Professionelle Kurven schneiden

Auf seinem schnellen Töff fährt der gelernte Schreiner Marcel Zander (26) voll auf Geschwindigkeit und Perfektion ab. Bild: Beatrix Bächtold

Marcel Zander liebt den Duft von frischem Holz, doch für den gelernten Schreiner gibt es noch andere Gerüche, die ihn ins Schwärmen versetzen. So zum Beispiel der Duft von Motorenöl und Benzin oder von nasser Erde, die beim Motocrossfahren, aufgewühlt von dicken Stollen, durch die Luft fliegt. «Dieser Sport ist meine Leidenschaft», sagt der Oberglatter und öffnet die Türe zu seinem «Stall» gleich hinter dem Haus. Darin stehen zwei Motocross-Maschinen auf Teppich- boden und gleich daneben ein Wohnmobil der Luxusklasse, um an die Rennen zu fahren. «Wow», denkt man und Marcel Zander nickt, so als könne er Gedanken lesen. «Ich habe treue Sponsoren. Allen voran natürlich meine Eltern», sagt er. Andere Jungs fahren mit sechs Jahren Trottinett. Marcel Zander aber lässt bereits als Erstklässler seine Mini-Honda QR50 heulen. Stürze nimmt er in Kauf. «Das 40-Kilo-Gerät konnte ich alleine wieder aufstellen», sagt er. Nach nur zwei Trainingseinheiten startet das Naturtalent zu seinem ersten Rennen. 40 Teilnehmer treten an, der Knirps aus Oberglatt hält gut mit. An den Moment der Rangverkündung kann er sich heute noch erinnern. Er sagt: «Ich war auf Platz 16 und unendlich stolz und glücklich.» Inzwischen hat er es zu etwas gebracht. 2003 wurde Zander Sieger bei der Jahresmeisterschaft des Schweizer Jugend-Motocross-Club (SJMCC), nächstes Jahr will er sich beim prestigeträchtigen SAM-Masters MX2 im österreichischen Feldkirch beweisen.

Doch zurück zum Knirps Marcel. Weil er nämlich damals sein erstes Motorrad nicht einfach im Regen stehen lassen will, baut er einen Unterstand. «Es war das Erste, was ich aus Holz gemacht habe», sagt er. Beim Ringen um die Haltbarkeit der Konstruktion und um die Wahl des Materials ist dann wohl die zweite Leidenschaft Marcel Zanders zum Vorschein gekommen. «Ich entdeckte, dass Holz vielseitig und formbar ist. Perfekt für die Hand eines Menschen gemacht und Stück für Stück ein Unikat», sagt er. Diese Erkenntnis hat Spuren hinterlassen und so macht er später die Schreinerlehre in einem Unterländer Betrieb. «Ich liebte diesen Beruf», sagt er und erzählt dann, dass es Parallelen zwischen seinen Leidenschaften gibt. «Kurven zuerst mit dem Kopf und dann mit dem Werkzeug schneiden ist matchentscheidend. Ausserdem muss man bei beidem auf den Augenblick fokussiert sein und bewusst machen, was man tut», sagt er und lacht über die Wortspielerei. Sowohl beim Schreinern als auch beim Motocross sieht man am Ende das Resultat. Im einen Fall ist das ein gelungenes Werkstück, im anderen Fall ein dreckiges Motorrad und im besten Fall ein Pokal. Dann philosophiert er weiter: «Beim Schreinern hat man eventuell einen zweiten Versuch, beim Motocross könnte ein Fehler der letzte sein.» Doch daran denkt er gar nicht.

Extremen Hobbysport zu betreiben und am Morgen früh an der Hobelbank zu stehen, vertrug sich nicht auf Dauer. Momentan macht Zander eine Ausbildung zum Fitnesstrainer. Hier arbeitet er abends. Vormittags hat er Zeit zum Büffeln und Trainieren. «Und ausserdem ist die Fitness im Motocross enorm wichtig. So profitiere ich gleich zweifach», sagt er.

Und apropos profitieren: «Meine Familie und meine Freunde zapfen mein Fachwissen in Bezug auf Holzarbeiten oder Reparaturen gerne an», sagt Zander und holt zwischen den Pokalen eine andere Auszeichnung hervor: Den Hobel, den er im Jahr 2010 vom Schreinermeisterverband Kanton Zürich für seinen ausserordentlich guten Lehrabschluss überreicht bekam.

«Beim Schreinern hat man eventuell einen zweiten Versuch, beim Motocross könnte ein Fehler der letzte sein.»

beb

Veröffentlichung: 24. September 2015 / Ausgabe 39/2015

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