Daten schlau genutzt
Digitale Dienste ersetzen immer öfter gegenständliche Produkte. Bild: Pixabay
Digitale Dienste ersetzen immer öfter gegenständliche Produkte. Bild: Pixabay
Smart Services. Die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist immer mehr abhängig davon, ob aus Daten Smart Services kreiert werden können. Was das ist und wie die Holzbranche davon profitieren kann, ergründet die Berner Fachhochschule im Rahmen der Initiative Wald & Holz 4.0.
Post Immobilien hat eine marktreife Applikation namens «Intelliclean» entwickelt, die anhand von Datenquellen und -analysen voraussagt, wo in einem Gebäude der grösste Reinigungsbedarf besteht. Die Folge ist eine bedarfsspezifische Gebäudereinigung. Gemäss dem Factsheet von «Intelliclean» orientiert sich das Reinigungsteam an den Benutzerdaten eines Gebäudes, etwa der Belegung von Sitzungszimmern, und äusseren Faktoren wie dem Wetter. Die Belegung der Räumlichkeiten wird mit Bewegungsmeldern ermittelt. Aus den kombinierten Daten resultiert eine dynamische Tourenplanung, die auf dem Gebäudeplan visualisiert und den Reinigungskräften auf einem Tablet angezeigt wird. Der Reinigungsbedarf wird auf Basis der gewonnenen Daten mithilfe von selbstlernenden Algorithmen ermittelt. Mit jedem Dateninput und jedem neuen Feedback lassen sich die Reinigungstouren noch optimaler auf die Bedürfnisse der Gebäudenutzer abstimmen. Laut Post Immobilien ermöglicht die App Einsparungen von bis zu 15 Prozent.
Das Beispiel aus dem Bereich Immobilienmanagement verdeutlicht, was unter Smart Services zu verstehen ist. Es sind digitale Dienstleistungen, die auf der Sammlung, Auswertung und Interpretation von Real- und Echtzeitdaten beruhen. Diese können als Nebenprodukt von digitalisierten Prozessen anfallen, öffentlich verfügbar sein, mit Sensoren erfasst oder auch eingekauft werden. Die Datenbasis bildet den Ausgangspunkt für die Entwicklung von innovativen Dienstleistungen, sogenannten Smart Services. Datenbasierte Dienste ergänzen oder ersetzen gegenständliche Produkte und ermöglichen so eine Anpassung an spezifische Kundenerwartungen.
Die Grundlage für Smart Services bilden also grössere, in Echtzeit oder zumindest in kürzeren Abständen erhobene Datenmengen. An sich besitzen sie zunächst jedoch keinen Wert. Sie sind ein Rohstoff, der zudem zu ungefähr 80 Prozent in unstrukturierter Form anfällt, etwa als Text, Bild und Ton. Viele Verfahren erfordern strukturierte Daten, doch lassen sich unstrukturierte Daten häufig auch umwandeln.
Aus den aufbereiteten Daten lassen sich Informationen ableiten und Wissen generieren. Gesammelte Daten müssen letztlich also in einen Kontext gesetzt werden, um für Dritte zu einer wertvollen Ressource zu werden. Wie zum Beispiel auch das Rohöl, müssen sie zuerst veredelt werden. Dafür braucht es Datenanalyse-Spezialisten, technische Systeme mit Analysekompetenz oder künstliche Intelligenz.
Smart Services bieten eine grosse Bandbreite an möglichen Funktionen. Aufgrund der niedrigen Grenzkosten für zusätzliche Sensoren und Software-Komponenten lassen sich neue Features relativ kostengünstig in ein Produkt einbauen. Smart Services müssen dem Kunden jedoch einen echten Mehrwert bieten und nicht lediglich durch das Vorhandensein der entsprechenden Technologien motiviert sein. Die Entwicklung erfolgt daher am besten in enger Abstimmung mit den Kunden und Auftraggebern. Zusätzlich sollte sich ein Unternehmen für Funktionen entscheiden, welche die eigene Wettbewerbsposition stärken. Denn viele Smart-Services-Projekte scheitern bereits innerhalb des ersten Jahres nach der Markteinführung wegen mangelnden Mehrwerts für die Unternehmen.
