. Dort gibt es keine Ausnahmen, die Sicherheitsvorschriften gelten einfach. In einem solchen Fall hat die Abmahnung den Zweck, dass am Ende ein Werk erstellt wird, das den Vorschriften entspricht. Nötigenfalls muss der Schreiner den Auftrag ablehnen.
Eine Abmahnung ist schriftlich und hält drei Elemente fest: eine klare Beschreibung des mangelhaften Zustands, die voraussichtlichen Folgen und die Wegbedingung der Haftung, falls doch ausgeführt werden soll. In dem Moment, in dem die Sicherheit nicht gewährleistet oder das Werk sicher unbrauchbar wird, muss jedoch nicht die Haftung wegbedingt werden, sondern es darf erst dann ausgeführt werden, wenn eine sichere Lösung gefunden worden ist.
Dann muss er dies bei der Bauleitung anzeigen. Er ist ja nicht schuld, dass er nicht montieren kann. Aber er muss dem Bauleiter sagen, dass er am Tag X hätte beginnen sollen, das Gebäude aber noch nicht so weit sei und er somit erst später anfangen könne. Eventuell hat er Mehrkosten, auch dies muss er anzeigen. Die Termine müssen bei Baubeginn schon möglichst genau vereinbart sein, sonst hat der Handwerker wenig Handhabe, auch dann, wenn es zu Terminüberschneidungen oder Ausfällen kommt. Der Schreiner kann theoretisch seinen Verdienstausfall anzeigen, muss aber beweisen, dass er in der fraglichen Zeit keine anderen Arbeiten hat ausführen können. Das ist aber schwierig – Aufwand und Ertrag, um das zu beweisen, stehen in keinem vernünftigen Verhältnis. Dann ist die Sub-Unternehmerschaft – ein befreundeter Schreiner übernimmt den Auftrag – die bessere Lösung. Das muss dann aber auch gemeldet werden.
Die Prüfung der Vorarbeiten gehört zu den Pflichten des Handwerkers – Ebenheit, Höhe, Niveau etc. Und wenn er dort etwas feststellt, muss er es der Bauleitung anzeigen, dann muss man miteinander festlegen, was man macht. Wenn er trotzdem ausführt, ist er selber schuld. Wenn der Schreiner auf eine krumme Wand täfert, entzieht er dem Maurer das Nachbesserungsrecht und somit kann dieser im Nachhinein nicht mehr haftbar gemacht werden. Auch in einem solchen Fall muss der Schreiner den Bauherrn abmahnen.
Das ist nicht richtig. Wenn an einem Bauwerk ein Schaden entsteht, ist nach Gesetz derjenige, der den Schaden erleidet, verpflichtet, die Voraussetzung der Haftung nachzuweisen: Wer hat es gemacht, wie hoch ist der Schaden, wie ist der Kausalzusammenhang. Die Regelung, die Sie ansprechen, steht nicht im Gesetz, sondern ist eine Bestimmung (SIA 118, Art. 31 – Anm. d. Red.), die nur dann gilt, wenn die Parteien es so vereinbart haben. Demnach haben die zur Zeit des Ereignisses am Bau tätigen Unternehmer den Schaden im Verhältnis der Rechnungsbeträge ihrer Arbeiten anteilsmässig zu tragen. Diese Bestimmung steht wie gesagt nicht im Gesetz, sie widerspricht diesem sogar. Die Richter anerkennen sie aber, und auch die meisten Haftpflichtversicherungen der Unternehmer sind bereit, sie zu akzeptieren, wenn ein Unternehmer zur Haftpflicht herangezogen wird. Der Unternehmer kann aber immer noch beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Solche Fälle sind häufig – typisch sind etwa zerkratzte Fenster: Das kann die Putzequipe gewesen sein oder der Türmonteur.
