Der Apfel macht den Unterschied

Mit Pektin, das in Äpfeln enthalten ist, haben die Forscher die Eigenschaften des Aerogel-Isolators deutlich verbessert. Bild: Fotolia, al62

WärmedÄmmung.  Aerogele auf Silikatbasis sind hervorragende Isolatoren und eignen sich auch für den Innenausbau. Doch sie sind brüchig und neigen zur Staubbildung. Mit der Entwicklung eines neuartigen Hybrid-Aerogels mit Bio-Zusatz haben Forscher diese Nachteile behoben.

In der Schweiz gelten rund 1,5 Millionen Gebäude als sanierungsbedürftig. Namentlich aufgrund der mangelhaften Isolation dieser Bauten verpufft so viel Energie, dass Experten mit einem Sparpotenzial von bis zu 70 % des gegenwärtigen Heizenergieverbrauchs rechnen. Eine bessere Isolation würde den ökologischen Fussabdruck der Eigentümer verkleinern, und in volkswirtschaftlicher Hinsicht sänken die Kosten um mehrere Milliarden Franken. Doch besonders bei historischen und denkmalgeschützten Bauwerken sind Renovationen nur innerhalb enger Vorgaben möglich.

Hervorragende, aber brüchige Stoffe

Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) haben vor etwa drei Jahren zusammen mit der Baustoffspezialistin Fixit AG einen Dämmputz entwickelt, der von Silikat-Aerogel-Granulat ausgeht. Dessen Wärmeleitfähigkeit beträgt nur rund 28 Milliwatt pro Meter Kelvin (mW/mK), jener von reinem Silikat-Aerogel gar nur 12 bis 15 mW/mK.

Das ist ein absoluter Spitzenwert. Er beruht auf der Struktur des Materials: Aerogele bestehen zu mehr als 95 % aus luftgefüllten Poren, nur etwa 5 % der Masse macht ein Netzwerk von Nanopartikeln aus. Die Luftmoleküle in den Poren können sich kaum frei bewegen. Daher werden thermische Verluste durch Wärmetransport der Gasmoleküle in den Poren auf ein Minimum verringert. Zudem sind Aerogele für das menschliche Auge mehr oder weniger transparent. Sie könnten folglich zur Isolierung von Altbauten verwendet werden, ohne den Denkmalschutz zu verletzen oder das Erscheinungsbild eines historischen Bauwerks zu beeinflussen.

Doch die Verbreitung von Silikat-Aerogelen als Dämmstoff harzt. Zu teuer und zu fragil sei der Stoff, und er tendiere in der Anwendung zur Staubbildung, beklagen Fachleute. In der Tat: Die Verbindungen zwischen den Silikat-Nanopartikeln sind äusserst feingliedrig, wie elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen.

Daher wollten Empa-Forscher um Matthias Koebel zusammen mit Kollegen der französischen Ingenieur-Hochschule Mines Paris Tech die mechanischen Eigenschaften von Aerogelen verbessern. Dies auf einem kaum beschrittenen Pfad: Die Forscher entwickelten ein Hybrid-Aerogel aus Silikat und dem Biopolymer Pektin, das zum Beispiel in Äpfeln vorkommt. Damit schufen sie eine neuartige Stoffklasse, die markant verbesserte mechanische Eigenschaften aufweist. Das Hybrid-Aerogel kann um bis zu 80 % komprimiert werden, ohne zu zerbrechen. Die Wissenschaftler führen dies auf die Morphologie des Pektin-Silikat-Netzwerks zurück. In diesem seien die Nanopartikel über robustere «Stege» miteinander verbunden als die Silikat-Teilchen in klassischen Aerogelen. Durch diesen Gewinn an Widerstandsfähigkeit wird auch die Staubentwicklung von Hybrid-Aerogelen minimiert.

Das Entscheidende dabei: Je nach Pektin-gehalt beträgt die thermische Leitfähigkeit zwischen 14 und 17 mW/mK, also nur wenig mehr als die Wärmeleitfähigkeit von klassischen Silikat-Aerogelen.

Auf dem Weg zur industriellen Nutzung

Mit der Innovation schlagen die Forscher drei Fliegen mit einer Klappe: Das Hybrid-Aerogel ist mechanisch robust, isoliert hervorragend und wird aus biologischen respektive mineralischen Rohstoffen hergestellt. Zudem entwickelte das Team auch noch ein ökologisches Herstellungsverfahren für Hybrid-Aerogele aus einer wässrigen Lösung. Damit liessen sich beliebige Mengen Hybrid-Aerogel herstellen und industriell nutzen, heisst es in einem Artikel, den die Forscher in der Fachzeitschrift «Angewandte Chemie» der Gesellschaft Deutscher Chemiker publiziert haben.

www.empa.chwww.fixit.ch

hag

Veröffentlichung: 28. Januar 2016 / Ausgabe 4/2016

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