Thomas Rohner (kleines Bild), Professor für Holzbau und Building Information Modeling (Bim) an der Berner Fachhochschule, sieht zahlreiche Anwendungsfelder für Smart Services in der Holzbranche: «Die Bauteilkennzeichnung anhand einer Identifikation über den gesamten Lebenszyklus bietet eine interessante Ausgangslage, die intelligente Etikette.» Das kann durch den Einbau eines RFID-Chips (Radio-Frequency Identification: Identifizierung mithilfe elektromagnetischer Wellen) erfolgen, der durch eine Nummer unverwechselbar ist, sehr viele Informationen enthält und über die Lebensphasen des Produkts mit neuen Informationen bestückt werden kann. «Interessant ist, dass man Kerndaten eines Bauteils über den gesamten Lebenszyklus definieren kann. Alle weiteren Daten kann man linken, als sogenannte Linked Data.»
Ein grosses Potenzial für Smart Services leitet sich laut Rohner auch in den Bereichen des Bauwerkmonitorings der Türen, Fenster und Fassaden ab, ebenso bei Smart-Home-Steuerungen, die sich intelligenter machen lassen. «Thema ist hier die Abwägung, was möglich ist und was erwünscht.» Häufig seien der Datenschutz und -austausch ein grosses Hindernis. Die Entwicklung von Smart Services kann zudem durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Disziplinen anspruchsvoll sein. Die meisten KMU können sie daher nur in Kooperation mit Partnern umsetzen. Wichtig scheint, sich aktiv mit dem Themenfeld der Smart Services auseinanderzusetzen und einen eigenen Zugang zu finden.
Verschiedenen bekannten Werkzeugherstellern dienen digitale Systeme zur Arbeits- und Betriebsmittelverwaltung als Basis für Smart Services. Eine solche, auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Grundlage hat sich das Departement Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule mit der Entwicklung der App «Wer-was-wo» geschaffen. Dabei handelt es sich um eine für Mobilgeräte optimierte Webanwendung auf der Basis von Open-Source-Software zur Self-Service-Betriebsmittelverwaltung im Technologiepark. Die Betriebsmittel sind mit einem NFC-Tag (Near-Field Communication: «Nahfeldkommunikation» auf Basis der der RFID-Technik) versehen, der sich mit einem NFC-fähigen Smartphone einfach scannen lässt. So gelangt man auf eine Nutzeroberfläche, auf der Verfügbarkeit, Zubehör, Reservierungen und Alternativgeräte angezeigt werden. Das Betriebsmittel kann nun sowohl reserviert als auch spontan ausgeliehen werden. Die Betriebsmittel-Verantwortlichen erhalten Informationen zu «Wer-was-wo» und zum Zustand der Betriebsmittel, aber auch zu deren Gebrauchshäufigkeiten im Hinblick auf Investitionen. «Es ist eine einfach umsetzbare, kostengünstige Anwendung, die auch als Ausgangspunkt für zusätzliche Funktionen dienen kann», sagt Entwickler Andreas Hämmerli, bei der Berner Fachhochschule Leiter Prüfstelle und Technologiepark.
Die breite Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G wird die Entwicklung von Smart Services wohl weiter beflügeln. Ein Netz, das durch eine höhere Geschwindigkeit praktisch in Echtzeit reagiert, ist für die Vernetzung von Produkten, Bauteilen und Maschinen interessant. So wird die Holzbranche wohl zunehmend mit dem Thema in Berührung kommen. «Es existieren bereits verschiedene Ansätze. Viele Techniken, die jetzt noch Stand-alone-Lösungen sind, kommen in die Vernetzung. Einzelkomponenten sollten aber schon im Hinblick auf eine mögliche Vernetzung aufgebaut werden», sagt Rohner.
Autorin Regina Weber (RW) ist Wissen- schaftliche Mitarbeiterin am Departe- ment Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule (BFH). Die Hochschule ist Trägerin der Initiative Wald & Holz 4.0. Diese fördert, beglei-tet und unterstützt die Wald- und Holzwirtschaft im tiefgreifenden Wandel, der durch die digitale Trans- formation ausgelöst worden ist. Acht Branchenverbände, darunter auch der Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabri- kanten (VSSM), und 60 Unternehmen sind aktiv als Projektpartner betei- ligt. Der Wissenstransfer wird geför- dert, und es werden praxistaugliche Instrumente entwickelt, welche die Unternehmen in der Digitalisie- rung unterstützen. Die Initiative Wald & Holz 4.0 wird vom Bund im Rahmen des Aktionsplans Holz (2017 bis 2020) unterstützt. Hinzu kommen finanzielle Beiträge der beteiligten Unternehmen und Organisationen sowie Eigenleistungen der BFH und ihrer Partner.
www.wh40.chwww.bfh.chVeröffentlichung: 22. Oktober 2020 / Ausgabe 43/2020
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