Bis zur Abnahme ist der Schreiner verpflichtet, die Konformität seines Werks mit dem Werkvertrag zu beweisen. Wenn die Bauherrschaft nun gegenüber dem Schreiner die Meinung vertritt, dass ein Werk nicht der Bestellung entspricht, dann muss der Schreiner den Gegenbeweis erbringen. Sehr oft wird dies mit einem Gutachten versucht. Dabei gibt es verschiedene Arten von Gutachten: Einerseits das Privat- bzw. das Parteigutachten – der Schreiner beauftragt einen Gutachter –, das aber in einer rechtlichen Auseinandersetzung praktisch keinen Wert hat, zur Vorbereitung auf einen Prozess aber durchaus hilfreich sein kann. Dann gibt es das von den Parteien gemeinsam vereinbarte Gutachten, das schon einen höheren Wert hat. Im dritten Fall, dem Schiedsgutachten, einigen sich die Parteien darauf, dass man ein Gutachten macht, und darauf, die Resultate anzuerkennen. Voraussetzung ist, dass es schriftlich erfolgt und dass es beide Parteien gleich behandelt. Dann hat es die gleiche Wirkung wie ein gerichtliches Gutachten. Das ist eine gute Lösung, weil man sich den Aufwand mit dem Gericht sparen kann. Das Problem ist nur, den richtigen Gutachter zu finden. Wenn man sich gar nicht einigen kann, ist die vorsorgliche Beweisaufnahme, beauftragt durch das Gericht, die letzte Möglichkeit. Dann wird das Werk vor der Abnahme von einem durch den Richter bestimmten Gutachter geprüft.
Die meisten Verbände führen eine Liste mit Gutachtern oder erstellen selbst Gutachten. (So auch der VSSM. – Anm. d. Red.) Dabei bringt meiner Meinung nach nur ein Gutachter etwas, der der Fragestellung auch wirklich gewachsen ist. Wenn es etwa um ein undichtes Schwimmbad geht, wird die Sache sehr schnell sehr komplex. Da reicht es nicht, wenn der Gutachter sich nur mit Plattenlegearbeiten auskennt. Dabei geht es immer auch um viel Geld, und jeder probiert, nicht den Schwarzen Peter zu ziehen.
Bis man die Ursache eines Schadens kennt, verstreicht normalerweise viel Zeit. Am Ende läuft es häufig auf einen Vergleich heraus, weil Gerichtsverfahren nicht bezahlbar sind und ein Unternehmen unter Umständen existenziell gefährden können. Zumal der Handwerker seine eigene Arbeit nicht versichern kann. Dann ist es sinnvoll, dass ein aussenstehender Experte Vorschläge macht, wie ein Schaden am besten aufgeteilt werden kann. Im besten Fall jemand, der vom Handwerk und vom Recht etwas versteht.
Die Hochkonjunktur der Bauschäden ist heute. Wir haben sehr hohe Ansprüche an die verschiedenen Gebäudeteile, vor allem an Dächer und Fassaden. Das sind alles Hightech-Produkte mit oft sehr kurzen Verarbeitungszeiten. Montiert werden diese Teile aber häufig von schlecht ausgebildeten Kräften, unter anderem eine Folge des ständigen Preisdrucks. Ein weiteres Problem ist die Ausbildung der Architekten: Wir bilden Designer aus und keine Konstrukteure, dabei wird die Baukonstruktion immer anspruchsvoller. Auch die Anforderungen an die Bauleitung sind heute extrem hoch, da gibt es immer wieder Probleme.
Gemäss einer Studie der ETH belaufen sich die Kosten für Bauschäden auf acht Prozent des gesamten Neubauvolumens, vermutlich mittlerweile sogar zehn Prozent.
Vier bis sechs Milliarden Franken werden jedes Jahr in den Sand gesetzt, und es ist mir schleierhaft, wie wir uns das leisten können. Offenbar interessiert sich schlicht niemand dafür, obwohl auch niemand wirklich davon profitiert, ausser vielleicht ein paar Experten. Und allenfalls die Mehrwertsteuer.
Bezahlen tun wir am Ende alle – über Versicherungsprämien und Mieten.
Veröffentlichung: 07. September 2017 / Ausgabe 36/2017
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