Eine Frage des Formats
Filigrane Stahlprofile und eine markante Sprossenteilung prägen die Schwingflügelfenster von Jansen für ein Hotel. Bild: Claudio Palma/Jansen AG
Filigrane Stahlprofile und eine markante Sprossenteilung prägen die Schwingflügelfenster von Jansen für ein Hotel. Bild: Claudio Palma/Jansen AG
Sonderformate. Der Umgang mit besonderen Konstruktionen und Formaten, wie etwa Wende-fenstern oder Schwingflügeln, ist für die meisten ungewohnt. Die Schreinerzeitung hat einige aktuelle und bewährte Beispiele von Fenstern abseits der üblichen Pfade gesichtet.
Bis der Palazzo Rosso im apulischen Städtchen Ostuni aus dem Dornröschenschlaf zum charmanten Hotel erwachte, brauchte es einige Zeit intensiver Arbeit. Die Bausubstanz aus dem 18. Jahrhundert musste stellenweise freigelegt, das Gefundene geschützt und manches auch erneuert werden. Etwa die grossformatigen Bogenfenster. Damit diese zum Lüften geöffnet werden können, ohne die Gäste des Restaurants zu beeinträchtigen, hat man sich bei der Konstruktion für ein Schwing-flügelfenster entschieden.
Dadurch entfällt das sonst typische Erscheinungsbild eines Fensters mit Mittenanschlag.
Was durch die veränderte Konstruktion möglich wird, zeigt der Entwurf mit asymmetrischen Profilgeometrien mit Sprossen vom Bauherrn und Innenarchitekten Pascal Lauber. Durch die extravagante Gliederung der Fensterflächen und den Einsatz der Stahlprofile Janisol von der Jansen AG in Oberriet SG wurden die Fenster zu einem Blickfang in dem historischen Gebäude. Ein Umstand, der im Altbau weniger häufig auftritt und im Falle des Palazzo wohl der Personalunion von Architekt und Bauherr geschuldet ist. Aus der Branche hört man, dass spezielle Fenster öfter im Neubau einziehen. «Häufig ist es so, dass der Architekt eine Idee anstösst, und wenn diese dem Kunden gefällt und er bereit ist, das am Ende auch zu bezahlen, steht dem Ganzen kaum etwas im Weg», sagt Franz Schmi-diger, Fensterspezialist und Inhaber der gleichnamigen Schreinerei in Baar ZG.
So schlagen sich auch Modeströmungen in der Architektur bei den Fenstern nieder; derzeit gut ablesbar an den raumhohen Glaselementen mit Schiebetüren oder Hebeschiebetüren. Immer einmal wieder, erinnern sich Architekten aber auch an spezielle Lösungen, die es daneben auch noch gibt. Und wenn künftig die Nachhaltigkeit tatsächlich eine grössere Rolle im Bauwesen spielen soll, dann müssten die Glasflächen wieder kleiner und die Fensterformate womöglich wieder vielfältiger werden. «Wie Fenster öffnen, welche Formate und Gestaltungsdetails sie aufweisen, hat viele historisch gewachsene Gründe», erklärt Pascal Huber, CEO der Huber Fenster AG in Herisau AR. Sonst wäre es kaum zu erklären, warum im Süden Dänemarks Drehflügel in der Regel nach aussen öffnen, während es schon in Norddeutschland andersherum ist. Auch im niederländischen Amsterdam finden sich viele Geschichten zu Fenstern. Die typischen, malerischen und schmalen Häuser wurden gebaut, weil sich damals die Steuerschuld nach der Ansichtsbreite eines Hauses bemass. Die Folge waren sehr schlanke und kleine Räume, was wiederum des Öfteren zum Einsatz von vertikalen Schiebefenstern oder nach aus-sen öffnenden Flügeln führte. «Fenster, die nach aussen öffnen, haben den Vorteil, dass ihre Bedienung vom Wohnraum aus sehr angenehm ist. Sie haben aber mehr Nach- als Vorteile», weiss Huber. Zwar können sie bei Winddruck sehr dicht sein, doch ist die direkte Beregnung in die Fälze sehr nachteilig. Massnahmen zum erhöhten Schutz vor Einbruch sind nur schwer möglich. Auch Läden und Storen stellen dann eine Herausforderung dar.
