Nur normal ist nicht normal

Einen aussergewöhnlichen Stamm hat die Roser AG mit dem maserwüchsigen Exemplar einer mandurischen Esche gefunden. 1500 m2 exklusiver Werkstoff. Bild: Roser AG

Maserholz.  Lange war das Maserholz ein gefragter Werkstoff. Das ist derzeit anders. Zeit, zu klären, worum es sich dabei eigentlich handelt und zu überlegen, ob man nicht vielleicht wieder öfter die aussergewöhnliche und lebhafte Zeichnung des Holzes stilvoll einsetzen könnte.

Ein Baum wächst normalerweise schnurstracks der Sonne entgegen. So gewöhnlich gültig für die Laubhölzer. Oder der Baum wächst senkrecht vom Erdmittelpunkt ausgehend zum Himmel. So die (meisten) Nadelhölzer. Ein jedes hat seinen Ur-Code, dem es normalerweise folgt. Zum Normalen gehört aber auch, von der Norm abzuweichen. Wie zum Beispiel maserwüchsiges Holz.

Maser ist normal

Normalerweise kennt jeder Maser- oder Wurzelholz. Manche sagen auch Wurzelmaser. Ein Begriff, der die Exklusivität des speziell gezeichneten Holzes wohl besonders hervorheben soll, denn Stammmaser ist auf der anderen Seite kein gängiger Ausdruck. Gemeint ist dabei immer das Gleiche: eine Laune der Natur, die einige Bäume öfter haben als andere. Aber nicht für jedes Maserholz trifft der etwas schwammige Begriff Wurzelholz zu. «Maser beschreibt eine holzanatomische Eigenschaft, unabhängig von der Lage im Baum. Sie ist dadurch charakterisiert, dass der Faserverlauf nicht der Achse des Baumes folgt, sondern verschlungen verläuft wie ein wirrer Wollknäuel», erklärt die Biologiedoktorin Katrin Joos-Reimer.

Von wegen Wurzel

Das Phänomen des Maserwuchses kann bei einem Baum in zwei unterschiedlichen Bereichen auftreten. Im unterirdischen Teil des Stammes beim Übergang zur Wurzel und – für jeden sichtbar – am Stamm selbst. Meist im unteren Teil der Sprossachse, dem Stammfuss, manchmal auch in beachtlicher Länge des Stammes.

Der Begriff Wurzelholz ist insofern irreführend, weil nicht etwa ein langer Wurzelstrang ausgegraben wird, sondern es um die Verdickung am Wurzelansatz geht. Zwar ist dieser Ansatz unterirdisch gelegen und doch nicht im umgangssprachlichen Sinne ein Wurzeltrieb.

Immer geht es aber um eine sichtbare Verdickung des normalen Holzgefüges durch sogenannte schlafende Augen. Gemeint sind Knospen in den Startlöchern, die nur darauf warten, auszutreiben, einen «Sekundärtrieb» zu bilden. Und weil diese den Normalbetrieb stören, wachsen die Holzfasern in diesem Bereich um die neuen Triebansätze herum. Heraus kommt ein Holzgefüge, das entgegen seiner normalen Veranlagung wirr verläuft, eben wie ein Wollknäuel, und so die typische Maserknolle bildet. Von aussen sichtbar wird das «abnorme» Holz durch entsprechende Verdickungen. Meist sieht man die ruhenden Knospen als kleine Spitzchen in der Rinde eingebettet. «Verantwortlich für den Maserwuchs ist vor allem die genetische Neigung. Aber auch kleinste Verletzungen durch Insekten sollen das Phänomen hervorrufen können», so Joos-Reimer. Maserholz im Stamm kommt besonders häufig bei Rüster, Esche, Ahorn, Pappel, Eibe, Eiche und Linde vor. Die Schätze in der Erde zum Beispiel bei Nussbaum, Madrona, Vavona (Wurzelknolle des amerikanischen Sequoia) und Whitewood.

Einiges ist wirr

Etwas Uneinigkeit herrscht auch bei der Unterscheidung, ob es ein Maserholz oder einfach eine Wuchsbesonderheit ist. Die weitverbreitete Meinung, dass es sich bei dem bekannten «Vogelaugenahorn» um ein Maserholz handelt, gehört in diese Kategorie. Meist gewonnen aus dem Stamm des Zuckerahorns, handelt es sich bei dieser Wuchsbesonderheit nicht um Maserholz im Sinne der Definition. Die augenartige Struktur des Holzes erinnert zwar an den wirren Faserverlauf durch schlafende Augen, soll aber tatsächlich durch Wachstumsstörungen in der Kambiumschicht entstehen. Dadurch treten die typischen, punktförmigen Strukturveränderungen auf, die mit einem gewellten Faserverlauf einhergehen. Dieses augenartige Antlitz ist letztlich für die Namensgebung verantwortlich, freilich ohne zu beachten, dass es beim «echten» Maserholz eben auch um Augen geht.