Damit Sonderformate überhaupt umgesetzt werden können, braucht es die passenden Hilfsmittel, allen voran Beschläge.
«Es gibt für fast alle Anwendungen Beschlagslösungen am Markt», sagt Schmidiger. «Manchmal muss man sie etwas anpassen oder die Fenterkonstruktion ändern, was wir schon öfter hatten.» Aber nicht immer lässt sich jeder Architektenwunsch so einfach umsetzen. Beschläge sind manchmal auch nicht mehr zeitgemäss, ihnen fehlen Funktionalitäten wie die Einstell-barkeit. «Wendefenster haben durch den Drehpunkt unten mittig eine schlechtere Wasserdichtigkeit», weiss Huber. Ein Ein-satz sei deshalb im jeweiligen Fall genau zu prüfen. Sonderanfertigungen können den gewünschten Erfolg bringen, treiben aber den Preis in die Höhe. Dennoch: «Wenn der Architekt besondere Ideen hat, lassen wir die dafür notwendigen Beschläge auch mal anfertigen», sagt Huber.
www.jansen.comwww.schmidiger-fenster.chwww.huberfenster.ch
Vertikale Schiebefenster in schlanken Formaten nehmen bis heute im angloamerikanischen Raum einen hohen Stellenwert ein. In der Schweiz kommt diese Konstruktion nur vereinzelt vor, dann aber meist in breiten Formaten. Vor allem, wenn Sitzbe-reiche im Inneren mit dem Aussenraum verbunden werden sollen und Drehflügel stören würden, ist die auch als Hubfenster bezeichnete Konstruktion eine ausgezeich-nete Wahl. So beispielsweise für die Bar Cuadra im Hotel Frohsinn in Opfikon ZH.
In der Lounge mit gedeckter Terrasse im Aussenbereich trifft man sich vor allem im Sommer gerne, wenn die vertikalen Schiebefenster nach oben geschoben den Innen- mit dem Aussenbereich verbinden. Reali-siert wurden die Hubfenster von der Schmidiger Fenster AG in Baar ZG.
Die Beschlagkonstruktion von Hubfenstern funktioniert in der Regel mit einem Gegengewicht über einen Seilzug, was ein fein dosierbares Lüften ermöglicht. Der Schiebeflügel kann in jeder beliebigen Position verharren, selbst wenn draussen ein starker Wind bläst. Machbar ist das Ganze mit Schweizer Beschlägen. So hat die Hawa AG mit Vertical 150 H einen Beschlag im Angebot. Dieser ist bei Rahmenhölzern mit Standardfalzmassen einsetzbar. Das maximale Flügelgewicht beträgt 150 kg bei einer Breite von bis zu 3200 mm und 1200 mm in der Höhe.
Nachteilig bei der Konstruktion ist die aufwendige Seilzugtechnik und der konstruktionsbedingte Umstand, dass der deutliche Querstoss der beiden Flügelrahmen sich oft im Bereich der Blickebene befindet und so störend sein kann.
Vertikalschiebefenster gibt es auch elektrisch angetrieben – was bei schlechter Zugänglichkeit, etwa hinter der Küchenabdeckung – eine elegante Lösung ist. Auch Schiebeflügel mit der Bewegung von oben nach unten sind, wie auch zwei bewegliche Flügel, zwar selten, aber möglich.
Ein Fenster, flächenbündig mit der Fassade, das zum Öffnen zunächst etwas nach aus-sen ausgestellt und sodann vor der Fassade verschoben wird. Die Schiebebewegung erfolgt von Hand, das Öffnen und auf Wunsch auch das Schliessen laufen mechatronisch ab. Durch die motorische Unterstützung soll das Fenster im Smarthome etwa bei einsetzendem Regen selbsttätig von der Belüftungsstellung schliessen.
Entwickelt hat den Prototyp Movista die österreichische KDM Innovation GmbH. Zunächst für Vakuumglas gedacht, wird aktuell an der Variante mit Dreifach-Verglasung gearbeitet. «Am Ende wird es wohl zwei Belastungsklassen geben: 90 und 180 kg», sagt Gerhard Kleinsasser, Geschäftsführer von KDM Innovation. Viele Knackpunkte für die Einstellungen seien inzwischen gelöst, und auch an einer Verschattungslösung und einem Insektenschutz arbeite man derzeit. Am Ende wolle man aber kein Fenster, sondern den Beschlag und die Konstruktion verkaufen. «Allerdings ist eine endgültige Entscheidung über den Fortgang des Projektes bislang noch nicht gefallen», sagt Kleinsasser.
Wendefenster haben meist nur einen Fensterflügel, der senkrecht um eine Achse dreht. In der Regel sitzt der Drehpunkt dabei in der Flügelmitte, kann aber auch aussermittig sein. Wendefenster schaffen einzeln oder auch in Gruppen angeordnet eine besondere Ästhetik. Die Belüftung erfolgt äusserst effizient, so entfalten auch kleinere Formate eine vergleichsweise grosse Wirkung, weil der Luftzug in den Raum gelenkt werden kann. Die Beschläge sollten eine stufenweise Öffnung zulassen und zudem arretierbar sein.
Wendefenster sind heute eher selten geworden. Für eine Reihe von villenartigen Häusern am Lago di Lugano hat die Huber Fenster AG in Herisau AR unter anderem kreisrunde Wendefenster aus Teakholz gefertigt, die stilistisch passend mit den anderen grossformatigen Glaselementen, den Türen und Fenstern sein sollten. Dazu musste das Unternehmen auch die Beschläge modifizieren. Mittels PVD-Verfahren wurden diese dunkel beschichtet.
Mit dem Gebäude Hortus in Allschwil BL wollen das Architekturbüro Herzog de Meuron und der Bauherr Senn einen neuen Standard für nachhaltiges Bauen setzen. Die Planung erfolgte unter dem Primat der Nachhaltigkeit. Deshalb bekommt das Bürogebäude mit fünf Geschossen Schwingflügelfenster von der Blumer Techno Fenster AG in Waldstatt AR. Ganze 416 Fenster werden aktuell gefertigt und montiert. Ein gewichtiger Vorteil der grossformatigen Schwingflügel ist die verbesserte Luftzirkulation für die Belüftung des Gebäudes gegenüber Drehfenstern.
Daneben sind die platzsparende Konstruk-tion, die einfache Bedienung und die leichte Reinigung grosser Flächen von innen vorteilhaft. Im Falle von Hortus, das mehr Energie erzeugt, als es benötigt, wurden die Fenster mit einer Zweifach-Verglasung aus-geführt, weil eine dritte Scheibe wegen des hohen Anteils grauer Energie die Amorti-sationszeit der eingesetzten Energie deutlich verlängern würde.
Anlässlich der Sanierung eines Bregenzerwälderhauses hat das Architekturbüro Felder Geser im vorarlbergischen Egg einen Fensterklassiker weiterentwickelt. Anders als die regionalen Vorbilder kommt das dreiteilige Fenster aus Fichte und Eiche aber ohne Kämpfer- und Setzholz aus. «Das Versetzen von Glaseinstand und Beschlag in der Rahmentiefe ermöglicht schlanke Ansichtsbreiten und verbessert den U-Wert des Rahmens», erklärt Walter Felder vom Architekturbüro. Der zweigeteilte Flügelrahmen ermöglicht das einfache Ein- und Ausglasen. Der Aussenrahmen ist – wenn es durch die Verwitterung nötig wird – austauschbar. Die besonders stark beanspruchten unteren Querhölzer sind in Eiche, die anderen Teile in Fichte ausgeführt.
Die dünnen Vakuumgläser ermöglichen diese Konstruktion erst und erreichen einen U-Wert für das Fenster von 0,75 W/m2K. Für die Luftdichtigkeit gibt Felder Stufe 3 und für die Schlagregendichtigkeit die Stufe 8A nach den europäischen Normenwerken an.
Neben Standardbeschlägen kommen sichtbare Elemente in Messing zum Einsatz. So etwa der Klappladenhalter, der als Griff und zur Verriegelung dient. Die Klappläden sind in die Fensterkonstruktion integriert. Die Rahmen nehmen eine textile Füllung auf, die neben der Beschattung auch als Insektenschutz dient. Die Fenster wurden beim Gestaltungswettbewerb Handwerk + Form vom Werkraum Bregenzerwald aus-gezeichnet. Gefertigt werden die besonde-ren Bauteile vom Unternehmen Schwarz-mann Fenster in Schoppernau, ebenfalls in Vorarlberg.
Veröffentlichung: 15. Februar 2024 / Ausgabe 7/2024
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