Ähnlich verhält es sich bei der sogenannten Braunmaserbirke. Auch hier handelt es sich nicht um ein «echtes» Maserholz. Hervorgerufen durch zahlreiche kleine Rindeneinschlüsse, entsteht die kurze, länglich-braune «Strahlenzeichnung». Vermutet wird, dass es sich dabei um eine Virusinfektion handelt.

Aufwendige Produktion

Maserhölzer werden ganz überwiegend zu Furnier aufgearbeitet. Ein kleiner Teil gelangt als massives Holz in kleinen Abmessungen in den Handel für spezielle Anwendungen wie Griffschalen oder Drechselwaren. Bei Wuchsanomalien, wie der des Vogelaugenahorns, kann es auch anders sein. Sind die Augen nicht so zahlreich und gleichmässig über einen Stamm verteilt, werden solche Stücke durchaus auch aufgesägt und gelangen als Schnittholz auf den Markt.

Hauptsächlich wegen der Seltenheit von Maserwuchs in grösseren Dimensionen ist das Furnier teuer. Aber auch die Produktion ist aufwendiger, als bei gewöhnlichen Hölzern, denn Fremdkörper können eingewachsen sein und die Messer beschädigen. «Maserhölzer werden rundgeschält und können je nach Fehlerarmut der Knolle auch eine beeindruckende Fläche ergeben», weiss Urs Roser, Leiter Geschäftsbereich Furnier bei der Roser AG. Auch werden Maserhölzer oft in Handarbeit ausgegraben, um hochwertige Knollen nicht zu beschädigen.

Meist sind die Maserstücke und damit auch die Furnierpakete jedoch eher kleinflächig. «Die Vermessung erfolgt in Länge und Breite auf Zentimeter genau, im Gegensatz zu normalen Furnieren, die in der Länge auf fünf Zentimeter genau gemessen werden», erklärt Marcel Heiniger, Geschäftsleiter der RS-Furniere AG.

Zeichen von Luxus

Maserhölzer waren immer ein exklusiver Werkstoff. Eingesetzt für Armaturenbret- ter von Luxusautos, in privaten Flugzeugen oder im Yachtinnenausbau kommt das auch heute noch zur Geltung. Dagegen ist die Verwendung im Möbelbau, in früheren Zeiten sehr beliebt, seit geraumer Zeit stark rückläufig. Liebhaberstücke oder Restaurationsobjekte natürlich ausgenommen. «Kamen früher Nussbaum-, Ulmen-, Madrona- oder Eichen-Maserhölzer bei ausgesprochenen Top-Objekten dann und wann zur Anwendung, so ist in den letzten drei bis fünf Jahren die Nachfrage bis auf ausgewählte Liebhaberobjekte geschrumpft», sagt Roser. Das gilt auch für den Jahrhundertstamm in Tamo Maser von mehr als 1500 m2 Furnier, den die Roser AG vor einiger Zeit angeboten hatte. Das spezielle Holz einer mandurischen Esche wurde schliesslich doch für ein Objekt in der Schweiz verwendet.

Nur noch Nostalgie?

«Mengenmässig ist der Anteil Maserholz am Furniermarkt marginal, wertmässig verhält es sich aber anders», sagt Heiniger. Aber die Mode geht seit längerer Zeit andere Wege. «Nostalgie ist der richtige Ausdruck beim Maserholz. Im Design sind einheitliche Strukturen gefragt, was beim Maserholz gerade gegenteilig ist», so Roser. Die geringe Nachfrage gelte auch für andere Wuchsbesonderheiten, wie geriegeltes Holz oder Vogelaugenahorn.

In der zeitgemässen Architektur sind die Räume von enormer Schlichtheit, manchmal auch kühl und fast langweilig. Einheitliche Farbtöne in Weiss und Grau, die sich nur in Nuancen unterscheiden und flächige, gleichmässige Strukturen sind das Gebot der Stunde. Das Auge des Benutzers kann sich in solchen Räumen aber kaum noch irgendwo festhalten. Um wenigstens etwas zur Ruhe zu kommen und einen Reiz erfassen zu können, werden dann oft kräftige, farbige Akzente oder wilde, unregelmässige Strukturen von Kunstwerken oder edlen Teppichen anbeigestellt.

Normalerweise empfinden viele Menschen Maserhölzer als schön. Vielleicht auch, weil sie ahnen, dass es sich um etwas Besonderes handelt – etwas, das normalerweise Luxus verkörpert aufgrund der Seltenheit. Und normalerweise folgt jeder Modewelle auch eine Gegenbewegung. Also müsste die Maser-Besonderheit normalerweise irgendwann wieder auftauchen.

www.holzhandelszentrale.chwww.roser-swiss.comwww.rs-furniere.ch

ch

Veröffentlichung: 20. November 2014 / Ausgabe 47/2014

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